Roman Abramowitsch, der russische Oligarch und Putin-Vertraute, denkt über den Verkauf des Londoner Fussballklubs Chelsea nach. In einem bemerkenswerten Interview bekundet der Schweizer Milliardär und Philanthrop Hansjörg Wyss sein Interesse - aber nicht alleine.
Über Hansjörg Wyss heisst es eigentlich, dass er ein verschwiegener Mann sei, ein Phantom gar, so hat das die «Bilanz» einst formuliert. Jetzt wurde der in den USA lebende Milliardär und Philanthrop für einmal ganz schön deutlich. In einem Interview mit dem «Blick» tat der 86-Jährige sein Interesse kund, Chelsea zu kaufen.
Der Londoner Fussballklub ist der aktuelle Sieger der Champions League, der wichtigsten Trophäe im Vereinsfussball. Er gehört Roman Abramowitsch, einem steinreichen russischen Oligarchen. Und dieser Abramowitsch, so erzählt es Wyss im Interview in bemerkenswerter Offenheit, soll Chelsea nun «schnell loswerden wollen».
Am Dienstag, so Wyss, habe er mit drei weiteren Personen das Angebot erhalten, den Verein zu kaufen. Und er sagt, er könne sich den Einstieg bei Chelsea «gut vorstellen». Allerdings will Wyss, der in Bern aufgewachsen ist und sein Vermögen in der Medizinaltechnik-Branche gemacht hat, das nur in einem Konsortium tun.
Roman Abramowitsch ist wie Hansjörg Wyss ein milliardenschwerer Mann. Sein Vermögen wird auf 14 Milliarden Dollar geschätzt. Das macht ihn zu einem der reichsten russischen Oligarchen. Der 55-Jährige gilt als Vertrauter von Wladimir Putin, dem russischen Präsidenten. Und ist derzeit, um noch einmal Wyss zu zitieren, «wie alle anderen Oligarchen in Panik».
Das liegt am Krieg in der Ukraine, dieser brutalen Invasion, die Putin befohlen hat - zur Überraschung aller, selbst der russischen Elite. Die Namen von Teilen dieser Elite finden sich nun auf Sanktionslisten, zum Beispiel jener der Europäischen Union oder von Grossbritannien. Heisst konkret, dass etwa ihre Vermögen eingefroren werden und ihnen die Einreise verwehrt wird.
Auch verschiedene Oligarchen stehen auf einer solchen Liste. Roman Abramowitsch bisher nicht. Doch in England, dem Land, in dem er Chelsea besitzt und eine ganze Reihe teurer Immobilien, wird die Forderung laut, dass sich das ändern soll. Keir Starmer, der Leader der linken Labour-Partei, forderte am Mittwoch, dass auch Abramowitsch härter angefasst wird. Zuvor hatten das schon andere Parteikolleginnen getan.
Der Milliardär hat darauf indirekt bereits am Wochenende reagiert: Da teilte er in einem knappen Statement mit, dass er «Verantwortung und Fürsorge» für den FC Chelsea den Treuhändern der Chelsea-Stiftung übertrage. Das wirkte wie ein Manöver, um sich für den Fall abzusichern, dass die britische Regierung dem politischen Druck nachgibt und Sanktionen gegen Abramowitsch ergreift.
Von einem Verkauf von Chelsea war da noch nicht die Rede. Nur ein paar Tage später will Abramowitsch den Verein nun ganz loswerden. Am Mittwochabend veröffentlichte der Russe ein Statement, in dem er erklärt, dass er entschieden habe, den Verein zu verkaufen – weil er glaube, dass dies im besten Interesse des Clubs sei. Weiter kündigte Abramowitsch an, dass der Nettoerlös aus dem Verkauf in eine Stiftung fliessen wird. Das Geld soll den Opfern des Kriegs – und ja, Abramowitsch verwendete das Wort Krieg, anders als Russland, das stets auf den Begriff «militärische Sonderoperation» zurückgreift – zugute kommen. Auf eine weitere Verurteilung des Kriegs oder eine Distanzierung von Putin verzichtete Abramowitsch, doch auch so ist sein Zeichen ein klares.
Als Abramowitsch den FC Chelsea im Juli 2003 kauft, bekommt er einen stolzen, aber nicht allzu erfolgreichen Traditionsverein. Doch unter seiner Führung ändert sich das rasch. Abramowitsch investiert viel Geld in neue Spieler, über die Jahre werden es mehr als zwei Milliarden Franken. Und das zahlt sich aus: Die Abramowitsch-Ära ist für Chelsea die erfolgreichste der Vereinsgeschichte. Fünfmal gewinnt der Klub die Premier League, zweimal die Champions League, 2012 und 2021.
Abramowitsch hat den englischen und europäischen Klubfussball nachhaltig verändert, weil er langjährige Hierarchien auf den Kopf gestellt hat. Und er hat ein Modell salonfähig gemacht: Das des Vereins, der mit Investorengeld rasch gross gemacht wird. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe solcher Vereine, und im Rennen um die Champions League gehören sie zu den Favoriten: Paris Saint-Germain, Manchester City. Oder eben Chelsea.
Nun steht die Geschichte von Abramowitsch und Chelsea vor ihrem Ende. Hansjörg Wyss sagte dem «Blick», den genauen Verkaufspreis kenne er noch nicht. Abramowitsch fordere aber noch viel zu viel – unter anderem eine Entschädigung für das Geld, das er Chelsea im Lauf der Jahre geliehen habe. Wyss sprach von 2 Milliarden Pfund, englische Medien von 1,5 Milliarden. Abramowitsch hielt in seinem Statement dann später fest, auf eine Rückzahlung verzichten zu wollen.
Ein Verein wie Chelsea kommt selten auf den Markt. Für interessierte Investoren ist das auch wegen der Konstellation eine grosse Chance. In England wird auch Jim Ratcliffe als möglicher Interessent gehandelt. Dem Besitzer des Chemiekonzerns Ineos gehört auch der Schweizer Verein Lausanne.
Über Hansjörg Wyss, den schweigsamen Milliardär, ist bekannt, dass er sportbegeistert ist. Er machte die Medizinaltechnikfirma Synthes gross und verkaufte sie 2012 für 21 Milliarden Dollar. Etwa die Hälfte davon landete auf seinem Konto. Kurz darauf trat Wyss einem exklusiven Klub bei: Als Mitglieder von «Giving Pledge» verpflichten sich Milliardäre, mehr als die Hälfte ihres Vermögens zu spenden. Gegründet wurde der Klub von Bill Gates und Warren Buffett.
In einem Interview mit der «Bilanz» im November 2020 sagte Wyss, dass er schon mehr als drei Milliarden Dollar gespendet habe. Das Geld fliesst zum Beispiel in den Kunstbereich. Oder in Umweltschutzprojekte. Auch Bildungsinstitutionen erhalten immer wieder Spenden von Wyss, darunter verschiedene Schweizer Universitäten. Und dann engagiert sich der 86-Jährige auch politisch: Er gehörte 2015 zu den Gründern einer Organisation, die sich für den bilateralen Weg einsetzt. Im letzten Herbst bezeichneter er die SVP als «grosse Gefahr für die Schweiz».