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Bergführer Andreas Brunner erklärt, wie der Einstieg ins Skitourengehen gelingt.
Kein Anstehen, keine Gondel, keine grossen Menschenmengen und trotzdem Skifahren? Das Skitourengehen macht das möglich und ist in diesem Winter gefragter denn je.
Denn eine Skitour verspricht Abenteuer draussen in der Natur, umgeben von Wäldern, Bergen und der scheinbar grenzenlosen weissen Landschaft – abseits von Strassen, Häusern und der Zivilisation. Und gegenwärtig auch abseits des Virus.
All das mag sehr verlockend klingen, doch weitab von markierten Pisten im Gebirge kann es gefährlich sein. Lawinen, Gletscherspalten oder Wetterumschwünge können einem das Erlebnis zur Hölle machen.
Mit einer gezielten Planung lassen sich diese Risiken aber deutlich minimieren. Was es für eine Skitour alles braucht und wie der erste Schritt gelingt, beantwortet Andreas Brunner, seit 35 Jahren diplomierter Bergführer und seit kurzem Mitglied des Zentralvorstands des Schweizer Bergführer Verbands.
«Wer ohne Stress und sicher unterwegs sein will, sollte sich einem Bergführer, einer Bergsteigerschule oder einem Bergsportclub anschliessen. Hierzu bieten etwa der Schweizer Alpenclub SAC und ähnliche Sportverbände verschiedene Angebote», so Brunner.
In den Bergen brauche es Erfahrung und zu Beginn könne einem die mangelnde Technik Schwierigkeiten bereiten. Brunner sagt:
«Ein Bergführer kennt ideale Anfängertouren, wo er weiss: Hier bringe ich den Anfänger hoch und er hat auch Spass dabei.»
Denn wichtig sei stets, dass die Teilnehmer Freude am Gebirge haben und «sich nicht mit Müh und Not irgendwo hochschleppen müssen.»
Wer es auf eigene Faust ausprobieren möchten, dem empfiehlt Brunner: «Zum Üben eignen sich Skipisten, da diese gegen Lawinen gesichert sind. Allerdings ist das Erlebnis nicht mit der Idylle einer richtigen Skitour vergleichbar, da man sich im Rummel von anderen Skifahrern und Bergbahnen befindet. Auf der Piste gelten zudem die FIS-Regeln: Hochlaufen nur am Pistenrand.»
Einige Skigebiete verfügen auch über sogenannte Randoparks. Das sind vom Skigebiet markierte Skitourenrouten. Perfekt für Einsteiger.
Natürlich kann man auf der Piste auch nachts oder bei geschlossenem Betrieb hochgehen. Aufgepasst aber auf die Pistenfahrzeuge. Diese hängen an einem bis zu einem Kilometer langen Drahtseil, das man in der Nacht nicht sieht, sich im Schnee vergräbt und auf einmal hervorschnellen kann.
«Neben einer Spitzkehre im steilen Gelände sollten Tourengänger das Fahren im freien Gelände beherrschen», sagt der Bergführer. Es empfiehlt sich, das Tiefschneefahren vorgängig im Skigebiet selbst oder mithilfe eines Skilehrers zu üben. Entscheidend für die Abfahrt sei aber vor allem die richtige Technik beim Aufstieg.
«Anfänger machen häufig den Fehler, dass sie den Ski mit den Fellen bei jedem Schritt anheben, statt ihn auf dem Schnee nachzuziehen.»
Man müsse sich vorstellen, wie viel Gewicht man so bei jedem Schritt lupfe. «Auf einer dreistündigen Tour summiert sich das auf mehrere Tonnen. Oben ist man dann so ausgepumpt, dass die Abfahrt zur Qual wird.»
Zudem kann das Hochsteigen mit den Tourenski für den alpinen Skifahrer am Anfang ungewohnt sein. Viele haben die Gewohnheit, an einem steilen Hang oder bei Schwierigkeiten gegen den Berg auf die Kanten zu stehen.
Brunner erklärt: «Der Tourenski hat unten auf der Lauffläche Felle, die haften. Da diese an den Kanten nicht vorhanden sind, schlipft man weg. Es ist demnach wichtig, den Ski richtig zu belasten, dann halten die Felle.»
«Für eine erste Tour empfiehlt es sich, die Ausrüstung zu mieten. Diverse Sportfachgeschäfte bieten hierzu eine kompetente Beratung. Denn eine komplette Skitourenausrüstung (siehe Infobox) kostet gegen 5000 Franken. Hinzu kommt der Tagestarif für einen Bergführer von 640 Franken. In einer Bergsteigerschule beläuft sich der Betrag für eine Tour in der Gruppe auf etwa 150 Franken», sagt Brunner.
Für die Kleidung gilt das Schichtenprinzip. Heisst: dünne Kleidungsstücke aufeinander tragen. Mit einer normalen Skihose und Skijacke hat man zu warm. Deshalb gibt es spezielle Skitourenhosen und Skitourenjacken. Handschuhe sind ebenfalls wichtig, dürfen aber auch nicht zu dick sein. Hilfreich ist zudem Ersatzwäsche und essenziell die Sonnenbrille.
- Tourenski mit Tourenbindung
- Felle und Harscheisen
- Skitouren-Schuh
- Skistock mit grösserem Teller
- Ski- oder Tourenhelm
- Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS)
- Lawinensonde
- Lawinenschaufel
- Skitourenkarte, Kompass und Höhenmeter
- Notfallmaterial
- Handy geladen
«Das winterliche Gebirge vermittelt wunderschöne Erlebnisse, beinhaltet aber auch Gefahren und diese gilt es mit einer gezielten Vorbereitung zu minimieren», sagt Brunner.
Zum einen muss man das Wetter beobachten, zum anderen eine geeignete Route auswählen, der man körperlich und skitechnisch gewachsen ist. «So umgeht man nicht nur Lawinen, sondern auch Rutsch- oder Absturzgefahren. Das Lawinenbulletin des Schnee- und Lawinenforschungsinstituts Davos (SLF) beinhaltet fünf Gefahrenstufen sowie Informationen zur Schneedecke und zum Wetter.»
Ein Kurs in der Lawinenkunde ist nicht obligatorisch, aber empfehlenswert. Auf einer Tour hat jeder Teilnehmer eine komplette Lawinenausrüstung dabei und diese muss man auch anwenden können. Eine Lawinenverschüttung bedeutet immer Lebensgefahr. Dies sollte nie unterschätzt werden.
Im Hochgebirge gilt es ausserdem zu erkennen, wo sich Gletscherspalten befinden, wie man einem Stein- oder Eisschlag ausweicht oder diese vermeiden kann. Brunner sagt:
«Für die Orientierung bedarf es zwingend einer physischen Landeskarte. Man weiss nie, ob das Smartphone bei Kälte nicht plötzlich den Geist aufgibt.»
Eine Grundsatzempfehlung ist zudem: nicht allein gehen, besser in Gruppen laufen. Wenn man verunfallt und sich in einem Funkloch befindet, wird es schwierig.
«Auf einer Skitour erhält man einen einzigartigen Einblick in die unberührte Natur. Man tut seinem Körper und Geist etwas Gutes und die einzigen Spuren, die man hinterlässt, sind jene im Schnee. Eine der grössten Stärken ist das Gemeinschaftserlebnis. Man hilft einander und geniesst zusammen ein spezielles Erlebnis. Und das Beste: Ein Wochenende auf Skitour ist wie eine Woche Ferien.»