Die New England Patriots qualifizieren sich zum vierten Mal in fünf Jahren für die Superbowl. Dieses Mal hat sich das Duo infernale Bill Belichick/Tom Brady neu erfunden: als Aussenseiter.
Ausgerechnet in den USA, der globalen Speerspitze des Raubtierkapitalismus, sind die Strukturen in den grossen Profisportligen auf Parität ausgelegt: Salärobergrenzen, das brillante Draftsystem, mit dem die schwächsten Teams nach der Saison zuerst die besten Talente auswählen dürfen. Das macht es fast unmöglich, eine Dynastie zu erschaffen.
Doch für die New England Patriots um den Coach Bill Belichick und den Quarterback Tom Brady haben die Gesetze dieser Welt keine Gültigkeit. Die Organisation hat das mehr als einmal sehr wörtlich genommen und sich mit illegalen Mitteln – «Spygate» und «Deflategate» – Vorteile verschafft. Das Vermächtnis der beiden Männer überstrahlt diese Fehltritte indes längst. Mit einem dramatischen 37:31-Sieg nach Verlängerung über die Kansas City Chiefs sicherte sich das Team in der Nacht auf Montag den dritten Superbowl-Einzug in Folge – und den vierten in fünf Jahren. Am 3. Februar winkt in Atlanta gegen die Los Angeles Rams der sechste Titel der Ära Belichick/Brady; ein bisschen wirkt es, als könne man sich beim grössten eintägigen Sportereignis der Welt, diesem Fest des Gigantismus, auf zwei Dinge verlassen: In der Halbzeitshow mit grotesk-grellen Darbietungen furchtbarer Musiker – in diesem Jahr ist es die Band Maroon 5 – gequält zu werden. Und die Teilnahme der New England Patriots.
Ein Sieg in Atlanta wäre der erstaunlichste, vielleicht auch der wertvollste Triumph. Denn in dieser Saison musste sich das Team neu erfinden: als Aussenseiter. Nach der empfindlichen 33:41-Niederlage im Superbowl vom Februar 2018 gegen die Philadelphia Eagles wurden allerlei Hymnen auf den anstehenden Niedergang der Patriots angestimmt. Der Abschwung wird fraglos kommen, wenn Brady, Belichick und der Tight End Rob Gronkowski in den Sonnenuntergang reiten. Doch noch einmal ist es der Mannschaft gelungen, die Wachablösung zu verschieben.
In Kansas City war New England am Sonntag bei den Buchmachern deutlicher Underdog, und das aus guten Gründen: Die Defensive ist sehr mittelmässig. Und Tom Brady ist inzwischen 41 Jahre alt, der mit Abstand älteste Quarterback der Liga. Gewiss, er sieht nicht so aus – er verzichtet auf Zucker, Alkohol, Koffein sowie Milchprodukte, hat dafür gerne Avocadoglace – aber der Alterungsprozess lässt sich mit keiner noch so rigiden Diät aufhalten.
Die Patriots erlebten Turbulenzen, der von Suchtproblemen geplagte Wide Receiver Josh Gordon etwa verliess das Team vor wenigen Wochen aus «persönlichen Gründen» – er war einer der wichtigsten Figuren in Bradys Offensive. In Kansas war Brady nicht perfekt, bei weitem nicht, in den entscheidenden Momenten seine ganze Qualität auszuspielen.
Der Erfolg, dieser verblüffende erneute Vorstoss in den Final, ist aber vor allem das Machwerk Belichicks. Der Disziplinfanatiker ist für seine Strenge gefürchtet, aber vor allem ist er ein brillanter Stratege. Für den Rest der Liga muss der anhaltende Erfolg der Franchise aus der Metropolregion Boston etwas Ermüdendes haben. Allerdings mischt sich zum Neid auch Bewunderung: Eine Dynastie, wie sie die Patriots erschaffen haben, dürfte es in der NFL auf Sicht nicht noch einmal geben.