Ermittlungen gegen russische Doper laufen neu an

255 Sportler aus Russland sollen nach einem mehrmonatigen Unterbruch des Ermittlungsprozesses bald auf die Anklagebank kommen.

Rainer Sommerhalder
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Die Analysen des Moskauer Antidopinglabors weisen viel mehr positive Fälle aus als in der offiziellen Statistik erscheinen. (Bild: Alexander Zemlianichenko/AP Foto)

Die Analysen des Moskauer Antidopinglabors weisen viel mehr positive Fälle aus als in der offiziellen Statistik erscheinen. (Bild: Alexander Zemlianichenko/AP Foto)

Alexander Zemlianichenko, AP

Endlich geht es weiter. Nachdem die Welt-Antidopingagentur im Januar 2019 die vermeintlichen Originaldaten des Moskauer Labors mit den Auswertungen von vier Jahren Analysedaten erhalten hat, identifizierte deren Ermittlungsabteilung daraus 9000 potenziell positive Dopingfälle aus den Jahren 2011 bis 2014. Weil die Faktenlage nicht bei allen verdächtigen Sportlerinnen und Sportlern gleich eindeutig war, priorisierte die Wada die Fälle nach Beweislast.

Jene Fälle, deren Erfolgsaussichten auf eine Verurteilung vor Sportgericht am grössten waren, wurden zuerst bearbeitet. Es galt die verschiedenen Beweise und Indizien zusammenzutragen. Im Mai 2019 übergab man 43 besonders vielversprechende Fälle zur Sanktionierung an die entsprechenden Sportverbände. In diesen gab es keine Diskrepanzen aus den beiden Datensätze im Besitz der Wada. Die Dopingjäger haben neben der LIMS-Datenbank, welche von den russischen Behörden stammt, viel früher bereits eine Kopie von einem Whistleblower erhalten. In mehreren Fällen kam es zu Verurteilungen und Sperren, etwa im Biathlon oder beim Gewichtheben.

Doch seither stottert der Prozess der Aufarbeitung. Die vermeintlichen Originaldaten aus Moskau erwiesen sich ebenfalls als Fälschung. Der weitere Weg war bis zum Entscheid der Wada im vergangenen November, die Russen für vier Jahre von Titelkämpfen von weltweiter Relevanz sperren zu wollen, unklar. Die Ankündigung, bis Ende 2019 Hunderte von weiteren Dopingfälle vor die Disziplinarrichter zu bringen, liess sich nicht in die Tat umsetzen. Zu unklar blieben die juristischen Konsequenzen aus der Tatsache, weiterhin nicht über die Originaldaten zu verfügen. «Aus diesem Grund stoppten wir den Prozess komplett», sagt der deutsche Kriminalist Günter Younger, der die Ermittlungsabteilung der Wada leitet.

Nun geht dieser Prozess aber weiter, wie Younger bestätigt. Die Wada-Ermittler sind daran, die Akten der restlichen 255 Fälle mit den grössten Erfolgsaussichten zu komplettieren. Bald werden die Datenpakete an die entsprechenden Verbände übergeben. Ob die zu erwartenden Sperren tatsächlich rechtens sind, wird letztlich der internationale Sportgerichtshof in Lausanne entscheiden. Falls nicht, würden die Russen für die Tatsache, der Wada manipulierte Daten übermittelt zu haben, auch noch belohnt.