Viele Schweizer Stürmer durchleben im Moment eine schwierige Phase – doch es gibt auch leise Zeichen der Hoffnung - namentlich Eren Derdiyok oder auch Haris Seferovic.
Der Berner Kultsänger Kuno Lauener (Züri West) denkt dieser Tage wieder einmal besonders melancholisch über den Fussball nach. Sein YB hat schliesslich gerade seit 30 Jahren keinen Meistertitel mehr gewonnen.
Wenn Lauener an einem Konzert seinen Song «Irgendeinisch fingt ds’Glück eim» vorträgt, dann lässt er das Publikum vorher gerne wissen, dass er die Zeilen einem Fussballer widmet. Hakan Yakin kam während seiner Irrfahrten einmal in diesen zweifelhaften Genuss.
In der aktuellen Nationalmannschaft gäbe es einige Kandidaten, denen der Betrachter wünscht, das Glück möge sie bald finden. Gerade im Sturm. Vor dem ersten EM-Testspiel gegen Belgien am Samstag stellt sich die Frage: Wer soll die Schweizer Tore schiessen?
Haris Seferovic, Eren Derdiyok und Admir Mehmedi möchten alle ihren Teil zum Schweizer Glück an der Europameisterschaft beitragen. Sie alle eint aber eine komplizierte Vorgeschichte. Sie haben Monate hinter sich, die Zweifel hervorriefen.
Wenn es stimmt, dass der letzte Eindruck zählt, so muss man sich um Seferovic keine Sorgen machen. Unter der Woche schoss er das Tor, das die Eintracht aus Frankfurt in der Relegation vor dem Abstieg aus der Bundesliga rettete. «Wir konnten die Katastrophe gerade noch abwenden», sagt er.
Es war Seferovics erstes Tor in diesem Jahr. Und vor allem: Ein weiteres sehr wichtiges Tor. Nach jenem Treffer, der der Schweizer U17 den Weltmeistertitel brachte. Und nach jenem Tor, das der Schweiz an der WM in Brasilien in der 93. Minute den Sieg über Ecuador bescherte. «Ich habe keine Ahnung, warum ich der Mann für wichtige Tore bin», sagt Seferovic gestern, kurz nachdem er zum Schweizer Camp gestossen ist. Die Frage ist, ob dieses eine Tor reicht, um die schwierige Saison zu vergessen. Es wäre zumindest erstaunlich.
Wenn Admir Mehmedi über die vergangene Spielzeit spricht, so ist ihm schnell einmal eines wichtig: «Es war nicht alles schlecht. Der Wechsel zu Leverkusen hat sich gelohnt. Wir spielen nicht irgendwo im Mittelfeld oder im Abstiegskampf, meine Konkurrenz ist gross.» Der letzte Eindruck sagt: Seit Mitte März hat Mehmedi nur noch etwas mehr als 100 Spielminuten absolviert. Er entgegnet: «Über die Saison gesehen, kam ich auf über 40 Einsätze. Und habe dabei 15 Skorerpunkte erzielt. Ich konnte mich präsentieren.»
Mehmedi war es, der die WM 2014 für die Schweiz so richtig lanciert hat, mit seinem Ausgleichstor direkt nach der Einwechslung zur Pause gegen Ecuador.» Damals begann er die WM als Joker. Er musste sich aufdrängen, kam aber dank
einigen Bundesligatoren in der Rückrunde mit Freiburg aus einer Position der Stärke. Und spielte dann eine überragende WM. Nun, zwei Jahre später, ist die Ausgangslage umgekehrt. Eigentlich wäre er am linken Flügel vorgesehen. Aber setzt Petkovic wirklich auf ihn, nachdem die Leistungen und Einsatzminuten zuletzt immer bescheidener wurden? Mehmedi sagt: «Zum Glück bin nicht ich Nationaltrainer!»
Das Lachen ist immer noch das gleiche wie vor Jahren. Der Kopf ist kahlgeschoren geblieben. Und den Worten von Eren Derdiyok ist immer noch eine tiefe Dankbarkeit zu entnehmen, bei diesem Schweizer Team dabei zu sein.
Vor knapp vier Jahren war vieles anders. Derdiyok, damals 23 Jahre alt, galt als Nachfolger der zurückgetretenen Alex Frei und Marco Streller. «Ich habe mir diese Position verdient», sagte er selbstbewusst.
Genau vier Spiele lang genoss er das Vertrauen von Trainer Ottmar Hitzfeld. Dann (beim WM-Qualifikationsspiel in Zypern) musste er weichen für den damaligen Serie-B-Stürmer Seferovic. Der Abstieg von Derdiyok ging rasend schnell. Auch im Klub wurde der sowohl bei Leverkusen als auch in Hoffenheim als Hoffnungsträger angesehene Derdiyok nicht glücklich.
Doch es kam noch schlimmer. Als sich Derdiyok zu einem Neuanfang bei Kasimpasa in der Türkei entschied, riss er sich das Kreuzband. Fast ein Jahr fiel er aus. Aber er nutzte die Zeit auch, um sich zu hintersinnen. «Wenn es nicht läuft, muss man Sachen ändern.» Im April vor einem Jahr gibt er sein Comeback. Seither führt der Weg kontinuierlich nach oben. Jetzt sagt er in Lugano: «Ich bin stärker zurückgekommen.» Und trotzdem sieht er sich, 27 Jahre alt mittlerweile, nicht als Stammspieler.
Vielleicht ist das keine schlechte Voraussetzung, dass aus dem Rätsel, das er zuweilen im Nati-Dress war, plötzlich wieder ein Stürmer wird, der in Frankreich sein Glück findet.