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Das Schweizer Nationalteam trifft heute in der EM-Qualifikation auf eine Handball-Grossmacht. Dänemark ist amtierender Olympiasieger und hat die letzten beiden Weltmeisterschaften gewonnen. Vor dem Wiedersehen mit Ausnahmekönner Andy Schmid spricht Mensah Larsen über die gemeinsame Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen.
Sechs Jahre lang waren Mads Mensah Larsen und Andy Schmid Teamkollegen bei den Rhein-Neckar Löwen. Auf diese Saison trennten sich die Wege. Der Sohn eines Ghanaers und einer Dänin wechselte in den Norden zum aktuellen Bundesliga-Tabellenführer Flensburg. Vor dem heutigen Gastspiel in Winterthur (18.30Uhr, live: SRF zwei) erzählt Mensah Larsen die Geschichte einer witzigen Wette mit Schmid und warum es amüsant sein kann, gegen den Schweizer Ausnahmekönner zu spielen.
«Mit Andy verbindet mich viel Spass und sportlicher Erfolg. Er ist einer der besten Spieler, mit denen ich je zusammengespielt habe. Aber auch einer der besten Teamkollegen ausserhalb des Spielfelds. Er ist ein lustiger Typ, der sich vorzüglich um seine Teamkollegen kümmert. Er mag gute Stimmung im Team und hat keinen Bock auf Stress und endlose Diskussionen. Er versucht stets, ausgleichend zu wirken.
Klar hätte ich ihn lieber immer in meiner Mannschaft. Allein, weil er auf allerhöchstem Niveau sehr viel Einfluss nehmen kann auf ein Spiel. Aber es kann auch ganz lustig sein, gegen ihn zu spielen. Denn wenn man so lange im selben Team gespielt hat wie wir, kennt man sich. Ich weiss, was Andy macht, was er denkt, was er vorhat. Das erleichtert es, ihn vielleicht auch psychologisch etwas aus dem Konzept zu bringen. Ausserdem ist Andy nicht der grösste Fan einer harten Spielweise. Es kann durchaus amüsant sein, ihn auch mal hart zu attackieren. Nur so zum Spass, natürlich.
Während unserer Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen haben wir uns mal eine spezielle Wette ausgedacht. Die Konsequenz: Andy musste sich danach die Haare blond färben. Der Reihe nach: Es war nach einer Niederlage. Wir sassen im Bus auf der Rückfahrt. Alle haben verbal gegeneinander ausgeteilt. Andy meinte, dass ich keine andere Sportart beherrschen würde als Handball. Und selbst im Handball sei ich nicht wirklich gut. Darauf schlug ich einen Wettkampf vor, um herauszufinden, wer der bessere Sportler von uns beiden ist. Wir einigten uns auf Bowling, Tischtennis, Badminton, Tennis und Bogenschiessen. Andy hat im Bowling gewonnen, ich in den folgenden drei Disziplinen. Andy war wohl etwas enttäuscht. Weil er einsehen musste, dass Handball und Bowling die einzigen Sportarten sind, die er beherrscht.»
«Natürlich sind wir die Favoriten. Aber wir treten nicht mit der besten Mannschaft in Winterthur an. Einige Stars wie Torhüter Niklas Landin (Welthandballler 2019) und Mikkel Hansen (3 Mal Welthandballer) sind nicht dabei. Die Schweiz wird besser und besser. Ausser Andy ist das Gros der Mannschaft ziemlich jung, weshalb ich mit einer weiteren positiven Entwicklung rechne.
Wir haben in den letzten Jahren ein paar Mal gegen die Schweiz gespielt. Einfach war es nie. Vor allem die Abwehr mit Röthlisberger und den anderen grossen Jungs ist stark. Die Schweiz hat sich aus dänischer Optik von einer Mannschaft, gegen die wir immer und in jedem Fall gewinnen, zu einer Mannschaft entwickelt, gegen die es schwierig wird, wenn wir nicht fokussiert sind.»
«Es tut mir ein bisschen leid für die Schweizer, dass wir in Nordmazedonien verloren haben. Aber die haben clever gespielt und der Goalie war ausserordentlich. Ich glaube, dadurch ist es für die Schweiz etwas komplizierter geworden in der Quali. Ich muss aber zugeben, dass ich den Modus nicht genau kenne. Irgendetwas ist da noch mit den besten Gruppendritten. Die haben, so glaube ich, auch noch eine Chance auf ein EM-Ticket. Egal. Ich hoffe nicht, dass die Schweizer von uns zwei Punkte kriegen. Die müssen sie schon in Nordmazedonien holen.»
«Handball ist in Dänemark nach Fussball die Sportart 1b. Die Gründe: Tradition und Popularität. Ausserdem haben wir im Moment mit Niklas Landin und Mikkel Hansen die absoluten Topstars der Welt. Aber auch Rasmus Lauge, der im Moment verletzt ist, gehört zu den allerbesten der Welt. In den letzten 20 Jahren hatte Dänemark herausragende Talente. Aber das kommt nicht von ungefähr, sondern gründet in einer sehr guten Nachwuchsförderung.
Sinnbildlich dafür ist Mathias Gidsel. Phänomenal, was er mit erst 21 an der WM gezeigt hat. Folgerichtig wurde er ins Allstar-Team gewählt. Irgendwann kehrt auch bei ihm wieder der Alltag ein. Aber auch das wird er meistern und eine grosse Karriere machen. Denn er ist nicht nur handballerisch, sondern auch mental richtig stark. Aber der neue Mikkel Hansen wird er nicht: Dafür sind die beiden zu unterschiedlich.»
«Als peinlich würde ich unseren Auftritt nicht bezeichnen. Klar waren wir enttäuscht. Aber Island ist ein Hammer-Gegner. Dazu die Ungarn, die sehr unangenehm zu spielen sind. Da kannst du auch als Weltmeister in der Gruppe Dritter werden und ausscheiden. Wenn man nur auf die Ergebnisse guckt, war es nicht gut. Spielerisch waren wir aber nicht weit weg. Das kann passieren. Vor allem bei einer EM, wo man sofort auf starke Gegner trifft. Man sieht selbst an einer WM, dass es kaum noch leichte Spiele gibt.
In Dänemark ist es immer so. Sind wir erfolgreich, herrscht grenzenlose Euphorie. Verlieren wir, kriegen wir von allen auf die Mütze. Aber hey: Alles easy, in der Mannschaft nehmen wir das gelassen. Wir haben bewiesen, was wir können. Wir wissen, dass es in Europa neben uns etwa neun Mannschaften gibt, die an einem guten Tag jeden Gegner bezwingen können. Die Schweiz zähle ich aber noch nicht zu diesem Kreis dazu.»
«Solch ein Wahnsinns-Spiel wie im Viertelfinal gegen Ägypten habe ich noch nie erlebt und werde es wohl nie mehr erleben. Wenn man jemandem den Begriff Dramatik erklären muss, sollte man ihm dieses Spiel zeigen. Wir liegen vorne, schmeissen aber den Sieg weg. Dann sind sie vorne und schmeissen den Sieg zum Ende der zweiten Verlängerung weg. Danach Siebenmeterschiessen, das ist immer hammerhart.
Dieser Sieg löste im Team eine Euphorie aus. Und er gab uns die Gewissheit, dass wir auch schwierigste Probleme lösen können. Aber wir sind nicht jünger geworden durch diesen Fight. Trotzdem gab es Kritik aus der Heimat. Einige haben Mikel Hansen attackiert, weil er kurz vor Ende der ersten Verlängerung eine rote Karte kassierte. Es war eine unglückliche Situation, weil er unmittelbar nach einer Freiwurf-Entscheidung den Ball weggeworfen hatte.
Während einer WM werden unsere Darbietungen im dänischen Fernsehen von morgens bis abends analysiert. Dabei kam heraus, dass Hansen 0,5 Sekunden nach dem Pfiff den Ball wegwarf. Die besten Schwimmer haben eine Reaktionszeit von 0,3 Sekunden. Es war für ihn also kaum möglich, innerhalb der Wurfbewegung auf den Pfiff zu reagieren. Trotzdem hat Mikkel auf die Fresse gekriegt. Klar hätten wir lieber Lob, aber es interessiert uns eigentlich nicht, was alle anderen über uns denken.»