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Wenn die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft am Samstag ihr WM-Eröffnungsspiel gegen Österreich bestreitet, dann beschäftigt hierzulande den geneigten Fan vor allem eine Frage: Welches Gesicht der «Eisgenossen» werden wir in Kopenhagen sehen?
Jenes der letztjährigen Titelkämpfe in Paris, als die Mannschaft erfrischend und mutig auftrat und mit der Viertelfinal-Qualifikation belohnt wurde? Oder jenes der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang, als nach vier uninspirierten und gehemmten Auftritten bereits im Achtelfinal gegen den späteren Silbermedaillen-Gewinner Deutschland Endstation war?
Ja – die verkorkste Olympia-Mission in Südkorea wirkt immer noch nach wie ein Kater. Die Erwartungen waren hoch. Die Chance, angesichts der fehlenden NHL-Spieler einen Exploit und somit gar eine Medaille zu schaffen, so gross, wie schon lange nicht mehr.
Am Ende waren es aber ausgerechnet die Deutschen, die die Gunst der Stunde nutzten und bis in den Final einzogen, wo sie denkbar knapp an den Russen scheiterten.
Wie so oft nach grossen (Olympia-)Turnieren kam es auch in der Schweizer Nationalmannschaft zu einem personellen Umbruch. Langjährige, sichere Werte wie Eric Blum, Philippe Furrer, Denis Hollenstein oder Andres Ambühl sind zurückgetreten, nach der langen Saison erschöpft oder verletzt.
Mit der Absenz dieser Schlüsselspieler wird die Aufgabe für die Equipe von Headcoach Patrick Fischer mit Sicherheit nicht einfacher.
Wie immer ist der Grat zwischen Exploit und Absturz für die Schweizer schmal. Das Risiko besteht, dass die «Eisgenossen» nach dem schwachen Abschneiden in Pyeongchang mit angezogener Handbremse ins Turnier gehen, garniert mit fehlendem Selbstvertrauen und lauernden Selbstzweifeln.
Das Selbstverständnis, mit mutigen Auftritten auch die «Grossen» ärgern zu können, hat an Olympia einen Dämpfer erlitten. Deshalb ist es nicht auszuschliessen, dass die Nebenwirkungen der unverträglichen, olympischen Medizin jetzt auch noch in Kopenhagen zu spüren sein werden.
Zumal Patrick Fischer mit einer vergleichsweise unerfahrenen Truppe ins Turnier geht. Von den 25 Spielern im Schweizer Aufgebot haben deren elf noch nie ein WM-Turnier der höchsten Stufe bestritten.
Ebenso auffällig: Hinter den Top-Nationen Kanada, Schweden, USA und Tschechien, welche für die WM vor allem aus der NHL sehr junges Personal aufgeboten haben, stellt die Schweiz die Mannschaft mit dem jüngsten Durchschnittsalter (25,5 Jahre).
Diese Blutauffrischung birgt also gewisse Risiken. Sie kann aber auch eine Chance sein für die Schweizer Auswahl. Eine gewisse Unbekümmertheit und Frechheit tut dieser Mannschaft gut.
Je weniger «Altlasten» sie mitschleppt (nur neun WM-Fahrer waren auch in Pyeongchang dabei), desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Equipe schnell in ein günstiges Fahrwasser zu manövrieren vermag.
Kommen die Verstärkungen aus der NHL dazu: Mit Nino Niederreiter und Sven Andrighetto kann Fischer auf zwei Spieler zählen, die in der Offensive – besonders im ewigen Sorgenkind Powerplay – die dringend benötigte Durchschlagskraft bieten.
Und dann existiert ja immer noch die Hoffnung, dass die Nashville Predators in der zweiten Playoff-Runde der NHL scheitern und somit Roman Josi sowie Kevin Fiala das WM-Team ergänzen könnten.
Für Patrick Fischer ist diese WM auf jeden Fall eine Herausforderung. Auch sein Ruf hat nach dem missglückten Olympia-Auftritt gelitten. Die Zweifler und Kritiker haben Auftrieb erhalten.
Der Bonus, den sich der Headcoach an der letzten WM erarbeitet hat, ist schon wieder weg. Umso mehr steht Fischer nun im Fokus.
Sein Vertrag läuft zwar noch bis und mit Heim-WM 2020. Doch klar ist auch: Ein neuerlicher «Abschiffer» in Dänemark würde seine Position schwächen.
Er muss beweisen, dass er nicht nur ein guter Kommunikator und Verkäufer ist, sondern dieses neu gebildete Team auch taktisch zu formen vermag. Deshalb ist diese WM für ihn eine Chance. Aber eben eine mit Risiken und Nebenwirkungen.