Die Kloten Flyers mit Gouverneur Sean Simpson bewegen sich auf gefährlichem Eis.
Die Zukunft wird grandios: Die Kloten Flyers sollen gross und mächtig werden wie die ZSC Lions. Doch die Gegenwart ist trist. Mit jeder Niederlage werden die Flyers ein bisschen mehr wie die Lakers.
Diese Woche kommt Bob Strumm nach Kloten. Er ist der Vertrauensmann der nordamerikanischen Besitzer (Avenir Group) der Kloten Flyers. Sein Frontbesuch ist allerdings schon lange geplant und eignet sich daher nicht zur Dramatisierung. Eine boulevardeske Schlagzeile «Panik der Milliardäre – jetzt kommt der General» wäre ja gut und schön. In unserer Hockeywelt sind drei Niederlagen zum Saisonauftakt mit einer Mannschaft, die 15 Millionen kostet, ein Grund zur Polemik.
Aber Klotens neue Herren denken in anderen Dimensionen. Für sie ist es höchstens ein Betriebsunfall. Die Männerrunde um Ken Stickney (Klotens neuer Präsident) hat intern eine klare Zielsetzung formuliert: Im Nachwuchsbereich die Nummer 1 im Land werden. Was in Nordamerika geht – Klotens Investoren haben das Juniorenteam der Portland Winterhawks vom Pleiteklub zum Vorzeigeunternehmen gemacht –, wird doch wohl auch in der Schweiz machbar sein. Da spielen ein paar Niederlagen keine Rolle.
Aber bei uns gehen die Hockey-Uhren halt schon ein wenig anders. Was passieren kann, wenn in Nordamerika erfolgreiche Methoden in der Schweiz umgesetzt werden, haben die Klotener soeben schmerzlich erfahren: Die von den Kanadiern durchgesetzte Neuregelung des Saisonkartenverkaufs (Playoffs nicht mehr inbegriffen) war eine schöne Bescherung. Kein anderes NLA-Unternehmen hat so wenig «Saisonabi» verkauft. Es sind weniger als 2500. Diese Episode zeigt die Ohnmacht des lokalen Managements. Matthias Berner hatte vergeblich eine andere Lösung angemahnt. Klotens tüchtiger Geschäftsführer ist halt nur ein Diener seiner neuen Herren, die sich wie Hockey-Imperialisten in einem Hockey-Entwicklungsland gebärden.
Die Erträge durch die erfolgreiche Neuorganisation der Vermarktung gehen durch den Zuschauerschwund gleich wieder verloren. Es wird nicht einfach sein, das Minus der letzten Saison von knapp acht Millionen zu verringern.
Neues Marketing, neuer Stadionname, neue Besitzer, neues Sommertraining, neue Garderobeneinrichtung, neue Ausländer und neuer Elan – alles wunderbar. Aber Ende des Tages sind die Kloten Flyers ein Sportunternehmen, und die letzte Wahrheit steht jeden Tag oben auf der Resultatanzeige. Sean Simpson muss das Eishockey von heute mit Männern von gestern zelebrieren. Wichtige Spieler wie René Back, Patrick von Gunten, Philippe Schelling, Peter Guggisberg, Michael Liniger, Romano Lemm, Tommi Santala und Victor Stancescu sind 30 Jahre oder älter. Martin Gerber ist sogar 41. Die Kloten Flyers wie Martin Gerber: viel Talent, viel Klasse, viel Erfahrung und eine ruhmreiche Vergangenheit. Aber defensiv und mental zerbrechlich in der Gegenwart.
Zyniker haben die Kloten Flyers schon als eine neue, aber teurere Version der Rapperswil-Jona Lakers bezeichnet. Das mag bösartig sein – und trifft doch den Kern des Problems. Die Lakers waren in der NLA ein von einem Milliardär (Hansueli «Jöggi» Rihs) abgesichertes Sportunternehmen, bei dem sportlicher Misserfolg irgendwann keinerlei Konsequenzen hatte. Es gab grosse Pläne für den Aufbau eines Hockey-Imperiums mit formidabler Nachwuchsorganisation samt Farmteam. Am Ende stand der Abstieg.
Drei Niederlagen zum Auftakt machen die Kloten Flyers noch lange nicht zu den neuen Lakers. Zumal die Mannschaft eigentlich das Potenzial für den Playoff-Final hat. Die Klotener empfinden angesichts ihrer Hockeykultur und -tradition (seit 1962 in der NLA) jeden Vergleich mit den Lakers als schlimme Beleidigung. Aber wenn das Verlieren zur Gewohnheit wird wie bei den Lakers, dann helfen auch die Milliarden aus Nordamerika und vergangener Ruhm nicht mehr.
Ein Team mit altmüd gewordenen Leitwölfen und einem 41-jährigen Torhüter mit einer Saisonfangquote von miserablen 82 Prozent vom Tabellenende wegzuführen und zu verhindern, dass sich alle ans Verlieren gewöhnen – das ist die grosse Herausforderung für den allmächtigen WM-Silberschmied Sean Simpson. Seine Position als Trainer und Sportchef ist zementiert wie einst die Macht eines britischen Gouverneurs in Indien. Der Kanadier ist der wichtigste Mann vor Ort für die neuen Besatzer des Schluefwegs. Selbst wenn er an diesem Wochenende gegen Langnau und Lausanne verlieren sollte, wird sein Wesen und Wirken nicht infrage gestellt. Aber mit jeder Niederlage und mit jedem Tag ausserhalb der Playoffplätze werden die Kloten Flyers den Lakers ein wenig ähnlicher. «Jöggi» Rihs hilft den Lakers auch nach dem Abstieg. Mit so viel Loyalität ihrer neuen Besitzer dürfen die Flyers nicht rechnen.