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Das Grosse Interview mit Hans-Ulrich Lehmann. Der Präsident des EHC Kloten spricht über seine Rolle und die Lohnexzesse im Schweizer Eishockey.
Sie werden als gradliniger, risikofreudiger, kompromissloser und hemdsärmeliger Unternehmer beschrieben. Da haben Sie im Eishockey wohl Ihre Welt gefunden.
Ja, ich habe im Eishockey sehr viele bodenständige und tolle Sportler kennen gelernt. Natürlich gibt es auch die sensibleren Typen, doch Eishockey ist generell eine sehr gradlinige und ehrliche Sportart.
Werden Sie wegen des Eishockeys noch zum Diplomaten?
Nein, sicher nicht. Ich bin überzeugt, dass von Profisportlern Leistung eingefordert werden muss, und dies geschieht meiner Meinung nach noch etwas zu wenig im Schweizer Eishockey. Und wissen Sie was?
Nein.
Es gibt tatsächlich Spieler, die schon Jahre Profis sind und noch selten konsequent Leistungstests absolviert haben. Nur mit regelmässiger Kontrolle der einzelnen Leistungen werden die Spieler besser und konkurrenzfähig.
Landen jene Spieler, die einen Test nicht bestanden haben, auf der Strasse?
Nein, solchen Spielern muss man gezielt helfen, denn sie merken schnell, dass bei ganzheitlichem Training ihre Leistung sofort steigt – und somit auch der Spass.
Wie reagieren diese Spieler auf die Zusatzschichten?
Sie sind dankbar und wissen, was sie machen müssen, um besser zu werden – nämlich ganzheitlich trainieren.
Wieso muss einer wie Sie, der bis vor zwei Jahren überhaupt keine Ahnung von Eishockey hatte, den Eishockeyspielern erklären, wie es funktioniert?
Ich muss niemandem erklären, wie Eishockey funktioniert. Ich bin einfach der festen Überzeugung, dass die Basis jedes Profisportlers ein gesunder Körper ist. Das heisst Rumpfstabilität, Hals-, Wirbelsäule sowie Schultern sind ausbalanciert und bei den Grundfunktionen des Körpers wird nicht kompensiert. Wenn diese Voraussetzung geschaffen ist, kann man mit dem Leistungsaufbau beginnen und schlussendlich einen Top-Spieler herausbringen.
Und für diese Erkenntnis braucht es Sie?
Nein. Doch ich will, dass unsere Jungs täglich besser werden. Der Körper ist das grosse Kapital eines jeden Sportlers. Was nützt es, wenn ein junger Spieler wegen falscher Belastungen mit 24 Jahren schon kaputt ist? Der wird trotz hartem Training nicht mehr besser auf dem Eis.
Und nebenbei befehlen Sie die Spieler aufs Velo, auch wenn der Trainer diese Aktion einen Mist findet.
Ich weiss nicht, ob das ein Mist ist. Wenn ich einmal im Jahr mit meinen Spielern auf das Velo steige, um deren Fitness etwas zu testen, muss das der Trainer akzeptieren. Aber um nochmals auf Trainingsinhalte zurückzukommen ...
Ja?
Aus falscher Bescheidenheit nicht auf Missstände aufmerksam zu machen, ist nicht meine Art. Natürlich ist es die Aufgabe des Trainers und des Sportchefs, dass die Arbeit im Kraftraum überwacht wird. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Verletzungsanfälligkeit einen grossen Zusammenhang mit den Trainingsmethoden im Kraftraum hat.
Haben Sie Trainer deshalb entlassen?
Nein. Tirkkonen wurde eingestellt, als ich ganz frisch dabei war. Ich verliess mich auf die Expertise meiner Sportsachverständigen. Tirkkonen hat seinen Job gut gemacht, doch menschlich ist mir der jetzige Trainer Kevin Schläpfer natürlich näher, da wir sicherlich ähnlich ticken und auch emotional besser zueinanderpassen.
War es nicht unangenehm, in die völlig fremde Eishockey-Welt einzutauchen?
Es gab ja keinen anderen, der diesen Laden übernehmen wollte. Man hat mich überredet. Mich geplagt. Lange genug gejammert. X-mal habe ich abgesagt. Erstens, weil ich keine Ahnung habe. Zweitens, weil ich kein Eishockey-Fan bin. Ich sagte: Ich komme gerne an ein Spiel. Aber nicht mehr. Und jetzt gehört mir der ganze Laden – verrückt.
Ist es so einfach, Sie zu überreden?
Wenn man mit Sponsoring, Gastronomie, Ticketing und TV-Gelder 14 Millionen einnimmt, muss es doch möglich sein, eine Profimannschaft durchzubringen und nicht fünf bis acht Millionen Verlust zu schreiben. Diese Aufgabestellung beinhaltet einen gewissen Reiz für mich.
Und, ist es möglich?
Ja, nächstes Jahr ist es möglich. Diese Saison werden wir noch einen Verlust hinnehmen müssen. Aber Ende Saison laufen etliche Spielerverträge aus und der EHC Kloten wird ein ganz anders Gesicht haben.
Aber zu welchem Preis gibt es in Kloten die schwarze Null?
Zum Preis, dass wir in Kloten etwas kleinere Brötchen backen müssen. Wir wollen glaubwürdig bleiben in unserer Aussage, dass wir nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Wir müssen einfach in der NLA bleiben. Alles andere ist Zugabe.
Ist es Ihre Mission, das Schweizer Eishockey zu revolutionieren?
Nein, nein. Ich bin kein edler Ritter. Ich will einzig den EHC Kloten auf gesunde Beine stellen, damit der Klub nicht mehr abhängig ist von einem Mäzen.
Sie könnten mit Finanzspritzen Kloten wieder gross machen.
Nein, das ist nicht meine Aufgabe.
Wie bitte? Sie gehören zu den 300 reichsten Schweizern.
Wenn dies so wäre, ist dies noch lange kein Grund, dass ich Geld in den EHC Kloten investieren müsste. Ich habe immer gesagt, dass ich versuchen will, den EHC auf gesunde Beine zu stellen, und nachher dürfen gerne andere diesen Job machen.
Die Gefahr besteht aber, dass Kloten mit einer billigen Mannschaft für ewig am Tabellenende festklebt und das Interesse verloren geht.
Die einzige Alternative zur schwarzen Null ist, den Betrieb dichtzumachen. So sind die Regeln der freien Marktwirtschaft. Der Sport aber will diese partout nicht akzeptieren, sonst wären die Hockey-Klubs nicht von Mäzenen alimentiert. Und der Fan klopft mir auf die Schultern und sagt: «Lehmann, endlich mal einer, der den Diven Beine macht.» Aber wenn es sportlich nicht gut läuft, sagt der gleiche Fan: «Verdammt Lehmann, warum hast du nicht vier Ausländer verpflichtet. Warum bist du so knausrig.»
Warum sind Sie bei Kloten eingestiegen, wenn Eishockey gar nicht so wichtig ist?
Kloten hat eine grosse Tradition, was das Eishockey angeht. 800 Junioren spielen in unserem Klub. Für sie und ihre Familien und die Fans ist Eishockey ein Lebensinhalt. Das wäre alles kaputtgegangen, wenn ich nicht eingestiegen wäre. Das hat mich bewogen, zu helfen.
Also weiche Faktoren. Dabei führten Sie Klotens Schieflage darauf zurück, dass der Klub vor Ihrer Zeit emotional statt rational geführt worden ist – ein Widerspruch?
Natürlich ist das ein Widerspruch. Man darf sich bei wirtschaftlichen Entscheidungen nicht von Emotionen leiten lassen. Sonst überzahlt man immer. Im Sport ist das unglaublich schwierig. Da wird ständig gefordert. Ein neuer Ausländer, mehr Lohn für Spieler X, was weiss ich. Und ich muss immer die Spassbremse spielen und Nein sagen.
Aber was, wenn der Rückstand auf einen Playoff-Platz fünf Runden vor Ende der Qualifikation nur zwei Punkte beträgt, die ganze Region im Fieber ist und Ihnen ein Spieler angeboten wird, der den Einzug in die Playoffs quasi garantiert?
Garantien gibt es keine im Sport, nur die Garantie, dass am Ende einer die Rechnung bezahlen muss. Egal. Wir wollen schliesslich nur oben bleiben. Wenn es einen Fan gibt, der das Geld für diesen Spieler ausgeben will, sage ich nicht Nein. Aber von mir kommt das Geld nicht.
Sie bezeichnen Spieler auch mal als Diven. Sind sie auch raffgierig?
Lassen Sie mich ausholen: Letzten Sommer traf ich Nino Niederreiter und fragte ihn nach dem Hauptunterschied zwischen der NHL und der NLA. Es ist der Wettbewerb, sagte er. Deshalb ist für mich zentral, dass in Kloten Wettbewerb und Leistungskultur herrschen. Und ich bin überzeugt, dass Kevin Schläpfer das hinkriegt.
Nochmals: Sind die Schweizer Eishockeyspieler raffgierig?
Es ist nicht die Schuld des Spielers, wenn er 300 000 Franken verdient. Er nimmt, was er kriegt. Schauen Sie: Vor der letzten Saison sagte ich unserem damaligen Sportchef: Ein Ausländer verdient bei uns maximal 150 000 Franken. Darauf erwiderte er: Vergiss es, dafür kriegst du keinen. Aber wir haben zwei gekriegt. Heute spielen diese Ausländer zu weit höheren Salären bei anderen Klubs. Also müssen wir beim EHC wieder neue suchen, die für 150 000 Franken bei uns spielen, die anderen können wir uns nicht leisten.
Ist der Sport degeneriert?
Ja, wenn wir ihn mit «normalen» Jobs vergleichen. Wenn ein Mitarbeiter eine Lohnerhöhung von 6000 auf 6500 fordert, wird abgewogen und diskutiert. Wenn ein Hockeyspieler statt 250 000 neu 300 000 fordert, wird ohne gross zu überlegen zugestimmt. Man geht grobfahrlässig mit dem Geld um. Ich bin überzeugt, dass viele Spieler auch für weniger Geld Eishockey spielen würden.