EHC Olten
«Jeder sieht sich als Goalgetter»

Leime Heikki, Coach des EHC Olten, über die Vorbereitung, den anstehenden Saisonstart und inwiefern Eishockey dem Schach ähnelt.

Michael Forster und Marcel Kuchta
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Oltens Trainer Heikki Leime will auch in dieser Saison erfolgreich dirigieren.

Oltens Trainer Heikki Leime will auch in dieser Saison erfolgreich dirigieren.

HR.Aeschbacher

Können Sie sich noch an den 29. März erinnern?
Heikki Leime: Der 29. März – war das unser letztes Spiel?

Es war Spiel 6 in der Finalserie gegen Langnau, die Möglichkeit, zu Hause den Titel zu holen.
Ich schaue nicht gerne zurück. Solche Sachen bleiben nicht lange im Kopf. Was ich hingegen versuche, in Erinnerung zu behalten, sind Szenen, aus welchen wir lernen können. Das wird unmittelbar analysiert. Das Spiel an und für sich vergesse ich ziemlich rasch. Ich will nach vorne blicken.

Haben Sie überhaupt keine Gedanken daran verloren, dass man so nahe am Titelgewinn war?
Nein. In den letzten zwei Spielen zeigte Langnau, dass es über ein besseres Team verfügte, als wir. Wenn es umgekehrt gewesen wäre, dann würden wir dem Titel wohl nachtrauern. Aber sie zeigten uns, dass sie ganz einfach ein bisschen besser waren.

Worin lag der Unterschied?
Sie verfügten über ein wenig mehr Talent, mehr Erfahrung, mehr Selbstvertrauen. Und sie waren ein wenig besser vorbereitet. Sie arbeiteten die ganze Saison lang darauf hin, den Titel zu holen.
War man vielleicht auch ein wenig überfordert mit der Situation?
Für uns war die Ausgangslage ganz anders. Nach einem schlechten Start wurde der Trainer gewechselt, und dann war es eine Art Überlebenskampf im Hinblick auf die Playoffs. Wir hatten keinen richtigen Plan.

Was denken Sie: Würde dieser Plan in dieser Saison bestehen, wenn man plötzlich wieder vor der gleichen Ausgangslage stehen würde?
Sollten wir es tatsächlich wieder in den Final schaffen, so würde uns das bestimmt mehr behagen. Es würde wohl organisierter ablaufen. Aber: Das ist noch weit weg! (lacht)

Immerhin haben Sie den späteren Aufsteiger bis ganz zuletzt gefordert. Spüren Sie denn noch etwas von diesem phänomenalen Schlussspurt der letzten Saison?
Die Spieler wissen, was möglich ist, das ist wohl die wichtigste Erkenntnis. Gleichzeitig nehmen die meisten von ihnen Tag für Tag. Zumindest bei gewissen Spielern fühle ich aber schon, dass sie mit diesem Selbstbewusstsein auftreten. Sie wissen: Wenn sie hart arbeiten, können sie viel erreichen.

Wie ist das Gefühl so kurz vor dem Start? Ist das Team bereit?
Es ist in einer guten Verfassung für Anfang September. Aber wir sind noch weit weg davon, wirklich gut zu spielen. Ich habe mit Dino (Stecher, Anm. d. Red.) die Spielszenen des letztjährigen Finals noch einmal angeschaut; da haben wir in der Tat sehr gut gespielt. Bis zu diesem Spiel fehlt uns noch viel. Wir starteten zwar nicht bei Null, aber zurzeit müssen sich die Spieler noch finden. Jeder sucht seine Rolle und würde sich am liebsten als Goalgetter sehen (lacht). Das braucht ein wenig Zeit, und erst dann kann man wirklich zu spielen beginnen. Es wird noch viele Änderungen geben während der Saison, wir werden vielleicht unser Spiel auch leicht an jenem des Gegners ausrichten. Es ist ein kontinuierlicher Prozess.

Ist es nicht frustrierend für einen Trainer, immer wieder bei Null beginnen zu müssen?
Ganz bei Null ist es ja nicht. Und trotzdem: So ist es nun einmal. Es ist auch für uns Trainer gar nicht so schlecht, denn auch wir können nicht einfach den Weg des geringsten Widerstands nehmen, sondern die Dinge von Grund aufbauen. Wir können nicht Anfang Saison in die Kabine kommen und sagen: So, machen wir dort weiter, wo wir letzte Saison aufgehört haben. Wenn man die grundlegenden Sachen vernachlässigt, stolpert man irgendwann darüber.

Im Vergleich zur letzten Saison haben Sie drei Monate mehr Zeit, mit dem Team zu arbeiten.
Das ist sicher ein Plus, dazu kenne ich jetzt die Spieler und ihr Potenzial. Im letzten Jahr hatte ich Dino, der mir sehr viel geholfen hat. Jetzt ist mehr ein Austausch, wobei wir längst nicht immer gleicher Meinung sind. Aber das macht gar nichts (lacht).

Aus der Reihe der Vorbereitungsspiele sticht das 0:6 gegen den SC Langenthal heraus – nach einem ganz starken Auftritt und dem 3:2-Sieg über Augsburg. War das nur ein Ausrutscher?
Solche Spiele kann es geben. Es war ein Abend, an welchem nichts funktionierte. Langenthal war viel besser als wir, aber ich mache mir deswegen keine Sorgen. Der Gegner war besser, das müssen wir akzeptieren – und die notwendigen Schlüsse ziehen. Ich sagte dem Team später: Wenn die mentale Vorbereitung nur 95 Prozent ist, dann ist die Leistung auf dem Eis gerade noch 50 Prozent. Und die mentale Vorbereitung war nicht gut an jenem Abend. Das wird den Spielern in Erinnerung bleiben: Es reicht nicht, einfach rauszugehen und zu spielen. Dann kommt es so heraus. Die Liga wird sehr ausgeglichen sein. Wenn man da so zu spielen beginnt, wird man bald Probleme bekommen.

Was war denn Ihre Message nach diesem Spiel an die Teamleader?
Ich wollte ihnen aufzeigen, dass es so nicht geht, man sich nicht so gehen lassen kann. Nach solchen Spielen ist man gezwungen, zu analysieren, zu erkennen, weshalb es nicht geklappt hat. Das ist zwischendurch nötig. Das 0:6 war nicht tragisch, aber es war eine gute Gelegenheit, zu lernen, wie man solche Momente in Zukunft vermeiden kann.

Dasselbe kann durchaus auch während der Qualifikation passieren. Zum Beispiel ein Sieg am Freitag über La Chaux-de-Fonds, dann eine Niederlage gegen Thurgau.
Das ist möglich, ja. Das zu verhindern, an dessen Ursprung kann durchaus das Testspiel gegen Langenthal stehen. Wie geht man mit schlechten Auftritten um, wie mit guten? Das zeichnet eine gute Mannschaft aus, die genau weiss: Ein schlechtes Spiel muss noch gar nichts heissen, ebenso wenig ein gutes. Wichtig sind die Schlüsse, welche daraus gezogen werden. So gesehen war der letzte Test gegen Langnau ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Braucht es in schwierigen Momenten starke verantwortungsvolle Spieler, welche hinstehen und in der Garderobe auch einmal etwas lauter werden?
Nein. Natürlich können auch solche Spieler helfen, aber ich verlange von ihnen vor allem, dass sie ehrlich sind. Sie haben Erfahrung und gelangen als Vertreter der Mannschaft an mich. Sie sagen, was sie denken, wie sie sich fühlen. Für manche Spieler ist es sehr schwierig, mit dem Trainer zu sprechen. Genau für diese Gruppe haben wir die Mannschaftsvertreter. Klar, es wird auch in der Garderobe gesprochen. Aber das ist dann eine Sache unter den Spielern. Die Garderobe ist alleine ihr Gebiet.

In der Vergangenheit hiess es in Olten immer wieder, die Mannschaft müsse «böser» werden, mehr Gewicht bekommen. Die einzige Verstärkung in dieser Hinsicht war bislang Reto Kobach. Reicht das?
Mit Reto macht man sicher einen Schritt in die richtige Richtung. Wir haben eine Reihe von Spielern, welche das Potenzial haben, den Schritt hin zum physisch starken Spieler zu machen. Und, wer weiss, vielleicht können wir diese Entwicklung mit Reto als Vorbild ein wenig beschleunigen. Andererseits: Wenn man weiss, dass man über kein physisch starkes Team verfügt, sucht man einen anderen Weg, trotzdem erfolgreich Hockey zu spielen. Ein hundertprozentiges Erfolgsrezept gibt es ohnehin nicht. Es gibt immer sehr viele Wege, wie man gewinnen kann. Rund um Reto können wir aber sicher ein Team bilden, welches körperlich stärker auftritt, als bislang.

In Olten ging es letzte Saison drunter und drüber. Erst als Sie mit Fortdauer ihrer Amtszeit begannen, das Team nach aussen abzuschotten, ging es aufwärts. Wie sieht es jetzt aus: Können Sie in Ruhe arbeiten?
Im Moment ist es okay, aber: Die Saison hat noch nicht begonnen. Meine Ansicht ist noch immer dieselbe: Man muss das Team in Ruhe arbeiten lassen. Dieses Vertrauen muss man ihm entgegenbringen.

Was, wenn der Start misslingt? Werden gleich wieder Stimmen laut?
Auf jeden Fall. Aber darüber kann ich mir keine Gedanken machen.

Mit Martigny auswärts und Langenthal zu Hause warten gleich zu Beginn zwei heikle Aufgaben.
Oh ja! Sowieso, es wird keine einfachen Spiele geben. Aber ich habe ein gutes Gefühl. Das Team macht Fortschritte, wir sind bereit für die ersten Spiele. Natürlich hoffe ich auf positive Resultate, aber wichitig ist auch, dass wir gut spielen. Es braucht so oder so auch ein wenig Geduld.

Haben Sie von Vereinsseite irgendwelche Ziele formuliert bekommen?
Nein, darüber haben wir noch nicht gesprochen.

Olten wird allgemein zu den Finalanwärtern gezählt. Wäre alles andere als der Playoff-Final eine Enttäuschung?
Man könnte sagen, dass es einer Enttäuschung gleich käme, wenn wir uns die ganze Saison über auf den ersten beiden Plätzen halten würden. Wenn wir weiter hinten mitspielen, wäre das Verpassen des Finals keine Enttäuschung. Nur kennen wir zu diesem Zeitpunkt die anderen Teams kaum. Zuerst sollte man sich von ihnen ein Bild machen. Die Liga wird, wie gesagt, sehr ausgeglichen. Man kann nicht zum Voraus sagen, dass man in den Final gehört, das ist Unsinn. Aber wir haben bestimmt gute Spieler, und ich weiss, dass wir mit ihnen weit kommen können.
Es ist eine Frage der Erwartungen: Vor zwei Jahren gewann man die Qualifikation souverän, scheiterte dann in Runde 1 in den Playoffs. In der letzten Saison startete man von Rang 5 in die Playoffs und schaffte es bis in den Final. In der Qualifikation geht es einzig darum, die Playoffs zu schaffen. Vielleicht noch darum, sich den Heimvorteil zu sichern. Aber das ist nicht so entscheidend. Wichtiger ist, die lange Qualifikation dafür zu nutzen, in den Playoffs bereit zu sein. Dann muss man den Spielern sagen können: Geht raus, und spielt!

Häufig ist so, dass, je mehr Probleme während einer Qualifikation auftauchen, je eher man in den Playoffs bereit ist.
Genau! So bleibt man immer auf Trab. Wenn man hingegen die ganze Zeit von der Tabellenspitze grüsst, wird es die Aufgabe des Trainers, die Spieler auf Trab zu halten, zu schauen, dass sie nicht zu bequem werden. Das ist nicht einfach.

Einfacher ist es grundsätzlich sicher, an der Tabellenspitze zu stehen.
Ja. Aber als Coach schaut man automatisch immer ein bisschen voraus. Man muss im Moment leben, zum Beispiel im bevorstehenden Training. Gleichzeitig muss man vorausblicken – kein einfacher Job. Man muss in den Gedanken immer ein paar Schritte voraus sein.

Es ist wie im Schach.
Exakt. Das hat schon Tarassow gesagt, der ehemalige russische Nationaltrainer. Er verlangte von seinen Spielern, dass sie Schach spielten. In seinen Augen hatte Hockey viel mit Schach zu tun. Einige seiner Taktiken basierten denn auch auf dem Schachspiel.

Allein, er hatte wohl die Spieler dazu. Vielleicht ist es zu kompliziert für einen ...
... normalen Hockeyspieler? (lacht)