Der Verbands-Leistungssport- und -Ligachef Ueli Schwarz hat sich in eine heikle Lage manövriert. Mischt sich Ueli Schwarz zu sehr ins Schiedsrichterwesen ein?
Es sind vorerst nur Gerüchte. Sie sind wie ein böser Geist in die Trainerkabinen, in die Sportchefbüros und bis hinein in die Advokatur von Nationalliga-Einzelrichter Reto Steinmann gedrungen. Diese Gerüchte nähren sich aus Informationen, die von mehreren verlässlichen Quellen bestätigt, aber von Ueli Schwarz aufs Entschiedenste dementiert werden. Sollten sich diese Informationen als wahr erweisen, müsste Schwarz möglicherweise um seinen Job bangen. In der Politik wäre es ein Fall für eine PUK.
Worum geht es? Servette-General Chris McSorley sagte nach dem Ausscheiden gegen den SC Bern zornig, die Liga wolle die Berner im Halbfinale und instrumentalisierte die Schiedsrichter. Das habe System. Und nach dem samstäglichen 2:3 n. V. in Bern sagte Zugs Trainer Doug Shedden Ueli Schwarz ins Gesicht: «Chris McSorley hat recht.»
Es geht um zwei Vorkommnisse während der Viertelfinalserie SCB gegen Servette. Die Genfer siegten im 4. Spiel 2:1 und Stephane Rochette hatte in der 48. Minute den vermeintlichen SCB-Ausgleich zum 2:2 nach Video-Konsultation annulliert. Ueli Schwarz habe sich dann in die Schiedsrichteraufgebote eingemischt und über den Kopf von Schiedsrichterchef Reto Bertolotti hinweg verlangt, dass Rochette in dieser Serie nicht mehr eingesetzt werden dürfe. Tatsächlich ist der Kanada-Schweizer in dieser Serie nicht mehr zum Zuge gekommen.
Die zweite Episode soll sich nach der 5. Partie in Bern (2:1 n. V. für den SCB) bei der Manöverkritik in der Schiedsrichterkabine zugetragen haben. Nach einem Ellenbogencheck gegen Alexandre Picard (er kehrte nicht mehr ins Spiel zurück) war SCB-Stürmer Ryan Gardner mit 5 Minuten plus Restausschluss (ohne automatische Sperre) bestraft worden. Die Inspizienten sollen moniert haben, dass in diesem Falle 5 Minuten plus Matchstrafe (mit automatischer Sperre) angebracht gewesen wäre. Worauf sich Schwarz eingemischt habe: «Nein, der Entscheid war super.»
Einflussnahme? Mitnichten!
Ueli Schwarz mischt sich tatsächlich ins Schiedsrichterwesen ein und bestreitet dies auch nicht. Er nimmt an Besprechungen teil und will die Aufgebote sehen. Reto Bertolotti sagt: «Er darf das. In den neuen Strukturen ist Ueli mein Vorgesetzter. Wir besprechen vieles gemeinsam.» Aber Schwarz bestreitet aufs Entschiedenste die erwähnte Einflussnahme: «Das sind Unterstellungen, die ich in aller Form zurückweise.» Bertolotti ist ein loyaler Diener seines Herrn und sagt: «Der Ueli hat keine Weisungen erteilt, Schiedsrichteraufgebote abzuändern.»
Nach der Strukturreform unter dem damaligen Verbandsvorsitzenden Philippe Gaydoul sind die Schiedsrichter trotz grösster Bedenken operativ neu der Ligaführung unterstellt worden. Die Schiedsrichter sind formell Uelis Knechte. Das ist in dieser Form einmalig. Dazu sagt Reto Bertolotti mit leicht ironischem und gereiztem Unterton: «Soviel ich weiss, mischt sich Gary Bettman nicht in die Schiedsrichteraufgebote der NHL ein.» ZSC-Manager Peter Zahner war früher Verbandsdirektor. Er sagt, er habe sich bei den Schiedsrichtern nie eingemischt. «Das war bei früheren Strukturen gar nicht möglich.»
Der omnipräsente SCB-Stallgeruch
Unabhängigkeit und Schutz vor «Einmischung von oben» ist für das Funktionieren des Schiedsrichterwesens von zentraler Bedeutung. Gerade in einer so kleinen Welt wie unserem Eishockey. Die Nähe erfordert erst recht Distanz. Zumal jeder eine Klubvergangenheit hat, die verpolitisiert und jedem bei Bedarf wie eine geladene Waffe vorgehalten wird.
Niemand bezweifelt offen die Integrität von Ueli Schwarz. Aber er assistierte Bryan Lefley beim SCB-Titel von 1997 und war anschliessend in Bern Cheftrainer und Sportchef. Auch sein Stellvertreter, der tüchtige Patrick Reber, wird den «SCB-Taliban» zugeordnet: Er war beim SCB Kommunikationschef. Und die Liga residiert in Ittigen. Rund zwei Kilometer vom SCB-Tempel entfernt.
Im alten Preussen galt: Ein Beamter muss nicht nur unbestechlich sein. Er hat auch alles zu vermeiden, das den Eindruck erwecken könnte, er sei beeinflussbar. Das Problem von Ueli Schwarz ist seine politische Naivität. Er müsste sich vom Alltagsgeschäft der Schiedsrichter fernhalten wie der Teufel vom Weihwasserbecken. In einem Stadion und erst recht in Bern sollte er seinen Fuss nie in die Nähe einer Schiedsrichterkabine setzen. Er sollte gut gemeinte Ratschläge unterlassen. In seinem Falle ist gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht.
Eigentlich sollte ja Verbandspräsident Marc Furrer dreinfahren wie der Hagelhans auf Uelis Glungge und die Dinge ordnen. Aber auch er hat SCB-Stallgeruch. Er ist ein Freund von SCB-General Marc Lüthi. Als er noch um die Schweizer Meisterschaft ruderte, war Lüthi in seinem Boot der Steuermann. Bei solchen Verfilzungen ist es nicht verwunderlich, wenn die SCB-Gegner eine Verschwörung wittern. Und es wird erst recht losgehen, wenn es um den Titel und den Ligaerhalt zu bernisch-welschen Auseinandersetzungen kommen sollte.