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Das Schweizer Eishockey steht vor grösseren Umstrukturierungen. Nachdem die zwölf National-League-Klubs schon im Sommer eine eigene AG gegründet haben, tun es ihnen nun die Swiss-League-Teams gleich - ohne die ungeliebten Farmteams. EHCO-VR-Präsident Marc Thommen gehört zu den Zugpferden der Reorganisation.
Die Coronakrise erschüttert nicht nur die Schweizer Sportwelt. In Zeiten der wirtschaftlichen Not hinterfragen nun viele Verbände und Organisationen ihre Funktionstüchtigkeit. Auch im Schweizer Profi-Eishockey, welches besonders unter den Pandemie-Massnahmen leidet, laufen Bestrebungen nach Umstrukturierungen. So gründeten im Sommer die zwölf Klubs der National League eine AG und stellten mit Matthias Berner gleich noch einen VR-Präsidenten ein. Und die Klubs der Swiss League? Für die hiess es: «Ihr müsst draussen bleiben.»
Was tun also, wenn man wie ein ungeliebtes Stiefkind unsanft vor die Türe gesetzt wird? Man kann toben und über die Ungerechtigkeit klagen. Oder man nutzt die Gunst der Stunde und nimmt das Heft selber in die Hand. Gesagt, getan. Die neun eigenständigen Swiss-League-Klubs (ohne die drei Farmteams der NLA-Klubs) setzten sich in Olten an einen Tisch und begannen unter der Leitung der beiden grössten Zugpferde, EHCO- VR-Präsident Marc Thommen und dessen Pendant in Langenthal, Gian Kämpf, eine Strategie für eine eigenständige Swiss League auszuarbeiten. «Wir haben zehn Kernpunkte ausgearbeitet. Eine Evaluation unter den Klubs hat ergeben, dass wir uns durchs Band einig sind, welche Interessen wir verfolgen wollen», unterstreicht Marc Thommen die Entschlossenheit der Organisationen, einen gangbaren Weg zu finden.
Wie die Strategie im Einzelnen aussehen wird, das will man erst anfangs Dezember kommunizieren. Schon jetzt wurde bekannt, dass man Jean Brogle mit dem Mandat des VR-Präsidiums der Swiss League AG betrauen wird. Brogle kennt das TV-Geschäft aus seiner Zeit beim Schweizer Fernsehen SRF aus dem Effeff. Gerade punkto Fernsehrechte erhofft man sich einen monetären Schritt nach vorne. Man kann als eigenständige Liga ja in Zukunft auch selber und im eigenen Interesse die TV- und Marketingrechte verhandeln.
Das Potenzial einer Spielklasse ohne die ungeliebten Farmteams, die zwar punkto Juniorenförderung für das Schweizer Eishockey als Ganzes wertvolle Arbeit verrichten, aber kommerziell für die anderen Klubs ein Ärgernis waren, ist beträchtlich. Aufstiegswillige (Traditions-)Klubs wie Arosa, Basel oder Chur würden mit Sicherheit ein belebendes Element bringen. Ein Thema könnte auch die Aufnahme von Mannschaften aus dem grenznahen Ausland (z.B. Freiburg im Breisgau, Dornbirn) sein. «Wir wollen keine Geisterspiele mehr. Fan-Engagement und Fan-Nähe sind Kernanliegen», unterstreicht Thommen.
Man muss kein Prophet sein um zu erkennen, dass die National League eher früher als später den sportlichen Abstieg abschaffen und somit zur geschlossenen Gesellschaft wird. Wobei wahrscheinlich ist, dass der Aufstieg in die höchste Spielklasse immer noch möglich sein wird, wenn die infrastrukturellen und die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt werden.
Interessante Perspektiven bieten sich der Swiss League möglicherweise auch punkto Spielerpersonal. Ab der Saison 22/23 plant man in der National League dem Vernehmen nach eine neue Ausländerregelung. Demnach müssen nur noch zwölf der 22 Spieler auf dem Matchblatt Schweizer Staatsbürger sein. Es wären also zehn Ausländer (darunter auch solche mit Schweizer Lizenz) pro Team zugelassen. Was bedeuten würde, dass auf einen Schlag über 70 Schweizer Spieler in der NL ohne Job da stehen. Diese Akteure würde man in der Swiss League mit Handkuss nehmen – und wohl zu einem erschwinglichen Lohn bekommen.
Das alles ist vorderhand aber noch Zukunftsmusik. Die neuen Strukturen würden sowieso erst auf die Saison 22/23 in Kraft treten. Die Tendenz ist aber klar. Die Zeichen stehen auf Separierung. «Die National League will uns nicht mehr. Also müssen wir uns als Swiss League emanzipieren», sagt Marc Thommen.