Analyse
Checks gegen den Kopf: Die gefährliche Grauzone im Eishockey

Der Rächer wird bestraft, der ursprüngliche Übeltäter kommt aber ungeschoren davon. Weshalb rücksichtslose Attacken gegen den Kopf dringend härter und konsequenter sanktioniert werden müssen.

Marcel Kuchta
Marcel Kuchta
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Am Tag nach der 2:3-Niederlage nach Verlängerung gegen den EHC Kloten erhielt der EHC Olten Post vom Eishockey-Verband. Verteidiger Cedric Maurer wurde für einen Crosscheck gegen den Kopf von Klotens Verteidiger David Stämpfli vorsorglich für ein Spiel gesperrt. Gleichzeitig wurde ein Verfahren gegen den EHCO-Spieler eröffnet. Schaut man sich die Szene auf dem Video an, dann ist dieses Urteil absolut vertretbar.

Was jedoch in diesem Zusammenhang für einiges Kopfzerbrechen sorgt, ist der Umstand, dass die Szene, die überhaupt zu dieser Aktion von Maurer führte, ungeahndet blieb. Was war geschehen? Stämpfli hatte Oltens Topscorer Dion Knelsen mit dem Ellbogen voll im Brust-/Kopfbereich getroffen. Der Kanadier sah seinen Gegenspieler nicht kommen und befand sich, nach vorne gebeugt und in einen Zweikampf involviert, erst noch in einer verwundbaren Position. Entsprechend heftig war der Zusammenprall, auf den er sich nicht vorbereiten konnte.

Hätte Knelsen Theater spielen sollen?

Stämpfli erhielt auf dem Eis eine 2 plus 10 Minuten-Strafe wegen eines Checks gegen den Kopf. Sein Glück war wohl, dass Knelsen sofort wieder aufstand und weiterspielen konnte. Hätte der EHCO-Topscorer ein wenig Theater gespielt und wäre liegen geblieben, dann wäre Stämpfli wohl unter die Dusche geschickt worden. Auf jeden Fall war die Aktion des Kloteners gefährlich und vor allem völlig überflüssig.

Umso befremdender ist es, dass er für sein Foul nicht weiterreichende Konsequenzen zu spüren bekommt. Zumal David Stämpfli kein unbeschriebenes Blatt ist. Erst im Dezember war er für drei Spiele gesperrt worden, weil er einen Gegenspieler mit einem Check übel am Kopf traf. Sierres Yoan Massimino erlitt dabei eine Gehirnerschütterung.

Aber wieso blieb der Übeltäter in diesem Fall unbestraft, während der Rächer Maurer an die Kasse kam? Das Problem ist, dass es bei der Interpretation solcher Szenen durch den «Sicherheitsbeamten» (Player Security Officer) der Liga immer noch einen Graubereich gibt. War es wirklich ein Check gegen den Kopf? Liegt eine Absicht vor? Wie verhält sich der Gegenspieler? Das ist nur ein Teil der zahlreichen Fragen, die der PSO bei der Evaluation dieser kritischen Aktionen beantworten muss.

Der analytische Spielraum ist gross

Spricht man nun mit Experten über die Körpercharge von Stämpfli, so wird schnell klar, dass der analytische Spielraum auf den zweiten Blick eben beträchtlich gross ist. Und zwar offenbar so gross, dass der PSO zum Schluss kam, das Foul des Kloten-Spielers als nicht Sperre-würdig zu taxieren und somit auch keine Empfehlung an den Einzelrichter auszusprechen.

Dieser Graubereich ist ein Systemfehler. Und letztlich auch extrem gefährlich. Bei Aktionen gegen den Kopf des Gegners darf es keine zwei Meinungen geben – ausser es ist ein klarer Unfall oder eine offensichtliche Verkettung, unglücklicher Zufälle. David Stämpflis Aktion war, wenn man ihm mal keine Absicht unterstellen will, auf jeden Fall extrem rücksichtslos. Wer so in den Gegner reinfährt, der nimmt eine Verletzung gezielt in Kauf.

Dion Knelsen kam wohl nur durch einen Zufall ungeschoren davon. Dass Stämpfli als Wiederholungstäter sich ohne weitere Konsequenzen aus der Affäre ziehen darf, ist eigentlich ein Skandal. Und widerspricht all den Lippenbekenntnissen, die man regelmässig zu hören bekommt, wenn das grassierende Problem mit den Gehirnerschütterungen im Eishockey mal wieder thematisiert wird. So lange solche grenzwertigen Aktionen milde oder eben gar nicht bestraft werden, gibt es für die Stämpflis dieser Ligen keinen Grund, ihren rücksichtslosen Stil zu ändern.