So ruhig war es bei Fribourg-Gottéron vor den Playoffs noch nie – ist es die Ruhe vor dem Sturm oder einem Kollaps?
Die Aufregung ist gross. Aber nicht im Epizentrum von Fribourg-Gottéron. Im Bauch des neuen Tempels. Christian Dubé (44) managt Gottérons Sportabteilung nun schon im siebten Jahr. Seit dem 4. Oktober 2019 hat er auch das Traineramt übernommen und vereinigt alle sportliche Macht auf sich. Sportchef und Cheftrainer in Personalunion. Gibt es so nur noch bei Gottéron.
Wo die Konkurrenz nebst dem Sportchef weitere Spezialisten zu Rate zieht und die Entscheidungsfindung wochenlang dauern kann, ist bei Gottéron ein Mann zuständig. Frage an Christian Dubé: Wer entscheidet, ob ein Spieler verpflichtet oder ein Vertrag verlängert wird? «Ich.» In Anlehnung an den Sonnenkönig Louis XIV («l’état c’est moi») darf der Kanadier denken «Gottéron c’est moi.» Dabei halte er sich an das vorgegebene Budget. Chris DiDomenico geht, weil er beim SC Bern mehr Geld bekommt.
Wir sind vom Thema abgekommen. Scheinbar. Dieser Pragmatismus, diese Professionalität, diese Konzentration der sportlichen Macht auf eine Person prägt Gottérons Sportabteilung, die Spielweise und die Gemütslage des Teams. Gottéron ist schon so oft gescheitert und war noch nie Meister, weil in den Büros und in der Kabine die Emotionen über die Ufer traten und die Mannschaft durcheinandergebracht oder gelähmt haben.
Nun ist es so ruhig wie nie seit dem Aufstieg von 1980. Ein Augenschein. Nur noch wenige Tage bis zum Playoff-Start. Christian Dubé sagt: Kein Problem, er habe Zeit für ein Gespräch. «Kommen Sie einfach nach dem Training vorbei.» Er bittet um pünktliches Erscheinen. Weil er dann noch einen wichtigen Termin habe.
Es wird wohl eine Teamsitzung sein. Oder ein Motivationsanlass. Aber so ist es nicht. Nach unserem Gespräch führt er eine Schulklasse durchs Stadion. Zeigt den Kindern die Kabine und im Medienraum gibt er eine kurze Lektion. Mit einer freundlichen Ruhe, als sei jetzt Sommerpause. Die Erregungen und Aufregungen der Playoffs sind weit, weit weg.
Die Gelassenheit des Mannes mit der grössten Arbeitsbelastung in unserem Hockey – Sportchef und Trainer – ist echt. Die Ruhe vor einem meisterlichen Sturm oder einem neuerlichen Kollaps wie vor einem Jahr, als die Viertelfinals gegen Servette schon nach fünf Spielen zu Ende waren? Gelingt nun die erste Halbfinal-Qualifikation seit 2014? Gar der erste Final seit 2013?
Theoretisch hat Gottéron sogar alles, um zum ersten Mal in seiner Geschichte den Titel zu holen: den Präsidenten, den Sportchef, den Coach, den Torhüter, die Ausländer, die Leitwölfe mit Schweizer Pass, die Tiefe im Kader und natürlich das Publikum. Wünsche. Hoffnungen. Glaube. Gottéron, nicht einfach ein Sportunternehmen.
Eine Institution, fast so tief verwurzelt in der Stadt, im Kanton wie die Katholische Kirche. Ohne Kathedrale zwar, aber mit einem neuen Hockey-Tempel. Da sind Titel gar nicht so wichtig. Wenn Gottérons Romantiker den Viertelfinal gegen Lausanne überstehen, ist alles möglich. Vielleicht ist es eben doch die Ruhe vor einem meisterlichen Sturm.