Dopingsünder
Kariem Hussein rechtfertigt sich: «Es ist absurd und unverständlich»

Nach der Bekanntgabe seines Dopingvergehens aufgrund der Einnahme einer im Wettkampf verbotenen Lutschtablette Gly-Coramin und der daraus resultierenden neunmonatigen Sperre erklärt sich Kariem Hussein an einer Medienkonferenz.

Aufgezeichnet: Rainer Sommerhalder
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Der Schweizer Sprinter Kariem Hussein, wurde für neun Monate wegen Dopings gesperrt worden. Diese Nachricht wurde am Freitag bekannt. Recherchen von CH Media ergaben, dass die Strafe höher hätte ausfallen sollen, wäre es nach den Schweizer Dopingjägern gegangen. Das milde Urteil rettete Hussein wohl seine weitere Karriere. Ihm wurde dei Einnahme von Gly-Coramin nachgewiesen, einer stimulierenden Lutschtablette. Diese ist zwar rezeptfrei erhältlich, aber auf der Dopingliste, was sogar im Beipackzettel vermerkt ist. Die Folge für Hussein: Er kann bereits an den gestarteten Olympischen Spielen in Tokio nicht mehr Teilnehmen. Am Samstagmorgen trat er an die Öffentlichkeit und erklärte seine Sicht der Dinge.

Kariem Husseins Auftritt vor den Medien:

CH Media Video Unit

Herr Hussein, es ist vollkommen unbegreiflich, wie Ihnen so etwas passieren konnte. Seit wann nehmen Sie Gly-Coramin und wieso haben Sie sich nie darum gekümmert, welche Folgen die Einnahme des Medikaments haben kann?

Ich habe Gly-Coramin im Herbst 2019 zum ersten Mal genommen und bin mir sicher, dass ich dannzumal auch überprüft habe, ob ich das Mittel einnehmen darf. Aber ich hatte das jetzt einfach nicht mehr auf dem Radar. Das ist die Wahrheit. Ich weiss, es ist absurd und unverständlich.

Wann haben Sie Ihren Fehler realisiert?

Ich habe die Lutschtablette unter den Augen des Doping-Kontrolleurs eingenommen, ohne mir im geringsten über die Konsequenzen im klaren zu sein. Als ich am Freitag vor einer Woche das Mail von Antidoping Schweiz erhielt, war es für mich ein Riesenschock. Ich war zu hundert Prozent überzeugt, dass ich das Mittel einnehmen darf.

Wieso haben Sie es in Langenthal gleich zweimal eingenommen?

Ich nehme Gly-Coramin sporadisch, häufig vor dem Krafttraining. Ich war vor der Schweizer Meisterschaft extrem nervös und nahm es aus lauter Gewohnheit. Mir war bewusst, was ich einnehme und tat dies aus voller Überzeugung.

Kariem Hussein muss die Vorkommnisse der letzten Tage zuerst einmal verdauen.

Kariem Hussein muss die Vorkommnisse der letzten Tage zuerst einmal verdauen.

Bild: Andy Mueller / freshfocus

Wie verständlich ist eine Regel, wonach dieses Medikament im Training erlaubt und im Wettkampf verboten ist?

Das liegt nicht an mir, so etwas zu entscheiden. Es ist mein Fehler und es liegt in der Verantwortung jedes Sportlers, zu wissen, was er einnimmt und zuerst abzuklären, ob man es darf. Das habe ich 2019 auch getan.

Haben Sie das Medikament auch schon unmittelbar vor dem Start eines Rennens eingenommen?

Ich kann mit grosser Wahrscheinlichkeit ausschliessen, dass ich je direkt vor einem Wettkampf Gly-Coramin eingenommen habe.

Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie in Bezug auf Ihre Karriere nach Ablauf der Sperre?

Was feststeht: Für mich gibt es die Karriere nach der Sperre. Niemand ausser mir hat etwas falsch gemacht. Ich bin jetzt wieder sehr motiviert nach einigen sehr schwierigen Tagen. Ich hatte einige schlaflose Nächte. Die Anzahl Stunden, in denen ich seit Bekanntgabe des positiven Befunds geschlafen habe sind an einer Hand abzuzählen.

Der Stempfel «Dopingsünder» bleibt nun an Ihnen haften!

Das war meine grösste Angst. Ich tue mich schwer mit diesem Begriff. Ein Betrüger macht dies mit Vorsatz. Das ist bei mir ganz klar nicht der Fall. Aber mir ist bewusst, dass der Stempfel natürlich an mir haften bleibt.

Die Sperre hätte auch höher ausfallen können. Sie haben die 9 Monate akzeptiert. Hätten Sie auch eine Strafe akzeptiert, mit welcher sie die WM und EM 2022 hätten abschreiben müssen?

Diese Frage ist für mich irrelevant. Vor dem Urteil war die Ungewissheit extrem schwierig. Aber jetzt habe ich Gewissheit und kann planen, wie es nach den neun Monaten weitergeht.

Können Sie sich vorstellen, eine Rolle in der Aufklärung des Nachwuchses zu übernehmen?

Das kann ich mir sehr gut vorstellen - nicht nur bei jungen Athleten. Mein Fall zeigt auf, dass man die banalsten Dinge abklären muss und es in der Eigenverantwortung des Sportlers liegt, dies zu tun. Ich selber hatte nie eine solche Aufklärung, umso wichtiger ist es, dass die Jungen dies mit auf den Weg bekommen.

Wie haben Ihre Sponsoren reagiert?

Als Leichtathlet lebt man von diesen Partnerschaften. Ich habe aktiv den Kontakt zu meinen Sponsoren gesucht. Es gab gute Gespräche in beide Richtungen. Ich habe mich bei allen entschuldigt. Alles andere ist vertraulich.

Wie weit ärgert es sie, dass der Dopingfall auch einen Schatten auf Sie als Arzt wirft?

Es ärgert mich grundsätzlich. Der Reputationsschaden beschäftigt mich sehr und ich muss lernen, als Arzt damit umzugehen.

Hatten Sie negative Rückmeldungen aus Ihrem Umfeld?

Ich habe aus dem persönlichen Umfeld ausschliesslich positive und erheiternde Rückmeldungen erhalten. Ich habe mich aber komplett abgeschottet, lese keine Zeitungen und nicht einmal meine SMS.

Sehen Sie schon wieder Ziele am Horizont, eventuell sogar die Olympischen Spiele 2024 in Paris?

Ich habe nie in Jahren gedacht. Ich weiss, ich bin 32, aber ich bin nach wie vor sehr motiviert und will weitermachen, so lange es Spass macht. Selbstverständlich ist die WM im nächsten Jahr ein erstes Ziel.

Im aktuellen Zusammenhang tönt das Wort «Spass» eigenartig!

Die aktuelle Situation macht verstänlicherweise überhaupt keinen Spass, sie ist erschütternd. Aber der Prozess als Athlet macht mir Spass. Das gab mir auch in den vergangenen, schwierigen Jahren stets die Motivation, weiterzumachen. Ich muss mich damit abfinden, dass jetzt wieder der Prozess im Vordergrund steht und meine Vorfreude aufbauen auf das, was nach den neun Monaten kommt.