Ausweg aus Coronakrise
Donald Trump mag keine alten Baseballspiele mehr sehen – US-Virologe schlägt baldige Rückkehr des US-Sports vor

In den USA hat Sport einen ganz besonderen Stellenwert. US-Präsident Trump will, dass die Ligen ihre Saison so schnell wie möglich wieder aufnehmen. Auftrieb erhält er vom obersten Immunologen des Landes.

Frederic Härri
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Wie viele seiner Landsleute sehnt sich US-Präsident Donald Trump nach Live-Sport.

Wie viele seiner Landsleute sehnt sich US-Präsident Donald Trump nach Live-Sport.

Keystone

Donald Trump hat genug. «Ich habe es satt, mir 14 Jahre alte Baseballspiele im Fernsehen anzuschauen», sagte der US-Präsident diese Woche an einem seiner täglichen Briefings. «Wir brauchen unseren Sport zurück.» Damit sprach Trump wohl Millionen seiner Landsleute aus der Seele.

In den USA ist der Profi-Sport eine besonders süsse Verkörperung des American Dream. Footballer, Basketballer und Baseballspieler sind Helden der Popkultur, das Wort von Athleten wie Lebron James oder Tom Brady hat auch in politischen Fragen Gewicht. Das Wichtigste aber: Im Land mit den meisten Corona-Erkrankungen weltweit würde der Sport den Menschen jene Ablenkung bringen, die sie so dringend herbeisehnen.

Am Dienstag gab Donald Trump den sportverrückten Amerikanern neue Hoffnung. Für sein Beratergremium zu Covid-19 präsentierte er einige prominente Neuzugänge aus der Sportwelt. Darunter sind etwa die NFL- und NBA-Beauftragten Roger Goodell und Adam Silver sowie Robert Kraft, millionenschwerer Boss der New England Patriots. Der Auftrag an das Beraterpanel ist klar: Es soll Lösungen finden, damit die grossen Sport-Ligen möglichst bald ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen können.

Wie die Klubs den Ausweg aus der Krise meistern könnten, skizzierte am Mittwoch der Immunologe Anthony Fauci. Der 79-Jährige gilt in den USA als eine der wichtigsten Figuren im Kampf gegen das Coronavirus. Wenn er spricht, hören die Amerikaner zu. Besonnen, rational und frei von Übertreibungen hat sich Fauci als Berater sogar das Vertrauen von Donald Trump verschafft, der seine kritische Haltung gegenüber der Wissenschaft immer mal wieder durchscheinen lässt. Nicht selten widerspricht der Virologe dem US-Präsidenten auch in aller Öffentlichkeit.

Auch Donald Trump hört aufmerksam zu, wenn Anthony Fauci, der oberste Immunologe des Landes, spricht.

Auch Donald Trump hört aufmerksam zu, wenn Anthony Fauci, der oberste Immunologe des Landes, spricht.

Keystone

In der Online-Sendung «Good Luck America» sagte Fauci: «Es gibt einen Weg. Keiner geht in das Stadion. Steckt die Spieler in grosse Hotels, lasst sie gut überwachen. Lasst sie jede Woche testen und stellt sicher, dass sie sich und ihre Familien nicht anstecken. Lasst sie die Saison einfach ausspielen.» Er sei überzeugt, dass viele Fans sich die Spiele anschauen würden, auch wenn sie selbst nicht vor Ort dabei sein könnten, ergänzte Fauci.

Bei den grossen Sport-Ligen rennt der Wissenschafter mit seiner Idee offene Türen ein. Die Basketball-Liga NBA spielt schon länger mit dem Gedanken, die restlichen Partien sowie die Playoffs in einer Art Selbst-Isolation abzuhalten. Verantwortliche der Football-Liga NFL, die planmässig erst im September startet, erklärten sich bereit, ihre Saison allenfalls verkürzt und ohne Fans auszutragen. In der Baseball-Liga MLB, die im März hätte beginnen sollen, kursieren Pläne, wonach die 30 Teams die Spielzeit ab Mai vorerst nur im US-Bundesstaat Arizona in Angriff nehmen. Auch die Eishockey-Liga NHL schreibt die laufende Meisterschaft noch nicht ab.

So planen die grossen Sportligen in Europa die Rückkehr

Italien Wie die italienische Sportzeitung Gazzetta dello Sport berichtet, sollen Italiens Erstliga-Fußballer vor einem möglichen Neustart der Serie A drei Wochen in Quarantäne. Dort sollen die Profis in den Trainingszentren ihrer Klubs von der Außenwelt abgeschnitten strengen Gesundheitschecks unterzogen werden und das Training in kleinen Gruppen aufnehmen können.

Deutschland Bis zum 31. August sind in Deutschland sämtliche Grossveranstaltungen untersagt. Die Bundesliga müsste den Rest der Saison also definitiv mit Geisterspielen bestreiten. Vertreter der 36 Profiklubs beraten sich am 23. April , um zu entscheiden, ob - und falls ja, wann und unter welchen Bedingungen - der Ball wieder rollen könnte.

England Laut dem englischen "Mirror" machen sich die Vereine der Premier League für eine verkürzte Saison stark. Die Saison soll bis 30. Juni beendet werden. Zu den Überlegungen gehört auch, alle Spiele auf neutralem Grund in London und Burton upon Trent durchzuführen. Bei einem Gipfeltreffen der Liga am Freitag, 17. April wollen die Vereine die Vorschläge diskutieren.

Spanien Die Primera Division will den Spielbetrieb laut Liga-Präsident Javier Tebas Ende Mai, spätestens aber Ende Juni wieder aufnehmen. Die Saison würde mit Geisterspielen und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zu Ende gespielt.

Champions League Die Uefa denkt spanischen Medienberichten zufolge über ein Final-8-Turnier im August nach. Die Viertel- und Halbfinals sollen demnach jeweils in einem einzelnen Spiel ausgetragen werden, statt wie üblich in Hin- und Rückspiel. Allerdings sind noch nicht alle Achtelfinals beendet.

Innerhalb Sport-Sender wie «ESPN» kommt Faucis Vorschlag ebenfalls gut an. Eine Rückkehr des Sports könne die Moral der Leute heben, findet ein Reporter. Voraussetzung müsse aber sein, dass die Corona-Tests für die ganze Bevölkerung zugänglich seien. Die Sportler dürften bei den Test-Kits keine Sonderbehandlung geniessen.

Das sind schöne Worte. Doch letztlich geht es vor allem um Geld. Durch die TV-Verträge fliessen Millionen an Dollar in die Kassen der Vereine. Sport-Sender freuen sich über hohe Einschaltquoten. Die Gesundheitsexperten müssen die Entscheidung für oder gegen eine Fortsetzung der Sport-Ligen frei von diesen Überlegungen treffen.

Das weiss auch Anthony Fauci, der sich diese Woche erstmals offen als Baseball-Fan outete: «Ich lebe in Washington, wir haben die amtierenden Titelträger der Washington Nationals hier. Ich will sie wieder spielen sehen.» Da war Fauci für einmal ganz auf einer Linie mit seinem Chef.