Seine Niederlage gegen den Usbeken Denis Istomin, die Weltnummer 117, kam mehr als überraschend. Abseits des Courts macht Novak Djokovic alles für seine Suche nach dem Erfolg. Denn seit 2011 setzt sich der Serbe immer wieder in eine Kammer, die Höhenfluft simuliert.
Am Ende will er nur noch weg. Weg von der Anlage, weg aus Melbourne, weg von den Fragen nach der Krise. Aber vielleicht ist es auch sein Glück, dass er am Donnerstag nicht in fünf Sätzen gewinnt. Denn darum muss sich Novak Djokovic auch nicht der Frage stellen, wie er sich nun erhole.
Fragen, die unangenehm hätten sein können. Denn auf der Suche nach den Ingredienzen des Erfolgs bewegt sich der 29-Jährige oft im Graubereich des Erlaubten. Seit 2011 setzt sich der Serbe immer wieder in eine Kammer, die Höhenfluft simuliert.
Beim 75 000 Franken teuren Konstrukt des kalifornischen Herstellers CVAC, als «Ei des Djokovic» bezeichnet, handelt es sich um eine Variante der von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada 2006 als «Verstoss gegen den Spirit des Sports» kritisierten, aber nicht verbotenen Sauerstoffzelte.
«Man fühlt sich wie in einem Raumschiff», sagt Djokovic damals dem «Wall Street Journal». Vor den Australian Open bestätigt er, dass er beabsichtigt, die Druckkammer zwischen Partien erneut nutzen zu wollen.
643 Chapel Street in South Yarra, vier Kilometer östlich von Melbournes Zentrum. Zwischen einem Süsswarenhersteller und einem Coiffeursalon hat sich Oxymed Australia eingemietet. Hinter grauen Backsteinen verbergen sich vier dieser Druckkammern, jeweils 1,20 Meter breit und 3,50 Meter lang. Hier ging in den letzten Jahren Novak Djokovic ein und aus.
Bilder kursieren, die ihn mit Besitzer Malcolm R. Hooper strahlend und Arm in Arm zeigen. Eine Verbindung, die Djokovic in Erklärungsnot hätte bringen können. Denn mit seinen Methoden ist Hooper ins Visier der Justiz geraten. Vor vier Jahren wird ihm von einem Zivilgericht des Bundesstaats Victoria die Zulassung als Chiropraktiker entzogen und ihm wird untersagt, einen Doktortitel zu führen.
Hooper hatte einem gelähmten Patienten Heilung versprochen und diesen um 45 000 Australische Dollar geprellt. Glaubt man Oxymed, gibt es kaum ein Gebrechen, das nicht mit Sauerstoff therapiert werden kann. Darunter Autismus, Aids, Alzheimer, Krebs, Depressionen, Multiple Sklerose. Unter dem Namen «Heal the Warriors» verspricht Hooper Kriegsveteranen Linderung gegen posttraumatische Belastungsstörungen.
Vor einem Jahr stirbt ein Patient in einer der Druckkammern an einem Herzinfarkt. Die Gesundheitsbehörde gibt Warnungen heraus und untersucht den Fall. Trotzdem praktiziert Oxymed unter Hooper munter weiter. Weil die Sauerstofftherapie in Australien nicht zur Schulmedizin zählt, gibt es keine zuständige Aufsichtsbehörde.
Verbürgt ist auch die Verwicklung in den grössten Dopingskandal Australiens. Ab 2011 verabreicht ein Team um den inzwischen lebenslänglich gesperrten Sportwissenschafter Stephen Dank den Spielern des Football-Teams Essendon Bombers zahlreiche Substanzen. Einer der Schauplätze: 643 Chapel Street in South Yarra, die Räumlichkeiten von Oxymed, das damals noch unter dem Namen Hypermed firmiert.
Die «Herald Sun» berichtet von 112 Injektionen mit nicht näher beschriebenen Aminosäuren und 32 Spritzen eines Präparats, das Alzheimer-Patienten helfen soll, hergestellt aus Schweinehirn-Protein. Es ist eine Hypermed-Rechnung über 61 000 Dollar für Überdruck- und Vakuumbehandlungen sowie Injektionen, welche die australische Anti-Doping-Behörde Asada aufhorchen lässt.
Hoopers Rolle aber bleibt unklar und seine Behandlungen sind nicht untersagt. Während 34 Spieler gesperrt werden, taucht sein Name in keinem einzigen Bericht der Asada auf, obwohl er mit seiner Beteiligung prahlt. Auf Anfrage schreibt er: «Wir weisen immer wieder darauf hin, dass die Leistungssteigerung auf die Sauerstofftherapie zurückzuführen ist.» Als die «Schweiz am Sonntag» die Asada damit konfrontiert, laufen in den Büros in Canberra offenbar die Drähte heiss.
Ob Hooper in Europa sei, will eine Sprecherin wissen. Den Fragenkatalog beantwortet sie erst viel später so: «Weil es für Beteiligte zum Problem werden könnte, kommentieren wir keine Einzelfälle.» Das legt den Schluss nahe, dass Hooper, der für die Sportgerichtsbarkeit uninteressant ist, von einer Kronzeugenregelung profitiert.
«Die Kombination von hochkonzentriertem Sauerstoff und hohem Druck verwandelt den Sauerstoff in eine effektive Droge, die spürbare Leistungssteigerungen zur Folge hat», steht in einem Pamphlet, das Hooper als «The Holy Grail» (Heiliger Gral) nennt. Novak Djokovic ist unbescholten. Er hat nie gedopt. Es liegen auch keine Verdachtsmomente gegen ihn vor. Er hat im letzten Jahr mehr als 20 Blut- oder Urinproben abgegeben – während Turnieren und ausserhalb.
Im Streben nach Perfektion bewegt er sich aber zuweilen in einem gefährlichen Graubereich. Ob Djokovic auch in diesem Jahr in den Druckkammern von Oxymed war, will niemand kommentieren, zumal der Titelverteidiger bereits am Donnerstag ausgeschieden ist. Aber die Bilder, die ihn Arm in Arm mit Hooper zeigen, sind inzwischen von der Internetseite verschwunden.