Nationaltrainer Petkovic setzt auf bewährte Kräfte. Im Wissen, dass ihn seine Spieler in den Entscheidenden Momenten nie enttäuscht haben.
Der Auftakt ist geglückt. Die Schweiz gewinnt ihr erstes Spiel 2018 in Griechenland 1:0. Es war keine berauschende Leistung, aber eine grundsolide – garniert mit einem schönen Tor von Blerim Dzemaili (mehr dazu unten).
Das Spiel in Athen war der Aufgalopp ins WM-Jahr. In ein Jahr, in dem die Schweizer Nationalmannschaft wieder einmal Geschichte schreiben will. Konkret: irgendwie einmal einen Achtelfinal an einem grossen Turnier gewinnen. 2014 und 2016 ist das knapp misslungen. An der WM verlor die Schweiz gegen Argentinien nach Verlängerung (0:1). An der EM gegen Polen sogar erst nach Penaltyschiessen (zuvor 1:1). Die Niederlagen sind verdaut, und doch sind die Wunden der Vergangenheit noch nicht ganz geheilt.
Das grosse Ziel dieser Schweizer Generation um Sommer, Behrami und Lichtsteiner bleibt also dasselbe. Und doch scheinen die Stolpersteine grösser als auch schon. Das liegt primär an den Gegnern, auf welche die Schweizer treffen werden. Brasilien, Serbien und Costa Rica – erstmals seit langem hat das Glück die Schweiz bei einer Auslosung verlassen. Nüchtern betrachtet, gilt darum: Bereits die Qualifikation für den Achtelfinal wäre ein Erfolg. Ob es dann zum grossen Duell gegen Weltmeister Deutschland kommt, darf Trainer Vladimir Petkovic und sein Team noch nicht interessieren.
Die Stimmung rund um das Nationalteam ist hervorragend. Das ist, drei Monate vor der WM, nicht ganz unwichtig. Und sollte Petkovic ermöglichen, sich ganz auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Der Unterschied zu den letzten Monaten vor der EM ist frappant. Vor zwei Jahren kämpfte Petkovic mit einigen Problemen an allen Ecken und Enden. Mittendrin: er selbst. Er kämpfte um Anerkennung. Um Akzeptanz auch. Gleichzeitig witterte er ständig Misstrauen. Intern wie extern. Petkovic gefiel die öffentliche Wahrnehmung der Leistungen seines Teams und seiner selbst ganz und gar nicht. Seine Vertragsverlängerung zog sich gefühlt ewig hin. Die Beziehung zwischen Nationalteam und Petkovic ähnelte eher einer Zweckehe denn der grossen Liebe.
Das Team selbst hatte mit dem Balkangraben zu kämpfen. Die verschiedenen Gruppen der Spieler mussten erst wieder aufeinander zugehen. Dazu kam, dass mit Gökhan Inler der Captain immer mehr Einfluss verlor, ehe er wegen fehlender Einsatzzeiten von Petkovic gar nicht mehr aufgeboten wurde.
Es war das Zeichen des Trainers, dass er für einen Neuanfang bereit ist. Er rang sich durch, sich zu öffnen. Ging aktiv auf die Spieler aller Gruppierungen zu, brachte jeden Einzelnen dazu, die Probleme offen anzusprechen und auf den Tisch zu bringen. Petkovic wurde belohnt dafür. Die Mannschaft fand sich immer besser. Spielte eine gute EM. Gestoppt von den Polen. Petkovic sagte später einmal: «Ich bin überzeugt, wir hätten das Spiel gewonnen, wenn in den Monaten davor mehr Ruhe geherrscht hätte.»
Sein Team nahm den Schwung jedenfalls gleich mit. Es folgte die beste WM-Qualifikation einer Schweizer Equipe überhaupt. Doch trotz neun Siegen aus zehn Spielen gelang die direkte WM-Qualifikation nicht. Aber die Erfahrungen in der nervenaufreibenden Barrage gegen Nordirland dürften im Reifeprozess noch einmal geholfen haben. Und die Gruppe weiter zusammengeschweisst haben. So sehr, dass Petkovic nun überzeugt ist, die optimalen Voraussetzungen für eine erfolgreiche WM vorzufinden. Petkovic gefällt, wie sich seine Mannschaft entwickelt hat. Er sieht darum auch keinerlei Grund, Veränderungen vorzunehmen.
Nicht einmal bei den Ergänzungsspielern. Er setzt lieber auf bewährte Kräfte. Darauf, dass sich die natürlichen Hierarchien bewähren. Egal, ob Spieler wie Seferovic, Schär oder Dzemaili schwierige Zeiten hinter sich haben. Auch im Wissen, dass ihn seine Spieler in den entscheidenden Momenten nie enttäuscht haben. Das ist eine bemerkenswerte Qualität. Eine Qualität, die auch dazu geführt hat, dass Petkovic statistisch gesehen der beste Schweizer Nationaltrainer der Geschichte ist.
Lichtsteiner, Behrami und Sommer sind die Chefs dieser Equipe. Xhaka nimmt auf dem Feld die Rolle des Gehirns ein. Daneben ist auch Shaqiri unverzichtbar. Seine Formkurve zeigte in den vergangenen Monaten steil aufwärts. Dass er nun in diesen Tagen eine Ruhepause erhält, könnte sich an der WM positiv auswirken.
Ob all der positiven Anzeichen nun gleich in Euphorie zu verfallen, wäre aber verfrüht. Denn trotz der bemerkenswerten Ruhe gibt es einige kleine Sorgen, die sich vor der WM noch zu echten Problemfällen vergrössern könnten. In Erinnerung bleiben vorab die Pfiffe des eigenen Publikums in der Barrage gegen Haris Seferovic.
Der Stürmer dreht sich auch nach dem x-ten Neuanfang im Kreis. Wie sich die Beziehung des Publikums zu ihm entwickelt, wird ein erstes Mal am Dienstag in Luzern gegen Panama zu sehen sein. Zudem haben in letzter Zeit die Meldungen von Schweizer Nationalspielern zugenommen, die in ihren Klubs nur noch Ersatzspieler sind.
Am 17. Juni beginnt für die Schweiz die WM. Gegen Brasilien. Dann wird ein erstes Mal sichtbar, wie reif diese Schweizer Generation mittlerweile ist. Die Spieler selbst lassen keine Zweifel offen. Sie sind bereit, um neue Helden-Geschichten zu schreiben.