Eishockey
Die Schweiz erleidet eine Schmach – na und?

Die Zuversicht der Schweizer ist auch nach der WM-Startniederlage gegen Kasachstan (2:3 nach Penaltyschiessen) gross.

Klaus Zaugg
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Schweiz - Kasachstan

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«Die Kunst der Niederlage» ist der Titel eines Buches von Holger Afflerbach. Und Ralph Krueger, der legendäre Nationaltrainer (von 1997 bis Olympia 2010) ist mit einem Bestseller über den Umgang mit Misserfolg («Teamlife: Über Niederlagen zum Erfolg») weit über die Hockeyszene hinaus berühmt geworden.

Wir sehen also: es gibt nicht nur peinliche, dumme, vermeidbare oder schmähliche Niederlagen. Der sportliche Untergang kann auch kunstvoll sein oder gar zum Erfolg führen. Was für unseren Nationaltrainer Patrick Fischer überaus tröstlich ist. Er hat bei seinem WM-Debüt in Moskau soeben gegen Kasachstan 2:3 nach Penaltys verloren.

Eine überraschende Pleite. Aber auch eine kunstvolle Niederlage. Und vielleicht sogar eine, die zum Erfolg führt.

Kunstvoll deshalb, weil der haltbarste Treffer eine Rolle spielt, den die Schweizer seit der Rückkehr in die A-WM (seit 1998) kassiert haben. Dieses Gegentor wird auf Youtube um die Welt gehen. Das Internet globalisiert ein Missgeschick.

Ein futzdummes Tor

Die Schweiz spielt Powerplay. Roman Savchenko trifft mit einem Befreiungsschlag aus der eigenen Zone zum 1:1. «So ein Tor habe ich auch noch nie gesehen» wird Nationaltrainer Patrick Fischer hinterher sagen. «Es war – bitte entschuldigen Sie den Ausdruck – ein futzdummes Tor», wird die entwaffnend ehrliche Selbstanalyse von Reto Berra sein.

Die Schweizer haben gegen einen Gegner verloren, der letztmals 2006 auf diesem WM-Niveau spielte und zuletzt 21-mal in Serie verloren hat. Allerdings will eine Auftaktniederlage bei einem WM-Turnier wenig heissen. Die Finnen holten beispielsweise die erste Medaille ihrer Geschichte beim Olympischen Turnier von 1988 nach einer peinlichen Auftaktpleite (1:2) gegen ... die Schweiz.

Die Frage ist nun, wie die Schweizer auf diesen Fehlstart reagieren. Vor einem Jahr reichte es nach einer Startpleite gegen den späteren Absteiger Österreich (3:4 n. P.) trotzdem für die Viertelfinals. Was ja jetzt auch wieder möglich ist.

Daher ist die Stimmung bei Trainer Patrick Fischer und seinen Jungs nach der Schmach gegen Kasachstan erstaunlich ruhig, beinahe heiter. Die Zuversicht ist unerschütterlich, das Selbstvertrauen glänzt nach wie vor wie eine schimmernde Wehr. Aus den verschiedenen Aussagen und Analysen liesse sich ein Lehrbuch über den Umgang mit sportlichen Niederlagen schreiben.

«Wir müssen diese Niederlage wegstecken. Nach einem Sieg nicht euphorisch werden, nach einer Niederlage nicht den Mut verlieren – so ist das bei einem Turnier.» (Reto Berra). «Es war manchmal schon fast zum Verzweifeln. Aber wenn wir so weiterspielen, dann werden die Pucks reinfallen.» (Rafael Diaz).

«Die Marschrichtung stimmt. Wir müssen ruhig bleiben und an uns glauben. Wir haben vieles richtig gemacht und sehr vieles hat mir gefallen. Wir dominierten den Gegner, wir spielten mutig vorwärts und die Moral ist gut. Wir liessen uns auch durch Missgeschicke nicht entmutigen.» (Patrick Fischer). Zusammengefasst: Schmählich verloren – na und?

Norwegen muss besiegt werden

Ist diese Zuversicht ein Irrtum? Nein. Wer ohne Bosheit ist, sieht es so: Wenn eine Mannschaft zu überlegen ist, dann drängen sich meistens zehn Feldspieler vor dem Tor zusammen, es gibt keine freien Räume, immer wieder lenkt doch noch ein Bein oder Arm oder ein Stock die Scheibe ab. Es ist die Blaupause für den Klassiker «die bessere Mannschaft hat verloren».

2015 haben die Schweizer nach der Startniederlage das zweite Spiel (3:1 gegen Frankreich) gewonnen. Am Sonntag folgt die zweite WM-Partie gegen Norwegen (15.15 Uhr / live SRF 2). Eine zweite Pleite wäre schon fast das Ende aller Hoffnungen. Gefragt wäre dann fortan die Kunst der Niederlage, die keiner so virtuos beherrscht wie der neue Verbandsdirektor Florian Kohler. Er ist der Gatte von TV-Moderatorin Steffi Buchli – und ein Hexenmeister des Marketings.