Wimbledon
Die letzten Stolpersteine: Roger Federer fehlen zwei Siege zum achten Titel in London

Roger Federer fehlen zwei Siege zum achten Wimbledon-Titel. Doch er warnt vor der ungewohnten Gesellschaft.

Simon Häring, London
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Roger Federer strebt heute in Wimbledon den elften Final-Einzug an.

Roger Federer strebt heute in Wimbledon den elften Final-Einzug an.

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Als Roger Federer vor einem Jahr nach Wimbledon den radikalsten Schnitt seiner Karriere vollzieht und die Saison abbricht, tut er das mit einem grossen Ziel im Kopf: In Wimbledon, bei jenem Turnier, wo er schon sieben Mal triumphiert hat, noch einmal den Pokal in die Höhe zu stemmen. Auch wenn er selber nach seinen beiden Final-Niederlagen gegen Novak Djokovic vor zwei und drei Jahren sagt, es gebe für ihn noch andere wichtige Ziele als den Sieg an der Church Road, so richtet er seine Planung doch fast vollumfänglich auf die kurze Rasensaison mit dem Höhepunkt in London aus.

Gedankensprünge um den Globus

Selbst als er am Montagmorgen, dem 30. Januar, nach einer Stunde Schlaf im Carlton Park von Melbourne mit der Norman Brooks Trophy, dem Pokal für den 18. Grand-Slam-Sieg bei den Australian Open, unter dem Arm über seine märchenhafte Rückkehr spricht, schweift Federer mit seinen Gedanken kurz um 17 000 Kilometer Luftlinie nach London ab. Sein Ziel sei es immer gewesen, vor oder nach dem dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres wieder zu den Top 8 der Welt zu gehören. Schliesslich wäre er bei einer frühen Niederlage in Australien aus den Top 30 der Weltrangliste gefallen.

Die bisherigen Gegner:

1. Runde Gegner: Alexandr Dolgopolov (UKR), 6:3, 3:0
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2. Runde Gegner: Dusan Lajovic (SRB), 7:6, 6:3, 6:2
3. Runde Gegner: Mischa Zverev (GER), 7:6, 6:4, 6:4
Achtelfinal Gegner: Grigor Dimitrov (BUL), 6:4, 6:2, 6:4
Viertelfinal Gegner: Milos Raonic (CAN), 6:4, 6:2, 7:6

1. Runde Gegner: Alexandr Dolgopolov (UKR), 6:3, 3:0

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Selbst von der Aussicht, noch einmal die Nummer eins zu werden, lässt er sich nicht verführen. Im April sagte Federer, nachdem er in Indian Wells und Miami zwei weitere wichtige Titel gewonnen hatte, so eigenartig das klinge, aber für ihn beginne die Saison erst im Sommer richtig. Dann, wenn auf Rasen gespielt wird. Dann, wenn Wimbledon vor der Tür steht. Seinen Turnierkalender hält er noch schlanker als in den Jahren zuvor und bestreitet nun erst das siebte Turnier seit der Rückkehr vor einem halben Jahr.

Welche Bedeutung Wimbledon für Federer hat, ist in jeder Entscheidung der letzten Monate zu erkennen. Die zentralste ist der Verzicht auf die gesamte Sandsaison. Stattdessen legt er eine zehnwöchige Pause ein und trainiert in der Schweiz auf Rasen, ehe er im Juni in Stuttgart in den Tennis-Zirkus zurückkehrt. «Natürlich schmerzte es, erstmals einen Grand Slam auszulassen, obschon ich zu 100 Prozent fit gewesen wäre. Aber ich will mir nichts vorwerfen müssen, nicht alles unternommen zu haben, um mir die besten Chancen auf Rasen zu geben.»

Als Sieger in Halle, Nummer drei der Wimbledon-Setzliste, körperlich in bester Verfassung und mental frisch reist er mit einem kurzen Zwischenstopp in der Schweiz bereits am Montag vor dem Turnier an. Mit seiner Familie bezieht er ein Haus in unmittelbarer Nähe zur Anlage, seine Entourage, bestehend aus den Trainern Severin Lüthi, Ivan Ljubicic und Physiotherapeut Daniel Troxler, bringt er in einem weiteren unter. Selbst bei der Ernährung überlässt er in diesem Jahr nichts dem Zufall. In Wimbledon sorgt ein eigener Koch für das leibliche Wohl der Familie.

Federers ungewohnte Nervosität

Mit 16 Titeln ist Federer auf Rasen der erfolgreichste Spieler der Geschichte. Und weil Novak Djokovic, Andy Murray und Rafael Nadal mehr mit sich beschäftigt sind, gilt er schnell als Favorit. Eine Rolle, gegen die er sich nicht wehrt. Und doch wirkt er zu Beginn des Turniers leicht angespannt. Nach der zweiten Runde spricht er von einer ungewohnten Nervosität, die er kaum habe abschütteln können. «Es war unangenehm und ich konnte es mir nicht wirklich erklären.» Eine Rolle mag auch der leichte Schnupfen gespielt haben, der ihn zu Beginn beschäftigte.

Diese Gegner warten noch auf Federer:

Halbfinal: Tomas Berdych (31, ATP 15) Seit 2010 hat Berdych jedes Jahr in den Top Ten beendet. Auf einen grossen Titel wartet er aber noch. Gegen Federer hat er die letzten sieben Duelle verloren und weist eine 6:18-Bilanz auf, fügt ihm aber bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen, in den Wimbledon-Viertelfinals 2010, wo er danach den Final erreicht, und 2012 in den US-Open-Viertelfinals drei schmerzhafte Niederlagen zu. Im Januar gewinnt Federer in Australien klar in drei Sätzen. In Miami aber erst im Tiebreak des dritten Satzes. In Wimbledon muss Berdych gegen Dominic Thiem über fünf Sätze und profitiert in den Viertelfinals von der Aufgabe Novak Djokovics. Berdych hat in seiner Karriere bisher 13 Titel gewonnen.
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Möglicher Finalgegner: Marin Cilic (28, ATP 6) Vor einem Jahr gewinnt Roger Federer in den Viertelfinals von Wimbledon gegen Marin Cilic zum zehnten Mal in seiner Karriere eine Partie nach 0:2-Satzrückstand und wehrt dabei drei Matchbälle ab. Nach drei Viertelfinal-Niederlagen von 2014 bis 2016 steht Cilic in Wimbledon erstmals in den Halbfinals. In den Viertelfinals muss er gegen Nadal-Bezwinger Gilles Muller in einem Spiel über 3:30 Stunden seine einzigen zwei Sätze im Turnierverlauf abgeben. Cilic hat in seiner Karriere 17 Turniere gewonnen. Federer weist gegen Cilic eine 6:1-Bilanz auf, hat aber 2014 in den Halbfinals der US Open in 3 Sätzen verloren. Cilic gewinnt danach auch das Turnier.
Möglicher Finalgegner: Sam Querrey (29, ATP 28) Im 42. Anlauf steht der Kalifornier zum ersten Mal in seiner Karriere und als erster Amerikaner seit Andy Roddick 2009 in Wimbledon in den Halbfinals eines Grand-Slam-Turniers. Querrey schaltet in diesem Jahr mit Andy Murray und im letzten Jahr mit Novak Djokovic den jeweiligen Wimbledon-Titelverteidiger und die aktuelle Nummer eins der Welt aus. Auf dem Weg in den Halbfinal muss er drei Mal in Folge über fünf Sätze und steht während 12:39 Stunden auf dem Platz. Dafür kommt Querrey auch bereits auf 126 Asse. Er hat in seiner Karriere neun Titel gewonnen, zuletzt im Februar in Acapulco, wo er im Final Rafael Nadal bezwingt. Gegen Federer ist er in drei Vergleichen noch ohne Satzgewinn.

Halbfinal: Tomas Berdych (31, ATP 15) Seit 2010 hat Berdych jedes Jahr in den Top Ten beendet. Auf einen grossen Titel wartet er aber noch. Gegen Federer hat er die letzten sieben Duelle verloren und weist eine 6:18-Bilanz auf, fügt ihm aber bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen, in den Wimbledon-Viertelfinals 2010, wo er danach den Final erreicht, und 2012 in den US-Open-Viertelfinals drei schmerzhafte Niederlagen zu. Im Januar gewinnt Federer in Australien klar in drei Sätzen. In Miami aber erst im Tiebreak des dritten Satzes. In Wimbledon muss Berdych gegen Dominic Thiem über fünf Sätze und profitiert in den Viertelfinals von der Aufgabe Novak Djokovics. Berdych hat in seiner Karriere bisher 13 Titel gewonnen.

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Letztmals gewinnt er vor acht Jahren in Wimbledon ein Grand-Slam-Turnier, ohne dabei gegen Nadal, Djokovic oder Murray gespielt zu haben. 2014 misslingt ihm das, als er im Halbfinal der US Open an Marin Cilic scheitert. Federer sagt: «Ich habe es nicht alleine in der Hand. Alle drei sind grösser und stärker als ich.» Dass er in Wimbledon 100 Spiele bestritten habe, mache ihn sehr stolz. «Mich in der Geschichte dieses Turniers zu verewigen, macht mich sehr stolz.» Der achte Wimbledon-Sieg wäre für den Mann, der am 8. 8. 1981 zur Welt kam, zweifellos der bedeutsamste.