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Roger Federer fehlen zwei Siege zum achten Wimbledon-Titel. Doch er warnt vor der ungewohnten Gesellschaft.
Als Roger Federer vor einem Jahr nach Wimbledon den radikalsten Schnitt seiner Karriere vollzieht und die Saison abbricht, tut er das mit einem grossen Ziel im Kopf: In Wimbledon, bei jenem Turnier, wo er schon sieben Mal triumphiert hat, noch einmal den Pokal in die Höhe zu stemmen. Auch wenn er selber nach seinen beiden Final-Niederlagen gegen Novak Djokovic vor zwei und drei Jahren sagt, es gebe für ihn noch andere wichtige Ziele als den Sieg an der Church Road, so richtet er seine Planung doch fast vollumfänglich auf die kurze Rasensaison mit dem Höhepunkt in London aus.
Selbst als er am Montagmorgen, dem 30. Januar, nach einer Stunde Schlaf im Carlton Park von Melbourne mit der Norman Brooks Trophy, dem Pokal für den 18. Grand-Slam-Sieg bei den Australian Open, unter dem Arm über seine märchenhafte Rückkehr spricht, schweift Federer mit seinen Gedanken kurz um 17 000 Kilometer Luftlinie nach London ab. Sein Ziel sei es immer gewesen, vor oder nach dem dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres wieder zu den Top 8 der Welt zu gehören. Schliesslich wäre er bei einer frühen Niederlage in Australien aus den Top 30 der Weltrangliste gefallen.
Selbst von der Aussicht, noch einmal die Nummer eins zu werden, lässt er sich nicht verführen. Im April sagte Federer, nachdem er in Indian Wells und Miami zwei weitere wichtige Titel gewonnen hatte, so eigenartig das klinge, aber für ihn beginne die Saison erst im Sommer richtig. Dann, wenn auf Rasen gespielt wird. Dann, wenn Wimbledon vor der Tür steht. Seinen Turnierkalender hält er noch schlanker als in den Jahren zuvor und bestreitet nun erst das siebte Turnier seit der Rückkehr vor einem halben Jahr.
Welche Bedeutung Wimbledon für Federer hat, ist in jeder Entscheidung der letzten Monate zu erkennen. Die zentralste ist der Verzicht auf die gesamte Sandsaison. Stattdessen legt er eine zehnwöchige Pause ein und trainiert in der Schweiz auf Rasen, ehe er im Juni in Stuttgart in den Tennis-Zirkus zurückkehrt. «Natürlich schmerzte es, erstmals einen Grand Slam auszulassen, obschon ich zu 100 Prozent fit gewesen wäre. Aber ich will mir nichts vorwerfen müssen, nicht alles unternommen zu haben, um mir die besten Chancen auf Rasen zu geben.»
Als Sieger in Halle, Nummer drei der Wimbledon-Setzliste, körperlich in bester Verfassung und mental frisch reist er mit einem kurzen Zwischenstopp in der Schweiz bereits am Montag vor dem Turnier an. Mit seiner Familie bezieht er ein Haus in unmittelbarer Nähe zur Anlage, seine Entourage, bestehend aus den Trainern Severin Lüthi, Ivan Ljubicic und Physiotherapeut Daniel Troxler, bringt er in einem weiteren unter. Selbst bei der Ernährung überlässt er in diesem Jahr nichts dem Zufall. In Wimbledon sorgt ein eigener Koch für das leibliche Wohl der Familie.
Mit 16 Titeln ist Federer auf Rasen der erfolgreichste Spieler der Geschichte. Und weil Novak Djokovic, Andy Murray und Rafael Nadal mehr mit sich beschäftigt sind, gilt er schnell als Favorit. Eine Rolle, gegen die er sich nicht wehrt. Und doch wirkt er zu Beginn des Turniers leicht angespannt. Nach der zweiten Runde spricht er von einer ungewohnten Nervosität, die er kaum habe abschütteln können. «Es war unangenehm und ich konnte es mir nicht wirklich erklären.» Eine Rolle mag auch der leichte Schnupfen gespielt haben, der ihn zu Beginn beschäftigte.
Letztmals gewinnt er vor acht Jahren in Wimbledon ein Grand-Slam-Turnier, ohne dabei gegen Nadal, Djokovic oder Murray gespielt zu haben. 2014 misslingt ihm das, als er im Halbfinal der US Open an Marin Cilic scheitert. Federer sagt: «Ich habe es nicht alleine in der Hand. Alle drei sind grösser und stärker als ich.» Dass er in Wimbledon 100 Spiele bestritten habe, mache ihn sehr stolz. «Mich in der Geschichte dieses Turniers zu verewigen, macht mich sehr stolz.» Der achte Wimbledon-Sieg wäre für den Mann, der am 8. 8. 1981 zur Welt kam, zweifellos der bedeutsamste.