Super League
Die Konkurrenz sieht den FC Basel nur mit dem Fernglas: Was tun gegen die Langeweile im Meisterkampf?

Gewinnt der FC Basel heute Sonntag gegen GC, hat er nach 20 Spieltagen bereits 15 Punkte Vorsprung auf die Hoppers. Und es deutet vieles darauf hin, dass sich diese Problematik in der Super League weiter verschärfen wird. Was tun gegen die Langeweile? Die «Schweiz am Sonntag» sagt, wie die anhaltende Tristesse im Meisterrennen der Super League zu verbannen ist.

Sebastian Wendel und Michael Wehrle
Drucken
Eine Karikatur, die das Geschehen in der Super League mit einem Augenzwinkern darstellt.

Eine Karikatur, die das Geschehen in der Super League mit einem Augenzwinkern darstellt.

Nordwestschweiz

Spitzenspiel? Ja. Der FC Basel ist Erster, GC ist Zweiter. Aber der simple Blick auf die Rangliste verrät nur die halbe Wahrheit: Zwischen Rot-Blau und Blau-Weiss liegen satte 12 Punkte. Gewinnt der FCB heute Sonntag im Letzigrund, wären es sogar 15 Punkte. Und das nach 20 Spieltagen. 15 Punkte Vorsprung nach 20 Spieltagen gab es erst ein Mal seit Bestehen der Super League: Und zwar in der Gründungssaison 2003/04, als Basel 15 Punkte vor den Young Boys lag. 15 Punkte Vorsprung hat noch kein Tabellenführer verspielt – nicht einmal YB, dem in der Saison 2010/11 14 Punkte Vorsprung auf den FCB nicht zum Titel reichten.

Bei einem FCB-Sieg stünde der Meister fest. Man stelle sich vor: Der FCB müsste fünfmal in Folge verlieren, GC fünfmal in Folge gewinnen, damit die beiden Teams in der Tabelle gleichauf wären. Und in den restlichen Partien müsste GC mindestens genauso viele Punkte wie der FCB holen, um Meister zu werden. Ein unvorstellbares Szenario. Eher ist der Letzigrund heute Sonntag bis auf den letzten Platz gefüllt, als dass sich der FCB den siebten Meistertitel in Folge noch wegschnappen lässt.

Der FCB auf der internationalen Bühne

Aber wie konnte es so weit kommen, dass wir den Meister küren, bevor der Frühling überhaupt begonnen hat? Über allem steht die Kompetenz der Basler Klubführung, die seit Jahren den FCB-Dampfer sicher über jede noch so hohe Welle steuert. Hingegen machten andere Vereine wie der FC Zürich Fehler, als sie statt dem FCB für einmal vom Geldregen in der Champions League profitierten. Die Chance, die Lücke zum Riesen vom Rheinknie zu schliessen oder zumindest zu verkleinern, wurde leichtfertig vertan. So scheffelt der FCB jedes Jahr Millionen aus dem Pott der Uefa, verkauft dank der Europacup-Bühne seine Spieler für teures Geld und entfernt sich dadurch immer mehr von der nationalen Konkurrenz. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar gross, dass der FCB (zurzeit 18 Titel) seinen Titellauf fortsetzt und im Jahr 2025 mit Titel Nummer 28 GC als Rekordmeister ablöst.

Müssen die Fans sich also damit abfinden, dass die wichtigste Frage jedes Wettbewerbs, jene nach dem Meister, immer weiter in den Hintergrund rückt und nur noch der Kampf gegen den Abstieg und um Plätze in der Europa-League-Qualifikation Spannung bietet? Bleibt alles beim Alten, scheint es für die anderen Vereine jedenfalls unmöglich, die Basler Phalanx zu durchbrechen: GC spielt zweifellos eine lobenswerte Saison, bewegt sich aber auf dem Platz und finanziell am Limit – und hat trotzdem schon 12 Punkte Rückstand auf den FCB. In der gleichen Stadt schaufelt sich der FC Zürich gerade sein eigenes Grab. Und YB? Tja, YB ist YB. Ob mit Niedermaier, Kaenzig oder Bickel als Sportdirektor; ob mit Andermatt, Petkovic, Gross, Rueda, Forte oder Hütter als Trainer – die Berner versuchen es seit Jahren mit verschiedenen Charakteren am Steuerrad, keiner lenkte YB auf Titelkurs. Selbst Christian Gross, der dem FCB einst die Siegermentalität einimpfte, schaffte das in Bern nicht.

Es kann folglich nur eine Lösung geben, um aus dem Meisterkampf wieder das zu machen, was der Begriff suggeriert: Es braucht einen künstlichen Eingriff, die Super League muss auf den Operationstisch. Damit wir uns richtig verstehen: Der FC Basel kann gerne auch in den nächsten 30 Jahren Meister werden. Aber er soll sich auf dem Weg dahin wieder quälen müssen, er soll von den Herausforderern bis auf das Letzte gefordert werden. Das Zauberwort heisst: Modusänderung! Die «Schweiz am Sonntag» schlägt drei Modelle vor:

Rückkehr zum Strichmodus

Die Super League wird aufgestockt auf zwölf Klubs, ebenso die Challenge League. Nach 22 Spieltagen (Jeder gegen Jeden, Hin- und Rückspiel) machen die Teams auf den Rängen 1 bis 8 der Super-League-Tabelle den Meister unter sich aus. Der Modus: Jeder gegen Jeden, Hin- und Rückspiel, jedes Team startet mit der Hälfte der Punktzahl aus der Vorrunde. Die Teams auf den Rängen 9 bis 12 spielen gegen die vier Besten der Challenge League um den Verbleib in der Super League, alle Teams starten mit null Punkten. Der Tabellenletzte der Challenge League steigt in die Promotion League ab.

Playoffs wie im Eishockey

Die Super League wird aufgestockt auf zwölf Klubs. Nach 18 Spieltagen folgt die Zäsur: Die Teams auf Rang 1 bis 8 sind qualifiziert für die Meister-Playoffs; gespielt wird im Modus Best-of-Five. Die Teams auf Rang 9 bis 12 spielen gegen die vier Besten der Challenge League um den Verbleib in der Super League (Ligamodus, Jeder gegen Jeden, Hin- und Rückspiel, alle Teams starten mit null Punkten).

Vorbild Belgien

Die Jupiler Pro League in Belgien spielt seit der Saison 2009/10 im wohl kompliziertesten und skurrilsten Modus der Welt (siehe Grafik). Ähnlich wie früher in der Schweiz werden die 16 Mannschaften nach einer normalen Vorrunde (Jeder gegen Jeden, Hin- und Rückspiel) aufgeteilt. In Playoff I und Playoff II. Im Playoff I, der Meisterrunde, spielen die sechs besten Teams mit halbierten Punkten eine weitere Doppelrunde um den Titel. Die Mannschaften auf den Plätzen 7 bis 14 küren einen Sieger, der gegen den Vierten der Meisterrunde um einen Europacupplatz kämpft. Der Letzte steigt in diesem Jahr direkt ab, für den 15. ist die Meisterschaft zu Ende, weil die zweite Liga von 16 auf 8 Mannschaften reduziert wird. Bisher spielten der Letzte und der Vorletzte in fünf Spielen den direkten Absteiger aus – der sogenannte Playdown.

Schauen wir etwas genauer nach Belgien, von der Grösse und Wirtschaftlichkeit her vergleichbar mit der Schweiz: Auf den ersten Blick erscheint das Modell verrückt und kaum umsetzbar. So dachten auch die Belgier, als die Ligareform beschlossen wurde. Doch die Meinungen haben sich geändert. Viele reden von einem Erfolgsmodell, so auch der Journalist und Kenner des belgischen Fussballs Boris Cremer: «Die Meisterrunde ist eine Erfolgsgeschichte. Die Zuschauerzahlen sind hoch, die Spannung ist hoch, das Fernsehen überträgt viele Spiele.» Zum Vergleich: Die Jupiler Pro League kassiert für die TV-Rechte über 70 Millionen Franken pro Saison, die Swiss Football League für TV- und Marketingrechte hingegen nur gerade 24 Millionen.

Nordwestschweiz

Belgischer Nationaltrainer kritisiert System

Aber das belgische Modell hat auch Nachteile. Wer sich nicht für die Meisterrunde qualifiziert, leidet. «Die Spiele in den Playoffs II gleiten in die Bedeutungslosigkeit ab», sagt Cremer. Es komme teilweise sogar zu Spielen vor fast leeren Zuschauerrängen, weil es sportlich um wenig geht.

Kein Freund des Modus in der Jupiler Pro League ist aber ausgerechnet der belgische Nationaltrainer Marc Wilmots: «Das Liganiveau hat sich verschlechtert. Die Punkte zu halbieren, ist das falsche Signal.» Komisch, die Kritik aus Wilmots Mund: Seit der Ligareform werden mehr Spieler für mehr Geld aus Belgien in die Topligen verkauft. Und die belgische Nationalmannschaft profitiert ebenfalls, führt mittlerweile sogar die Fifa-Weltrangliste an.
Frage an Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League: Wäre ein anderer Modus auch für den Schweizer Fussball denkbar? Antwortet von Schäfer: «Wir machen uns immer wieder Gedanken. Doch momentan ist eine Modusänderung kein Thema, wir sind zufrieden. Wir sehen keine Vorteile gegenüber dem heutigen Modell.»

Das Playoff-Modell wie im Eishockey ist für Schäfer unvorstellbar: «Es würde sportlich zu lange um nichts gehen. Und wirtschaftlich würde dieser Modus den – meist wirtschaftlich schwächeren – Klubs schaden, die in den Playoffs früh ausscheiden.»

Dank Aarau, Schaffhausen und Wil zu 12er-Liga?

Hingegen ist die Wiedereinführung des Strichmodus ein latentes Gesprächsthema im Schweizer Fussball. Schäfer aber warnt davor: «Die Gefahr besteht, dass die Vereine in der Vorrunde mit aller Macht versuchen, unter die besten 8 zu kommen. Das schmälert die Chancen für junge Spieler, zu Einsätzen zu kommen, und verleitet die Klubs, sich mit Spielertransfers wirtschaftlich zu übernehmen.»

Und was sagt Schäfer dazu, in einem ersten Schritt die Super League auf 12 oder mehr Teams aufzustocken? «Das könnte durchaus ein Thema werden, wenn einige Vereine neue, moderne Stadien bekommen. Erst dann ist eine Vergrösserung des Teilnehmerfelds auch eine realisierbare Möglichkeit. Aber auch dann müssen wir wieder einen brauchbaren Modus finden.» Hoffnung diesbezüglich besteht: In Aarau, Schaffhausen und Wil sind neue Arenen geplant. Abschliessend sagt Schäfer aber: «Die Zehnerliga ist in einem kleinen Land wie der Schweiz unter allen möglichen Varianten in unseren Augen momentan die beste.»