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Der Morgen in Basel ist kalt und rau. Der Nebel sitzt über der Stadt. Es ist ein kleiner Vorgeschmack darauf, was die Schweizer Fussballer am Donnerstag in Nordirland erwartet. Am Mittag besammeln sich die Nationalspieler im Hotel.
Hier eine Umarmung, da ein freudiges Hallo. Die Stimmung ist gut. Etwas Gelassenheit kann bestimmt nicht schaden vor dieser WM-Barrage, die ziemlich nervenaufreibend werden könnte.
Am Nachmittag spricht Trainer Vladimir Petkovic zur Lage der Fussball-Nation. Zuerst einmal begrüsst er jeden der 26 Journalisten und Fotografen per Händedruck. Danach präsentiert er sich während 30 Minuten von seiner besten Seite. Unaufgeregt, zuversichtlich und fokussiert auf die kommende Aufgabe.
Direkt im Anschluss an die Auslosung war das noch anders. Da hinterliess Petkovic einen rätselhaften Eindruck. Und zeigte unmissverständlich seinen Ärger über die kritischen Töne nach der Niederlage in Portugal. Sie sind ihm ziemlich in den falschen Hals geraten. Dabei hätte er einfach vorleben können, was er selbst im Anschluss an das Spiel sagte: «Die Lehren aus der Niederlage ziehen – und weiter gehts.»
Wenn ihn etwas gestört hat, dann vor allem dies: «Dass wir nicht agiert haben.» Eines ist Petkovic aber wichtig: «Wir brauchen uns für diese Leistung nicht zu schämen. Unser Gegner war der Europameister, nicht irgendwer. Wir haben 27 Punkte geholt, am drittmeisten in ganz Europa.»
Und darum ist Petkovic auch überzeugt, dass sein Team in der Barrage eine gewisse Selbstsicherheit zeigen wird. «Wir treten die Aufgabe Nordirland mit Respekt an – aber ohne Angst. Ich möchte wieder jene Schweiz sehen, die ich in letzter Zeit kennen gelernt habe.» Jene Schweiz eben, die vor der Portugal-Pleite zehnmal in Serie gewonnen hat und dabei auch gute Haltungsnoten bewies.
Doch nun ist die Ausgangslage anders. Es warten die wichtigsten beiden Spiele seit der EM 2016 auf die Schweiz. Und die Frage ist: Wie robust ist diese Mannschaft? Kann sie die Widerstände überwinden? Petkovic ist überzeugt davon. Er sagt: «Alles, was war, gilt jetzt nicht mehr. Wir haben alles auf null gestellt, ziehen aus dem Negativ-Erlebnis von Portugal etwas Positives. Und dann sind wir bereit für das Wesentliche.»
Das Wesentliche bedeutet: Es sind Spieler gefordert, die mit Hingabe agieren. «Wir müssen den Nordiren mit denselben Mitteln antworten, die sie verwenden. Wir wollen den Kampf annehmen, in keinem Zweikampf das Bein zurückziehen. Und dann unsere technischen Qualitäten ausspielen.»
Hinspiele
Nordirland - Schweiz, Donnerstag 20.45
Kroatien - Griechenland, Donnerstag 20.45
Schweden - Italien, Freitag 20.45
Dänemark - Irland, Samstag 20.45
Rückspiele
Schweiz - Nordirland, Sonntag 18.00
Griechenland - Kroatien, Sonntag 20.45
Italien - Schweden, Montag 20.45
Irland - Dänemark, Dienstag 20.45
Auf 50 zu 50 beziffert Petkovic die Chancen auf eine Schweizer WM-Qualifikation noch immer. Es ist bestimmt nicht falsch, den Gegner als ebenbürtig anzusehen. Auch wenn er das in spielerischer Hinsicht gewiss nicht ist.
Doch diese spielerischen Qualitäten können nur dann helfen, wenn dabei «Schönspielerei» ausgeschlossen werden kann. Niemand wäre in dieser Hinsicht wichtiger als Vorkämpfer Valon Behrami. Dieser ist zwar eingerückt.
Wegen seiner muskulären Probleme im Oberschenkel muss Petkovic aber davon ausgehen, dass es frühestens im Rückspiel am Sonntag für einen Einsatz reicht. Auch bei Ricardo Rodriguez gibt es kleine Fragezeichen wegen einer Wadenverletzung. Tendenz: Alles kommt gut.
Damit dies für das gesamte Schweizer Team gilt, muss vor allem die Einstellung stimmen. «Es geht jetzt nicht mehr darum, neue Dinge einzustudieren. Es geht darum, mit frischem und klarem Kopf der Herausforderung entgegenzutreten.»
An erster Stelle gilt das auch für ihn, Petkovic. Es ist ihm mit Sicherheit bewusst, dass auch er an seiner bis anhin grössten Herausforderung als Schweizer Nationaltrainer gemessen wird. Barrage-Spiele hat die Schweiz seit 2005 und den Skandalen in der Türkei nie mehr erlebt.
Unter Vorgänger Ottmar Hitzfeld musste die jetzige Generation nie über diesen Umweg, die Weltmeisterschaften 2010 und 2014 erreichte sie auf direktem Weg, 2012 scheiterte sie in der EM-Qualifikation vorzeitig.
Im Sommer, noch vor den vier letzten WM-Qualifikationsspielen der Gruppenphase, verlängerte der Verband den Vertrag mit Petkovic vorzeitig bis Ende 2019. SFV-Präsident Peter Gilliéron begründete den neuen Kontrakt auch mit der Überzeugung, dass Petkovic selbst im Falle eines späten Scheiterns und der Nicht-WM-Teilnahme der Richtige für dieses Team ist.
Der überzeugendste Weg, dieses Vertrauen zu rechtfertigen, ist für Petkovic selbstredend ein Triumph über Nordirland.
Gelingt dies nicht, könnte der Vertrauensbeweis aber zur Bürde werden. Doch von diesem Horror-Szenario geht im Schweizer Lager selbstredend niemand aus. Und das ist gut so. Denn bei allem Respekt vor den Sekundär-Qualitäten Nordirlands: Wer an eine Weltmeisterschaft möchte, um da am liebsten den Viertelfinal zu erreichen, der darf ob der Hürde Nordirland nicht ins Straucheln geraten.
Als sich Vladimir Petkovic von seiner Audienz verabschiedet, blickt er noch einmal ruhig in die Runde. So, als wolle er sagen: Vertraut mir, es kommt gut.