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Der SC Bern hat Trainer Kari Jalonen per sofort freigestellt. Der 60-jährige Finne wird durch Hans Kossmann ersetzt. Die Analyse.
Trost findet SC-Bern-Manager Marc Lüthi in einem Hit, den Jürgen Drews vor 20 Jahren geträllert hat.
Wieder alles im Griff, auf dem sinkenden Schiff.
Keine Panik auf der Titanic.
Land in Sicht, wir sterben nicht.
So hätte es der allmächtige SCB-Zampano gerne. Nach der Entlassung von Trainer Kari Jalonen wieder alles im Griff und Playoff-Land in Sicht.
Aber so einfach ist es diesmal nicht. Auf der Hockey-Titanic SC Bern ist Panik ausgebrochen, und Marc Lüthi hat in seiner Sportabteilung schon lange gar nichts mehr im Griff.
Den SC Bern dürfen wir als Titanic bezeichnen: Mit 50 Millionen Umsatz der grösste Hockey-Konzern Europas und die höchsten Zuschauerzahlen Europas. Das Bayern München des europäischen Hockeys. Aber diese schiere Grösse und die ruhmreiche Geschichte sind dem SCB zum Verhängnis geworden.
Die Entlassung des finnischen Erfolgstrainers – in drei Jahren gewann er zwei Titel – ist eine Panikreaktion auf die sportliche Misswirtschaft.
Bayern München ist von einem Mann des Sportes – Uli Hoeness – gross gemacht worden. Der SCB von einem Mann des Geldes und der Vermarktung – von Marc Lüthi. Die «normalen» Hockeyklubs betreiben eine Sportabteilung und nebenher ein bisschen Stadiongastronomie. Der SCB ist inzwischen zu einem Gastrokonzern mit mehr als 15 Beizen geworden und betreibt nebenher noch ein bisschen Sport.
Im Sommer 2017 zügelte Sportchef Sven Leuenberger zu den ZSC Lions, um in Zürich Sportchef zu werden.
Sein meisterliches Erbe verlottert unter dem neuen SCB-Sportchef Alex Chatelain Stück für Stück.
Dank Kari Jalonen – einer der fähigsten Trainer der Welt – zeitigt die sportliche Misswirtschaft erst jetzt Folgen. Der Finne hat dafür gesorgt, dass der SCB in den letzten zwei Jahren weit über seinem nominalen Wert klassiert war und verleitete Marc Lüthi dazu, nichts mehr in die Sportabteilung zu investieren.
Die SCB-Transferbilanz der letzten zwei Jahre ist die miserabelste der Liga, und inzwischen hat der Meister mit Liga-Topskorer Mark Arcobello nur noch einen brauchbaren ausländischen Feldspieler. Keine Mannschaft der Liga kann es sich leisten, die Ausländerpositionen so schwach zu besetzen. Der Absturz in der Tabelle ist also logisch und nicht auf ein Problem mit dem Trainer zurückzuführen. Die Kabine beim SC Bern ist intakt, die Mannschaft nie auseinandergefallen.
Aber was tun, wenn sich die sportliche Misswirtschaft nun doch auf die Resultate auswirkt? Wenn auf einmal die nächsten Gegner Ambri und Langnau übermächtig scheinen, die Playoff-Qualifikation in Gefahr gerät, ein Abstiegskampf droht und Panik auf der Hockey-Titanic ausbricht? Da bleibt nur noch eines: den Trainer feuern.
Wie gross die Panik auf der Kommandobrücke der Hockey-Titanic ist, zeigt sich auch daran, dass der Vertrag von Kari Jalonen noch im Herbst vorzeitig verlängert worden ist. Und trotzdem muss er gehen.
Nun kommt Hans Kossmann. Er hat die ZSC Lions 2018 als Nothelfer sensationell zum Titelgewinn geführt. Ihm zur Seite steht Lars Leuenberger, der den SC Bern 2016 vom achten Platz aus zum Meister gemacht hat.
Aber es gibt einen Unterschied zwischen den ZSC Lions von 2018 und dem SCB von 2016. Beides waren nominell Spitzenteams. Weit unter Wert klassiert und gut genug, um Meister zu werden. Es ging nur darum, das Potenzial auszuschöpfen.
Der SCB im Januar 2020 ist hingegen ein von der sportlichen Führung heruntergewirtschaftetes Meisterteam, in der Tabelle dort, wo es hingehört und nominell nicht mehr gut genug, um Meister zu werden.
Jürgen Drews hätte, wenn er um die aktuelle SCB-Situation gewusst hätte, getextet:
Nichts mehr im Griff, auf dem sinkenden Schiff.
Panik auf der Titanic.
Kein Land in Sicht, wir playoffen vielleicht nicht.