Eishockey
Die braven Erben des Rock ’n’ Roll: Der EV Zug hat fast alles, um wieder Meister werden

Den letzten Meistertitel konnte der EV Zug vor 19 Jahren gewinnen. Seither sind sie eher erfolglos. Fünf Mal sind sie unter Doug Shedden im Halnfinal ausgeschieden. Man sucht den Erfolg aus alten Zeiten, denn man ist zurzeit etwa das Gegenteil der Mannschaft aus 1998.

Klaus Zaugg
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Zugs David McIntyre (l.) feiert das 5-4 vor Klotens Torhueter Martin Gerber

Zugs David McIntyre (l.) feiert das 5-4 vor Klotens Torhueter Martin Gerber

Keystone

Remember 1998. Gerade in diesen Tagen leuchten in Zug die Erinnerungen an den einzigen Titelgewinn von 1998 in hellen Farben. Der EV Zug wird die Qualifikation auf einem der drei ersten Plätze beenden und hat beste Chancen, den nächsten Titel nach 1998 zu holen. Die Resultate in den verbleibenden Qualifikations-Partien spielen kaum mehr eine Rolle. Es geht nicht mehr um billige Tagessiege. Es geht um den Formaufbau für die Playoffs.

Aber die Nostalgie wird getrübt durch die Erinnerungen des Scheiterns. Fünf Mal in Serie haben die Zuger zuletzt unter Doug Shedden den Halbfinal verloren und zuletzt ist Harold Kreis zweimal schon im Viertelfinal ausgeschieden. Ist der EV Zug nun endlich bereit für den nächsten Titel?

Der EVZ ist nicht mehr das was er mal war

Auf der Suche nach Antworten auf diese Frage kehren in Zug die Gedanken immer wieder zurück ins Jahr 1998. Denn Zugs Meistermannschaft war eine der wildesten, undiszipliniertesten und unberechenbarsten der neueren Geschichte. Es war der letzte Triumph der Rock ’n’ Roller. Im Vergleich zum EV Zug der späten 1990er-Jahre waren selbst Arno Del Curtos wilde Meisterhelden Wiener Sängerknaben, die gelegentlich fluchten. Alkoholexzesse inklusive Unfallfahrten in angetrunkenem Zustand und durchzechte Nächte gehörten dazu.

Der Titel war nur möglich, weil es einem charismatischen Präsidenten gelang, diesen wilden Haufen zusammen mit Trainer Sean Simpson zu bändigen. Fredy Egli, ein schwerreicher Rohstoffhändler und Kranzschwinger, ist der Architekt des modernen EV Zug,
Der EVZ, der nach dem zweiten Titel greift, ist das Gegenstück zur Meistermannschaft von 1998.

Reto Kläy, Sportchef EV Zug

«Wir leben nicht mehr in den 1990er- Jahren. Die Führung einer Mannschaft durch Toben funktioniert nicht mehr.»

Es sind die braven Erben des Rock ’n’ Roll. Zu brav? Dr. Hans-Peter Strebel ist ein Milliardär mit Stil. Nachhaltigkeit durch den Aufbau einer Nachwuchsakademie liegt ihm am Herzen. Unvorstellbar, dass er in seinem Büro Einzelspieler in den Senkel stellt wie einst Fredy Egli. Sportchef Reto Kläy ist ein höflicher Diplomat, der die Polemik meidet wie der Teufel das Weihwasser.

Und Trainer Harold Kreis ist auch schon mal als «Angela Merkel der Bandengeneräle» bezeichnet worden: klug auf Machterhaltung bedacht und ein geschickter Verwalter des ihm anvertrauten Talents. Aber so besonnen, dass viele befürchten, er könnte zum dritten Mal in Serie in der emotionalen Hitze der «Extremsituation Playoffs» untergehen.

Hockeytechnisch sollten die Zuger nicht scheitern. Sie haben am wenigsten Tore kassiert und gehören zu den vier Teams, die 130 oder mehr Tore erzielt haben. Tobias Stephan ist einer der besten Torhüter der Liga. Die Mischung aus Talent, Tempo, Härte und Wasserverdrängung stimmt. Der charismatische Spielmacher Rafael Diaz und der raue Titan Timo Helbling gelten als Königstransfers. Die beiden Verteidiger könnten die letzten Teilchen sein, die bisher zum Meisterpuzzle gefehlt haben.

Es hat sich ausgetobt

Weil es hockeytechnisch so wenig Zweifel gibt, drehen sich die Diskussionen um die «weichen» Faktoren. Und führen zur Frage: Können Klubpräsident Hans-Peter Strebel und sein Sportchef Reto Kläy meisterlich Toben. Reto Kläy mag diese Diskussion nicht: «Die Zeiten haben sich geändert. Wir leben nicht mehr in den 1990er-Jahren. Die Führung einer Mannschaft durch Toben funktioniert nicht mehr.»

Aber hat denn nicht der legendäre Wutausbruch von SCB-General Marc Lüthi nach einer Niederlage in Biel mit einem zornigen Gang in die Kabine und einem im TV übertragenen Zuknallen der Türe beim SCB im letzten Frühjahr die Wende und den Titel gebracht? «Wer will, kann einen Zusammenhang mit diesem Auftritt und dem Titelgewinn konstruieren. Ich sehe diesen Zusammenhang nicht. Wenn der Präsident oder ich in der Kabine toben, dann untergraben wir bloss die Autorität des Trainers.» Was zur Frage führt: Genügt die Autorität von Harold Kreis nach zweimaligem Scheitern in den Viertelfinals zum Titelgewinn? Kann er, wenn erforderlich, toben? «Ja, er hat diese Autorität und ja, er kann toben.»

Und falls Zug doch scheitern sollte, muss der Trainer nicht gefeuert und ausbezahlt werden. Reto Kläy hat durchgesetzt, dass eine Vertragsverlängerung mit Harold Kreis erst nach den Playoffs diskutiert wird. Wahrlich ein Schelm, wer in diesem richtigen Entscheid einen Mangel an meisterlichem Vertrauen sieht.