Olympische Spiele
Adolf Hitlers Schutzengel, der Schweizer Weltrekordler, die adlige Olympia-Siegerin und zwei Schwestern wie Brüder

Vor 125 Jahren wurden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit ausgetragen. Nicht nur Sieger und Verlierer haben dabei Geschichten geschrieben, die in Erinnerung bleiben. Eine kleine Auswahl.

Simon Häring, Tokio
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Eric der Aal, die Schwimm-Legende aus Äquatorialguinea

Heute belächelt man ja Bilder von gelangweilten Rettungsschwimmern am Beckenrand bei Olympischen Spielen. Im Jahr 2000 in Sydney sah das noch ganz anders aus: Eric Moussambani, 34, genannt «Eric der Aal» aus Äqatorialguina wäre vor den 17'000 Zuschauern beinahe ertrunken, ehe er nach 1:52,72 Sekunden über 100 Meter Crawl den rettenden Rand erreichte.

Und so hat das ausgesehen, damals in Sydney.

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Kurios: Moussambani gewann damit seinen Vorlauf, weil alle seine Gegner wegen Fehlstarts ausgeschieden waren. Erst acht Monate zuvor hatte er in einem Hotel-Planschbecken in der Hauptstadt Malabo das Schwimmen gelernt. Ein 50-Meter-Becken sah er in Sydney zum ersten Mal. 2012 in London war er Nationaltrainer von Äquatorialguinea.

Josef Imbach: Der Weltrekordler und das verdorbene Omelett

Josef Imbach (1894 - 1964) war ein sportliches Ausnahmetalent. Er gewann serienweise Radrennen, spielte als Stürmer der Kickers Luzern in der höchsten Fussballliga der Schweiz. Und er war auf allen Strecken von 100 bis 1500 Meter der beste Läufer. Bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris lief er im Zwischenlauf über 400 Meter in 48,00 Sekunden einen Weltrekord.

Der Schweizer Läufer Josef Imbach im Jahr 1921 im Stade Pershing in Paris.

Der Schweizer Läufer Josef Imbach im Jahr 1921 im Stade Pershing in Paris.

Agence Rol/BNF

Eine Medaille gewann Imbach aber nicht. Am Finaltag ass er ein verdorbenes Omelett, musste sich vor dem Start übergeben und stürzte auf der Zielgeraden als Letzter im Sechserfeld. Den Sieg sicherte sich der Schotte Eric Liddell, der in 47,6 Sekunden Imbachs Weltrekord unterbot. Imbach galt übrigens als ausgesprochen trainingsfaul und soll sich jeweils mit einer Diät von Äpfeln, Nüssen und Milch in Form gebracht haben.

Ein Olympia-Sieger als Adolf Hitlers doppelter Schutzengel

1936 in Berlin gewann der Heinz Brandt, ein 29-jähriger Oberleutnant, auf seinem Pferd Alchimist mit seinen Teamkollegen Kurt Hasse und Marten von Barnekow die Goldmedaille im Mannschaftsspringen. Später war er nichtsahnend in zwei Attentate auf Adolf Hitler verwickelt. 1943 begleitete Brandt Hitler als Generalstabsoffizier auf einem Inspektionsflug nach Smolensk. Zwei Offiziere baten Brandt, eine als Geschenk getarnte Cognacflasche, die eine Bombe enthielt, in die Maschine Hitlers mitzunehmen. Doch im vereisten Frachtraum versagte der Zündmechanismus. Auf Brandt fiel kein Verdacht, er wurde sogar zum Oberst befördert.

Der Deutsche Heinz Brandt, auf «Baron IV» im Jahr 1935.

Der Deutsche Heinz Brandt, auf «Baron IV» im Jahr 1935.

Alamy / www.alamy.com

1944 stand Brandt in einem Bunker in Ostpreussen unmittelbar neben Hitler, als er mit dem Fuss die Mappe, die Claus Schenk Graf von Stauffenberg dort deponiert hatte, zur Seite, weil sie ihn störte. Hitler überlebte die Detonation mit leichten Schrammen, Brandt, der zum zweiten Mal zu seinem Schutzengel geworden war, starb am Tag darauf in einem Lazarett, wo ihn Hitler noch zum Generalmajor befördert hatte. Hätte Brandt zwei Mal nicht unwissentlich ein Attentat verhindert, die Weltgeschichte Mitte des 20. Jahrhunderts wäre wohl anders verlaufen.

Die erste Olympia-Siegerin ist eine Schweizerin

Hélène de Pourtales c1900

Hélène de Pourtales c1900

Alamy / www.alamy.com

Erst bei den zweiten Olympischen Spielen der Neuzeit 1900 in Paris waren Frauen zugelassen – im Golf, Lawn-Tennis, Reiten und Segeln. Die erste Frau, die eine Goldmedaille gewann, war Hélène de Pourtales. Sie war 1868 als Hélène Barbey in New York zur Welt gekommen, besass einen Schweizer und US-Pass und hatte 1891 den verwitweten Adligen Hermann Alexander de Pourtales geheiratet, der als Deutscher und Schweizer ebenfalls Doppelbürger war. De Pourtales gewann mit ihrem Ehemann und ihrem Neffen im 40 Kilometer von Paris entfernten Meulan an Bord der «Lérina» auf der Seine vor sieben französischen Booten. Sie ist damit neben der Dressurreiterin Christine Stückelberger und den Triathletinnen Brigitte McMahon und Nicola Spirig die erste von nur vier Schweizerinnen, die bei Olympischen Sommerspielen Gold gewonnen haben.

Zwei Schwestern oder doch zwei Brüder?

Tamara Press gewann bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom und 1964 in Tokio im Kugelstossen und im Diskuswerfen drei Mal Gold für die UdSSR, ihre Schwester Irina siegte über 80 Meter Hürden und 1964 im Fünfkampf. Doch es gab erhebliche Zweifel, ob die Schwestern nicht eher Brüder sind. Die Statur, die tiefe Stimme, dazu sollen sie immer alleine geduscht und einen Rasierer dabei gehabt haben. 1966 wurde vor den Europameisterschaften in Budapest ein Geschlechtertest eingeführt, der zur Pflicht wurde. Die Schwestern beendeten ihre Karrieren Knall auf Fall.

Tamara Press beim Diskuswerfen.

Tamara Press beim Diskuswerfen.

Getty / Bettmann