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Valon Behrami fällt für die entscheidenden WM-Qualifikationsspiele aus. Er fehlt in den Partien gegen Portugal und Ungarn. Es ist ein Test für die Zukunft.
Eigentlich ist die Nachricht ein Schock. Die Nachricht, dass Valon Behrami verletzt ausfällt für die letzten Spiele in dieser WM-Qualifikation. Die Nachricht also, dass die Schweiz auf ihren Leader und Vorkämpfer verzichten muss, wenn es heute in einer Woche in Portugal ein erstes Mal darum geht, sich für die Endrunde in Russland zu qualifizieren.
Die Schweiz in einem entscheidenden Spiel ohne Behrami – wie soll das gehen? Das ist der Reflex. Und dieser Reflex ist richtig. Denn Valon Behrami ist über die Jahre unverzichtbar geworden. Er bringt die Erfahrung von fünf Endrunden mit.
Wer aber Nationaltrainer Vladimir Petkovic im Camp in Feusisberg in die Augen schaut und reden hört, der erkennt keine Furcht, kein Hadern mit dem Schicksal, keine Skepsis. Die Botschaft, die Petkovic platziert, lautet: «Ich habe das vollste Vertrauen in unsere Gruppe, bin überzeugt, dass sie die Absenz ihres physischen Leaders wettmachen kann.»
Zunächst einmal ist es löblich, wenn der Trainer des Schweizer Nationalteams auf Wehklagen verzichtet. Und stattdessen an die Stärke seines Teams glaubt. Und wenn diese Überzeugung in einem Fall wirklich etwas zu bedeuten hat, dann bei diesem. Denn es gibt keinen anderen Spieler in dieser Auswahl, zu dem Petkovic eine engere Beziehung hat als zu Behrami. Petkovic tut Behrami gut. Und Behrami tut Petkovic gut. Weil der Spieler für seinen Chef zur zentralen Führungsfigur geworden ist.
Vielleicht erkennt Petkovic in der Absenz so etwas wie einen Test für die Zukunft. Denn der Abschied von Behrami naht. Er ist fast täglich mit Schmerzen konfrontiert. Häufig im Knie. Nun eben in den Adduktoren. Irgendwann muss die Schweiz auf ihn verzichten. Mal sehen, ob sie dazu schon reif ist. So könnte man das eben auch sehen, wenn man wie Petkovic den Willen hat, die Welt positiv zu sehen.
Und doch bleibt die Feststellung: Es ist ziemlich bitter, dass Vorkämpfer Behrami ausgerechnet in Portugal ausfällt, also in jenem Spiel, in dem der Gruppensieg dieser bis anhin so tollen WM-Qualifikationskampagne ausgemacht wird.
Das ist die eine Seite, die sportliche. Doch natürlich gibt es auch eine andere, die emotionale. Und diese schmerzt noch mehr. Weil Petkovic weiss, wie viel diese Mannschaft Behrami bedeutet und wie gerne dieser in Lissabon auf dem Platz stehen würde, um seine Herde in Richtung WM zu dirigieren. Der Nationaltrainer sagt: «Es ist schade für ihn. Denn er hat erneut ein ganzes Jahr lang alles getan für dieses Team und ist zu einem wahren Idol geworden.» Kurz vor acht Uhr abends meldet sich auch Behrami. Via Twitter schreibt er: «Diese Verletzung im wichtigsten Moment ist schwer zu verdauen. Aber, meine Freunde, ich werde euch unterstützen, so wie ich es immer getan habe.»
Denn ganz auf sein Herz verzichten muss die Schweizer Equipe nicht. Behrami wird – wie auch der ebenfalls verletzte Gelson Fernandes – das Team in der kommenden Woche begleiten. Sogar am Samstag auf dem Weg vom Hotel ins Stadion vor dem Spiel gegen Ungarn. Und aller Voraussicht nach auch in Lissabon. Seine Seele ist also auch diesmal dabei.
Mehr als ein kleines bisschen Trost ist das aber nicht. Vor allem nicht für Behrami. Kurz nach dem letzten Spiel der Schweiz in Lettland, einem souveränen 3:0-Sieg, sagte dieser mit Blick auf die entscheidende Partie in Portugal: «Für solche Spiele lebe ich. All die Emotionen und der Druck, das ist grossartig!»
Welche Emotionen dieses Nationalteam in Behrami auslöst, wurde vielleicht nie deutlicher als am Nachmittag des 25. Juni 2016. Nach dem verlorenen EM-Achtelfinal gegen Polen brach Behrami in Tränen aus. Sprach davon, wie leid es ihm tut, dass er es nicht geschafft habe, der Schweiz etwas zurückzugeben. Dafür, wie sie ihn und seine Familie aufgenommen und behandelt hat.
Behrami machte sich wegen seines Körpers erste Gedanken bezüglich eines Rücktritts. Seine Tochter Sofia hielt ihn davon ab. Indem sie ihm sagte, er könne ja den Achtelfinal einfach das nächste Mal gewinnen.
Das nächste Mal, also die WM in Russland, die müssen Behramis Teamkollegen nun erstmal ohne ihren Patron sicherstellen. Bei aller Vorfreude und Furcht auf das Duell mit Portugal. Eines muss Behrami zumindest nicht fürchten: Dass die letzte WM-Chance im Negativfall schon vorüber wäre. Denn es gäbe ja immerhin noch die Barrage. Mit Valon Behrami.