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Der SC Bern verliert gegen die New Jersey Devils in der Verlängerung mit 2:3. Doch beide Teams kommen nicht an ihr Leistungslimit heran. Auch Nico Hischier verpasst es, sich auf heimischem Eis in die Skorerliste einzutragen. Einen Preis bekommt er dennoch.
Der ärmste Kerl nach diesem wunderbaren Schauspiel ist eigentlich New Jerseys Torhüter Keith Kinkaid. Mit ziemlicher Sicherheit werden ihn seine Mitspieler spasseshalber mit den zwei Gegentreffern verhöhnen, die er gestern kassiert hat. So nach dem Motto: «Erzähl doch noch mal, wie war das damals in Bern...» So würden die Berner mit ihrem Torhüter Leonardo Genoni ihre Spässe treiben, wenn er gegen die Frauen-Nationalmannschaft zwei Tore zulassen würde.
Die Zuschauer haben einen wunderbaren Abend erlebt. Ein Schauspiel mit dem ganzen Brimborium der NHL, gesungener Nationalhymnen und Werbepausen inklusive. Der festliche äussere Rahmen stimmte. Nur war da, wo NHL draufstand, sportlich nicht immer NHL drin. Die Intensität, die Wucht, die Dynamik, die Härte, das Tempo eines NHL-Spiels haben die Zuschauer nicht gesehen. Gestern ist im Berner Hockey-Tempel eine wunderbare Hockey-Operette aufgeführt worden, die in die Geschichte eingeht: Der SCB hat eine NHL-Mannschaft für ihre Arroganz bestraft und erst in der Verlängerung 2:3 verloren. Einen Punkt gegen ein NHL-Team!
Was diesen goldenen, historischen Punkt noch wertvoller macht: Die Mannschaft, die an einem guten Abend die taktisch beste und härteste unserer heimischen Liga sein kann, setzte gestern vielleicht 70 Prozent ihres Potenzials um und spielte etwa mit der gleichen Intensität und Konzentration wie beim Cup-Spiel gegen Wiki-Münsingen (6:0-Sieg) – aber bereits das reichte, um eine NHL-Mannschaft zu blamieren, die nicht bei der Sache war. So ist das heute in der globalisierten Hockey-Welt: Niemand kann es sich leisten, gegen einen Vertreter unserer höchsten Liga nachlässig zu sein. Was logisch ist: Immerhin hat die Schweiz ja auf dem Weg in den WM-Final die Kanadier besiegt.
Bern - New Jersey 2:3 (0:1, 1:1, 1:0, 0:1) n.V.
17'031 Zuschauer (ausverkauft). – SR Wiegand/Meier (USA), Kovacs/Cameron (USA). – Tore: 6. Greene (Wood) 0:1. 21. Moser (Arcobello) 1:1. 33. Lovejoy (Zacha) 1:2. 58. Arcobello (Andersson) 2:2. 64. (63:07) Hall 2:3. – Strafen: 2-mal 2 Minuten gegen Bern, 3-mal 2 Minuten gegen die New Jersey Devils.
Bern: Genoni; Kamerzin, Almquist; Krueger, Blum; Andersson, Beat Gerber; Burren, Marti; Rüfenacht, Arcobello, Moser; Mursak, Ebbett, Heim; Sciaroni, Haas, Scherwey; Jeremi Gerber, Berger, Grassi.
New Jersey Devils: Kinkaid; Vatanen, Müller; Severson, Greene; Lovejoy, Butcher; Santini; Palmieri, Hischier, Hall; Bratt, Zacha, Johansson; Dea, Zajac, Wood; Noesen, Boyle, Coleman; Quenneville.
Bemerkungen: Bern ohne Kämpf, Bieber und Untersander. Devils ohne Schneider (alle verletzt).
Aber eigentlich war das Resultat gestern Abend Nebensache. Die Zuschauerinnen und Zuschauer interessierten sich vor allem für einen einzigen Spieler. Für Nico Hischier (19), das Wunderkind, den Roger Federer unseres Hockeys, ausersehen, der beste Spieler zu werden, den wir je hatten. 52 Punkte hat er in den 82 Partien seiner ersten NHL-Saison gebucht. Aber nur der Kenner hat seine Qualitäten sofort erkannt. Er war ein freundlicher Mitläufer, liess immer wieder seine immense Klasse aufblitzen, verteilte ein paar Pässe mit einer Übersicht, als wäre er Wayne Gretzky. Wunderbar. Und in der Verlängerung, als es darum ging, die totale Blamage abzuwenden, da stand er auf dem Eis als sein Linienpartner Taylor Hall den Siegestreffer zum 3:2 erzielt.
Aber ein Tor und ein Assist hat unser Wunderkind nicht erzielt. Wir haben gestern also den wahren, den grossen Nico Hischier nicht in seiner ganzen spielerischen Herrlichkeit gesehen. Aber eben auch nicht die wahren New Jersey Devils und, das sollte noch einmal erwähnt werden, nicht den wahren SCB. Weil es ein so wunderbarer Abend und ein Operetten-Spiel war, ist Nico Hischier trotzdem zum besten Spieler seiner Mannschaft gewählt worden. Die NHL-Macher wissen eben schon, wie ein Operetten-Spiel zelebriert wird und wie eine gute Show gekrönt wird.