Endlich ist er zurück! Manchester-United-Star Zlatan Ibrahimovic feiert im Premier-League-Spiel gegen Newcastle United sein umjubeltes Comeback – und kündigt Grosses an.
Es wäre das Sahnehäubchen gewesen. Diese artistische Einlage. 50 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit liegt er waagerecht in der Luft, zieht ab. Aber der wuchtige Schuss wird von Newcastle-Keeper Elliot gehalten. Es wäre der Treffer zum 5:1 gewesen. Das perfekte Comeback des Zlatan Ibrahimovic wird verhindert.
Wobei – es war auch so perfekt. Denn wer hätte noch vor ein paar Wochen gedacht, dass der 36-jährige Schwede an diesem Novemberabend zum ersten Mal seit 212 Tagen und nach seinem im Spiel gegen Anderlecht erlittenen Kreuzbandriss bereits wieder spielen würde? Keiner. Dass er zurückkommen würde, war klar.
«Ich werde zu meinen Bedingungen aufhören, nicht zu denen von jemand anderem», sagte er. Er, dieser verrückte Narzisst, der sich selber als Löwen bezeichnet. Und als solcher vergleicht man sich nicht mit Menschen, so seine Lebensweisheit.
«Löwen heilen schneller als Menschen», war denn auch seine Erklärung für seine unerwartet schnelle Genesung. Es muss schon fast ein Affront gewesen sein, dass er solch eine Frage gestellt bekam.
Denn der Egozentriker sieht sich nicht nur als Löwen, sondern als gottgleiches Wesen. Fern von Menschen. Er ist mehr. Besser. Grösser. Das wirkt überzogen, arrogant und ignorant. Doch es ist wahr. Nicht überall, aber in Manchester mit einer Sicherheit, die sonst nur Ibrahimovic selber ausstrahlt.
Nach seiner Verletzung am 20. April 2017 war der rote Teil der Stadt in Schockstarre. Der beste Torschütze, der einflussreichste Spieler, diese herausragende Type – ausser Gefecht gesetzt. Eine Leere tat sich auf. Wer bloss sollte diese füllen in einem Kader, das an grossen Namen zunehmend ärmer geworden war? Klar, da war letzte Saison noch Wayne Rooney.
Oder besser ein Schatten dieses einst so genialen Spielers. Oder Michael Carrick, das letzte Überbleibsel der Grandseigneurs um Giggs und Scholes, der aber trotz Ernennung zum Captain keine Rolle spielt und an Charisma und Aussenwirkung einen Zlatan nicht auch nur annähernd ersetzen könnte.
In der Person von Paul Pogba schien eine Lösung gefunden. Doch die Last, der teuerste Spieler der Welt zu sein (bis zum Neymar-Transfer), war zu gross. Endlich in Form, stoppte auch ihn eine Verletzung. Also wurden die Rufe nach Ibra immer lauter. Selten war die Sehnsucht nach einem Spieler in Old Trafford in den letzten Jahren so intensiv gewesen.
Kein Tag verging, an dem nicht über Ibrahimovic geredet oder an ihn gedacht wurde. So war seine Rückkehr – nur 7 Monate nach der ersten grossen Verletzung seiner Karriere – mit dem Ende einer Leidenszeit gleichzusetzen.
Als am Freitag klar wurde, dass er im Kader stehen würde, war auch klar: er wird spielen. Denn ein Ibrahimovic setzt sich nicht 90 Minuten auf die Bank. Er ist im Löwen-Rudel nicht Mitläufer, sondern Alphatier. Dafür hat er sich zurückgekämpft – wie ein Löwe.
«Ich habe mich phasenweise wie paralysiert gefühlt», gab er zu. «Was geht hier vor? Was kann ich tun? Was bringt die Zukunft?», fragte er sich, als er zwölf Stunden am Tag ans Bett gefesselt war. Auf einmal hegte der wohl am meisten von sich überzeugte Mensch der Welt Zweifel. Aber er kämpfte sie nieder, im Wissen, das er es schafft.
Mit genau dieser Überzeugung erhob er sich am Samstagabend von der Ersatzbank und begann, sich warmzulaufen. Der Jubel der Fans erreichte ein Level an Verrücktheit, an welches gar Ibrahimovic nur an guten Tagen herankommt. Ein paar kurze Anweisungen später war der Moment da. In der 77. Spielminute.
Zlatan ist wieder da. Auf dem Platz. Begleitet von Szenenapplaus bei jeder Ballberührung. Dass dem Irren das Wahnsinnstor nicht gelang – ein kleiner Schönheitsfehler, den er bald korrigieren wird. Womöglich schon am Mittwoch, wenn Manchester United in der Champions League auf den FC Basel trifft.
Es wäre ein Ausrufezeichen auf der grösstmöglichen Bühne, und mit nichts weniger als dem gibt Ibrahimovic sich zufrieden. Das Comeback war erst der Anfang. Oder wie er nach dem Spiel auf seinem Instagram schrieb: «Ich wärme mich erst auf.»