Eine Nordische Ski-WM durchzuführen ist für die Schweiz eine ungleich grössere Herausforderung als Alpine Titelkämpfe. Der frühere Olympiasieger Hippolyt Kempf versucht ein Projekt auf Flughöhe zu bringen.
Pirmin Zurbriggen kennt das Gefühl ebenso wie Beat Feuz. Einen Weltmeistertitel im eigenen Land zu feiern, macht ihn umso zauberhafter. Dario Cologna und Simon Ammann, die erfolgreichsten Olympioniken im Schweizer Skisport, werden ihre Karrieren ohne ein solches Highlight beenden. Acht von insgesamt 45 Alpine Ski-Weltmeisterschaften fanden bislang in der Schweiz statt. Die Titelkämpfe der Nordischen Skisportler machten noch nie Halt.
Der nationale Verband Swiss-Ski ist fest entschlossen, dies zu ändern. Im Rahmen seiner WM-Strategie peilte er die Premiere zuerst für das Jahr 2029 an. Inzwischen spricht Nordisch-Direktor Hippolyt Kempf von 2031 – mit einer Junioren-WM zwei Jahre zuvor als Hauptprobe.
Für Kempf, den Olympiasieger von 1988 in der Nordischen Kombination, ist es eine Mission. Der 56-Jährige erreicht exakt im Winter, wenn „sein Kind“ präsentiert werden soll, das Pensionsalter. Er sagt, es müsse möglich sein, dass ein Land wie die Schweiz einen solchen Anlass durchführen kann. „Und wenn es das Letzte ist, dass ich in meinem Berufsleben auf die Beine stelle“.
St. Moritz alleine war fünfmal Schauplatz von Alpinen Titelkämpfen, zuletzt 2003 und 2017. Wenn alles gut läuft, wird Crans-Montana 2027, exakt 40 Jahre nach dem totalen Schweizer WM-Triumph an gleicher Stätte, erneut Austragungsort.
Diese Erfahrung ist einer der grossen Unterschiede, welche es für Swiss Ski so schwierig machen, eine Nordische WM aus dem Hut zu zaubern. Ein Workshop mit den Organisatoren aus dem Engadin, Davos, Lenzerheide, Val Mustair, Engelberg, Kandersteg und dem Obergoms, wo mit einer gewissen Regelmässigkeit internationale Wettkämpfe ausgetragen werden, hat zwei Haupterkenntnisse gebracht: Wie kann man die Schweizer Veranstalter fit für die WM machen? Bevor man eine solche austrägt, muss eine Organisationskompetenz aufgebaut werden.
Und ebenso wichtig: Es müssen die geeigneten Anlagen zur Verfügung stehen. Limitiert ist die Schweiz insbesondere bei den Schanzen. Jene in Einsiedeln ist nur im Sommer in Betrieb, in Engelberg und in Kandersteg steht nur eine Gross-, respektive Normalschanze. Und an keinem dieser Orte gibt es internationale Langlauf-Bewerbe.
Umgekehrt sind die Loipen im Davoser Flüelatal zu schmal für Massenstartrennen und das Val Mustair oder das Obergoms ziemlich abgelegen. „Eine WM ist derart komplex und hat ein enorm dichtes Programm“, spricht Kempf eine weitere Herausforderung an. In 13 Tagen gibt es 24 Medaillenentscheidungen, davon bestehen neun aus mehreren Wettkampfteilen.
Auch die Infrastruktur und der Platzbedarf im Start- und Zielbereich müssen viele Anforderungen erfüllen. Oberstdorf hat für seine WM von 2021 zuletzt 42 Millionen Euro für die Modernisierung hingeblättert – obwohl die Weltbesten bereits 2007 im Allgäuer Skiort zu Gast waren. Es gilt auch zu bedenken, dass mit Frauen-Skispringen und Nordischer Kombination Bewerbe stattfinden, mit denen die Schweiz in den vergangenen Jahren erst recht keine Berührungspunkte hatte. „Wir müssen alles zuerst entwickeln“, sagt Kempf mit den grossen Herausforderungen vor Augen.
Im Rahmen des Sport-Infrastrukturprogramms investiert der Bund in den kommenden Jahren Millionen in die Nordische Infrastruktur in Engelberg, Kandersteg, Lenzerheide und im Obergoms. Kempf will sich aber bewusst noch nicht festlegen, wo genau die Wettkämpfe im Jahr 2031 stattfinden sollen. Sicher ist nur, dass es eine dezentrale WM geben wird. Eventuell mit einer Stadt als offiziellem Austragungsort, wo dann sogar die Sprintrennen im Langlauf denkbar wären. Luzern hat sich als Organisator der abgesagten Winteruniversiade zuletzt bemerkbar gemacht.
Wichtig sind für Sportökonom Kempf aber auch weitere Punkte: „Die WM muss zur Schweiz passen, sie muss nachhaltig und CO2-neutral sein sowie auf einem schlanken Konzept basieren, damit es auch ökonomisch vertretbar ist“. Viel Zeit bleibt Hippolyt Kempf nicht, um sein eigenes Vermächtnis zu realisieren.