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Wer wird Schwingerkönig? Rund zwei Monate vor dem Fest kristallisieren sich vier Topfavoriten heraus. Zum ersten Mal seit Jahren ist keiner von ihnen aus dem Kanton Bern.
Die vergangenen zehn Jahre lang galt: Schwingen ist, wenn an den wichtigsten Festen ein Berner gewinnt: die Königstitel 2010 (Kilian Wenger), 2013 (Matthias Sempach) und 2016 (Matthias Glarner) gingen ebenso ins Bernbiet wie die Siege am Kilchberg-Schwinget 2008 (Christian Stucki) und 2014 (Sempach) und am Unspunnenfest 2017 (Stucki). Nur der St. Galler Daniel Bösch konnte mit seinem Unspunnensieg 2011 zumindest kurzzeitig die Phalanx der Berner durchbrechen.
2019 scheint die Ära der Berner Könige zu Ende. Zumindest wenn man gut zwei Monate vor dem Eidgenössischen Schwingfest in Zug (24. und 25. August) auf die Form der Königsanwärter schaut. Die Topfavoriten kommen aus der Ost- und Innerschweiz.
Armon Orlik
24 Jahre, Nordostschweiz, 39 Kränze, 16 Kranzfestsiege
Der Schlussgangverlierer des Eidgenössischen 2016 (gegen den Berner Matthias Glarner) ist
der kompletteste Schwinger der Gegenwart: technisch brillant, enorm fleissig und gewissenhaft. Seine Wurzeln hat Orlik im Judo, darum kann er seine Schwünge beidseitig ansetzen. Das macht ihn extrem unberechenbar. Dies alles gepaart mit seiner Vielseitigkeit und Explosivität macht den vierfachen Kranzfestsieger der Saison (bei vier Starts) zum Topfavoriten auf den Titel.
Joel Wicki
22 Jahre, Innerschweiz, 40 Kränze, 10 Kranzfestsiege
Er ist der Kleinste (1,82 Meter) unter den grossen Anwärtern auf den Königstitel (Orlik: 1,90 m, Giger: 1,93; Reichmuth: 1,98). Das ist aber schon Wickis einzige «Schwäche». Zuletzt auf dem Stoos zeigte er eindrücklich, was ihn ausmacht: eine Explosivität, der kaum ein Schwinger standhalten kann. Oft liegen seine Gegner schnell im Sägemehl. Und falls es doch einmal länger geht und es sogar zu einem Bodenkampf kommt – kein Problem: Auch das beherrscht er mittlerweile.
Samuel Giger
21 Jahre, Nordostschweiz, 32 Kränze, 13 Kranzfestsiege
Giger ist ein Naturtalent, das den Aufwand nicht scheut. Sein Können führte ihn früh zu Erfolgen und diese wiederum geben ihm ein Urvertrauen in seine Stärke. Mental unerschütterlich, körperlich austrainiert – diese Mischung macht ihn aus. Am Sonntag gibt er am Nordostschweizerischen sein Comeback nach einer Schulterverletzung. Zweifel, dass er topfit ist, bestehen nicht. Dass er erst ein Kranzfest (angeschlagen auf Rang 5) in dieser Saison bestritt, wird zur Nebensache.
Pirmin Reichmuth
23 Jahre, Innerschweiz, 14 Kränze, 3 Kranzfestsiege
Er erinnert mit seinem Körperbau – diesem fast perfekten Mix aus Grösse, Kraft und Athletik – an den zurückgetretenen Berner Schwingerkönig von 2013, Matthias Sempach. Modellathlet Reichmuth gewann in der Innerschweiz die ersten drei Kranzfeste in der Saison auf eindrückliche Art und Weise. Auf dem Stoos war nur Sieger Joel Wicki besser klassiert. Diese «Niederlage» hilft ihm, die Erfolge nicht als selbstverständlich zu nehmen. Der Königstitel wird über ihn führen.
Christian Stucki
34 Jahre, Bern, 126 Kränze, 41 Kranzfestsiege
Hätte sich Christian Stucki am Emmentalischen im Mai nicht am Knie verletzt und deshalb bisher fast die ganze Saison verpasst, dann wäre er natürlich ein Dreisterne-Kandidat auf den Königstitel. Auf dem Brünig dürfte er Ende Juli sein Comeback geben. Dann wird man wissen, wie es um die Form des Seeländers steht.
Nick Alpiger
22 Jahre, Nordwestschweiz, 39 Kränze, 4 Kranzfestsiege
Der Leader der Nordwestschweizer hat auf dem Stoos bewiesen, dass er mit den Besten des Landes mithalten kann. Er stellte zum Auftakt gegen Reichmuth und blieb bis zum Schluss unbesiegt: Rang vier. Wie Orlik kann er beidseitig schwingen, gepaart mit seiner Hartnäckigkeit macht ihn das zu einem unangenehmen Gegner.
Daniel Bösch
31 Jahre, Nordostschweiz, 104 Kränze, 22 Kranzfestsiege
Der zweifache Kranzfestsieger der Saison schont sich vorsichtshalber am Sonntag (Schleimbeutelentzündung im Ellenbogen). Es ist eine reine Vorsichtsmassnahme. Der 130-Kilo-Mann, der fast nie verliert, ist in dieser Saison dynamisch wie nie. Das macht ihn im Angriff gefährlicher. Und Siege bringen Schwinger weiter als Gestellte.
Bernhard Kämpf
31 Jahre, Bern, 76 Kränze, 7 Kranzfestsiege
Der zweifache Brünig-Sieger gewann in dieser Saison zwar schon zwei Kranzfeste – nachdem er 2018 wegen einer Hüftoperation komplett ausgefallen war. Doch deshalb bestehen gewisse Zweifel, ob er schon im Konzert der ganz Grossen mitschwingen kann. Beim Schwarzsee-Schwinget zog er zuletzt gegen Daniel Bösch den Kürzeren.
Sven Schurtenberger
27 Jahre, Innerschweiz, 43 Kränze, 5 Kranzfestsiege
Er belegt in der renommierten Jahreswertung der Schwingerzeitung «Schlussgang» hinter den Topcracks Orlik, Reichmuth und Wicki Rang vier. Der 133-Kilo-Mann ist wie Christian Stucki ein Koloss im Sägemehl, und es ist für jeden Gegner enorm schwierig, ihn zu bezwingen. Seine oft raue Art, zu schwingen, sorgt aber für Kritik.
Roger Rychen
27 Jahre, Nordostschweiz, 48 Kränze, 0 Kranzfestsiege
Er ist der wohl beste Schwinger, der noch nie ein Kranzfest gewonnen hat. Sein Problem: Er kann zwar jeden Gegner schlagen, aber auch gegen Aussenseiter verlieren. Weil seine risikoreiche Art zu schwingen ihn anfällig auf Konter macht. Er schloss in dieser Saison zwei Kranzfeste auf Rang zwei ab – zweimal hinter Armon Orlik.
Matthias Aeschbacher
27 Jahre, Bern, 54 Kränze, 6 Kranzfestsiege
Der Emmentaler feierte am letzten Sonntag am Schwarzsee-Schwinget den bisher wichtigsten Sieg seiner Karriere. Er krönte damit eine Saison, in welcher er bisher sehr konstant agierte. Er gehört zwar nicht zu den Topfavoriten in Zug, aber sein grosses Ziel, ein eidgenössischer
Kranz, liegt absolut im Bereich des Möglichen.
Joel Strebel
22 Jahre, Nordwestschweiz, 11 Kränze, 1 Kranzfestsieg
Der Härtetest erfolgt am Sonntag, wenn Strebel am Nordostschweizer Fest als Gast antritt. In dieser Saison schaffte er den Sprung nach vorne: weil er athletischer und trotzdem kräftiger geworden ist. Mit seinem offensiven Stil passt er zur jungen Generation der Paradeschwinger
um Orlik und Co. Gehört er bald sogar zur Elite?
Samir Leuppi
26 Jahre, Nordostschweiz, 33 Kränze, 2 Kranzfestsiege
Er ist einer der Besten, die noch keinen eidgenössischen Kranz haben. Das ändert sich wohl bald. Hält er seine Form und bleibt bis Ende August unverletzt, wird er zuschlagen.
Benjamin Gapany
24 Jahre, Südwestschweiz, 26 Kränze, 8 Kranzfestsiege
Er bildet zusammen mit Lario Kramer ein Südwestschweiz-Duo, welches sich in Zug zumindest realistische Hoffnungen auf einen eidgenössischen Kranz machen darf.
Remo Käser
22 Jahre, Bern, 44 Kränze, 5 Kranzfestsiege
Beendete das Eidgenössische 2016 auf dem dritten Rang. Sein grosser Formtest kommt am Sonntag am «Nordostschweizer» in Hallau, wo er auf Top-Favorit Armon Orlik trifft.
Kilian Wenger
29 Jahre, Bern, 85 Kränze, 21 Kranzfestsiege
Der König von 2010 hätte auch neun Jahre später immer noch alle Voraussetzungen, um auf den Thron zurückzukehren. Seine grosse Baustelle ist seine mentale Zerbrechlichkeit.
Christian Schuler
31 Jahre, Innerschweiz, 92 Kränze, 15 Kranzfestsiege
Der ehemalige Leader der Innerschweizer kommt in dieser Saison bisher gar nicht auf Touren. Aber Achtung: An grossen Festen kann er plötzlich über sich hinauswachsen.
Matthias Glarner
33 Jahre, Bern, 114 Kränze, 14 Kranzfestsiege
Der Schwingerkönig von 2016 hat seit seinem Sturz von der Gondelbahn im Sommer 2017 kaum mehr Wettkämpfe bestritten. Seine Teilnahme in Zug ist mehr als ungewiss.