Sport
Das was Fussball eigentlich schön macht, fehlt, die Fans: Ein Gespräch mit einem, der es wissen muss

Christian Wandeler ist Geschäftsleiter der Fanarbeit Schweiz. Gegenüber SRF sagte er, dass wegen des Coronavirus von Stadien ohne Stehplätze und Gästefans gesprochen würde. Wir haben gefragt, was es damit auf sich hat.

Renato Schatz
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Der Profifussball ist zurück, aber die Fankurven bleiben leer.

Der Profifussball ist zurück, aber die Fankurven bleiben leer.

Andy Mueller / freshfocus

Der Schweizer Clubfussball kehrt zurück. 117 Tage nach dem ausverkauften Spiel zwischen St. Gallen und YB. Nun sind die Stadien leer. Was fehlt?

Christian Wandeler: Viel. Die Fans machen einen beliebigen Anlass schön. Sie bringen Emotionen in Stadion und Spiel. Ich habe in den letzten Tagen einige Testspiele gesehen. Ich glaube, man muss schon sehr fussballinteressiert sein, um sich dafür begeistern zu können.

Aber beim Cupspiel zwischen Lausanne-Sport und Basel schauten zeitweise 200'000 Menschen am TV zu. Derartige Zahlen gibt es sonst nur bei Top-Spielen.

Es gibt sicher viele Menschen, die sich auf den Re-Start freuen. Überdies war die Spielpaarung attraktiv. Ich bin aber gespannt, wie sich die Zahlen in den nächsten Wochen entwickeln werden.

Es gibt viele, die gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs sind. Anhänger von Borussia Mönchengladbach schrieben auf ein Banner: «Fussball ohne Fans ist nichts wert.» Sind solche Aktionen auch in der Schweiz geplant?

Was die jeweiligen Fankurven genau geplant haben, kann ich nicht beantworten. Aber ihre Haltung ist dieselbe. Die Schweizer Ultra-Kultur unterscheidet sich jedoch von der deutschen. Hier sind die Kurven zurückhaltender was öffentliche Statements betrifft.

Sie sagten, man rede vom Abschaffen der Stehplätze, von Stadien ohne Gästefans, von personalisierten Tickets. Gibt es Indizien für solche Entwicklungen?

Bei weiteren Lockerungen sind das sicher Massnahmen, die diskutiert werden.

Von wem?

Hier sehe ich vor allem zuständige Behörden und einzelne Polizeikorps. Wie konkret diese Ideen tatsächlich verfolgt werden, kann ich nicht einschätzen.

Wie sehen Sie das als Geschäftsleiter der Fanarbeit Schweiz?

Kritisch. Einerseits geht es natürlich um das finanzielle Überleben der Vereine. Andererseits fragt man sich: Ist man bereit, solche Massnahmen zurückzunehmen, wenn sich die Lage rund um das Virus beruhigt hat? In der Vergangenheit haben wir damit schlechte Erfahrungen gemacht. Die Gefahr, dass diese Massnahmen bleiben werden, ist vorhanden. Wir müssen uns alle fragen: Was wollen wir für einen Fussball, für eine Fankultur?

Ziemlich grundsätzliche Fragen.

Ja. Die kommenden Monate dürften für die Entwicklung des Fussballs und seiner Fankultur enorm wichtig sein.

Was können die Fans von den Vereinen erwarten?

Bisher war die Solidarität eher eine Einbahnstrasse. Die Fans müssen zu Hause bleiben, sollen auf Geld verzichten und Saisonkarten für die nächste Spielzeit kaufen. Die Vereine müssen darüber nachdenken, was sie für die Fans tun können. Und sie müssen sich dafür einsetzen, dass die bisherige Fankultur so weiterexistieren kann.

Wie ist die Stimmung bei den Fankurven?

Ich nehme wahr, dass die Kurven mit der Situation nicht glücklich sind. Man beanstandet, dass die Wiederaufnahme des Spielbetriebes kommerziell motiviert und das Anliegen der Fans sekundär sei. Gleichzeitig werde aber Solidarität verlangt. Dieses Gefühl ist nicht schön. Ich rate den Vereinen, sich dieser Sorgen anzunehmen.