Zwei schlimme Fehler von Torhüterin Elvira Herzog, Captain Lia Wälti mit einer Hirnerschütterung verloren und die Qualifikation für die EM-Endrunde in Gefahr. Die Schweiz erlebt in Belgien einen Abend zum Vergessen.
Irgendwann blieb nur noch das Staunen. Kann das wirklich sein? Sind das tatsächlich die Schweizer Nationalspielerinnen, die da auf dem Rasen stehen? Die sich ohne erkennbare Gegenwehr ihrem Schicksal fügen? Die nur noch das Ende dieser Demütigung ersehnen?
Ja, die Schweiz verliert das letzte EM-Qualifikationsspiel der Gruppenphase in Belgien gleich 0:4. Es ist ein schlimmer Abend. Einer, der viele Fragen aufwirft. Und viele bittere Erkenntnisse liefert.
Natürlich, es half nicht, dass die 20-jährige Ersatztorhüterin Elvira Herzog zwei schlimme, entscheidende Fehler machte, die zum 0:1 und zum 0:3 führten. Natürlich, es half nicht, dass Captain Lia Wälti bereits nach 40 Minuten ausgewechselt werden musste, weil sie bei einem Zusammenprall eine Hirnerschütterung erlitt. Trotzdem ist es rätselhaft, wie sehr das Schweizer Team auseinanderfiel. Wie wenig Lust und Energie und Auflehnung zu sehen waren.
Überzeugend war nur eines: die Analyse nach dem Spiel. Dafür zuständig war Ana-Maria Crnogorcevic. «Wir haben alles vermissen lassen, was es für ein solches Topspiel braucht. So eine Leistung reicht einfach nicht, egal gegen welchen Gegner. Wir hatten kein Durchsetzungsvermögen, gewannen keine Zweikämpfe, waren immer einen Schritt zu spät. Wir waren einfach richtig schlecht.»
Nationaltrainer Nils Nielsen sagte derweil: «Belgien war besser, das müssen wir anerkennen. Wichtig ist, dass wir wieder aufstehen, zurückkommen und zeigen, wie stark wir als Team sind.» Auch er verbarg seine Enttäuschung nicht. Ist aber überzeugt von einer starken Reaktion im nächsten Jahr. Es ist die erste Niederlage für Nielsen, seit er 2019 das Schweizer Team übernommen hat. Doch diese fällt so heftig aus, dass man sich kaum an einen schlimmeren Auftritt in der Vergangenheit erinnert.
Eigentlich wollten sich die Schweizerinnen direkt für die EM qualifizieren. Ein Unentschieden in Belgien hätte dafür bereits gereicht. Und im Vorfeld der Partie war bei den Schweizer Spielerinnen die Überzeugung gross, die Reifeprüfung in Belgien zu bestehen. Nur: Das Team wirkte mit dem Ziel vor Augen blockiert. Und darum beginnt nun das grosse Zittern.
Zwei Varianten gibt es noch, dass die Schweizerinnen die Endrunde in England im Juni 2022 bestreiten dürfen. Die eine ist: sie gehören nach Abschluss aller Qualifikationsgruppen doch noch zu den drei bestklassierten Zweitplatzierten, dann, wenn die wegen Corona verschobenen Spiele nachgeholt sind. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintritt, ist sehr klein. Darum muss die Schweiz aller Voraussicht nach mit Variante zwei rechnen und im April 2021 eine Barrage mit Hin- und Rückspiel bestreiten. Die Siegerinnen belohnen sich mit der EM.
Es würden bestimmt Erinnerungen wach an 2018. Damals verpasste die Schweiz in letzter Sekunde die WM-Qualifikation. Nun geht es für Trainer Nielsen darum, die Dämonen von damals gar nicht erst zuzulassen. Das ist ihm, trotz der grossen Enttäuschung von gestern, durchaus zuzutrauen.
Der Beginn des Spiels war für die Schweiz irgendwie bezeichnend. Nach 40 Sekunden ging im Stadion das Licht aus, wegen eines Stromausfalls musste die Partie für mehrere Minuten unterbrochen werden. Den Schweizerinnen fehlte auch danach jede Energie. Keine einzige Chance erspielten sie sich.
Und so wurde Torhüterin Herzog zur tragischen Figur. Sie kam nur deshalb zum Einsatz, weil Gaëlle Thalmann positiv auf Corona getestet wurde. Und konnte ihre Nervosität nie verbergen. Vielleicht auch, weil ihr letzter Ernstkampf bereits gut fünf Monate zurückliegt. Es ist zu befürchten, dass sie sich noch lange an diesen Abend erinnert.