Seit er von der NHL in die Schweiz zurückgekehrt ist, verfolgt ihn das Verletzungspech. Am Spenglercup ist der Lugano-Flügelspieler nur als Zuschauer dabei.
Hat Luganos offensiver Schillerfalter Damien Brunner (30) am Mittwoch am frühen Abend auf dem Zauberberg die Zauberformel für den Titelgewinn gefunden? Das ist sehr wohl möglich.
Die Geschichte geht so: Das Spiel gegen Mountfield ist aus. Lugano hat 4:3 gewonnen und steht beim Spengler-Cup im Halbfinal. Die Helden kommen vom Eis, stapfen durch die Katakomben und verschwinden in der Kabine. Die kräftigen Männer wirken auf Schlittschuhen noch riesiger und bedrohlicher. Nur einer fällt optisch aus dem Rahmen. Er steckt nicht in der Hockey-Ausrüstung, trägt einen Kapuzenpulli und mahnt ein bisschen an einen Hockey-Hip-Hopper. Sein Name: Damien Brunner.
Dieser Spengler-Cup könnte «sein» Turnier sein. Wenn Damien Brunner sein bestes Hockey zelebriert, wenn die Segel seines Selbstvertrauens gestrafft sind, dann ist er der spektakulärste und torgefährlichste Schweizer Stürmer. In Kloten kam er einst nicht über die vierte Linie hinaus, in Zug reifte er unter Doug Shedden zum Liga-Topskorer (2012) und setzte sich anschliessend auch in der NHL vorübergehend durch (135 Spiele/67 Punkte). Aber seit seiner Rückkehr in die Schweiz zu Lugano (Dezember 2014) haben wie nie mehr den besten Damien Brunner gesehen.
Es ist nicht seine Schuld. Jahrelang tanzte er durch die gegnerischen Verteidigungen, hundertmal ist bei Checks nichts passiert. Doch seit seiner Rückkehr ist es wie verhext. Auf eine entsprechende Frage muss er nachdenken, um alle seine Blessuren seit dem Dezember 2014 aufzuzählen. Zweimal erwischt er eine Gehirnerschütterung. Einmal verdreht er das rechte Knie. Einmal zerrt er sich schwer den Muskel im Oberschenkel – und als alles überstanden scheint, erkrankt er im Sommer 2016 schwer an einem Darminfekt und muss seine Ernährung auf glutenfrei umstellen.
Weil es Lugano nicht läuft, kehrt er mit zu wenig Training in den Beinen im Herbst 2016 ins Team zurück und es erwischt ihn wieder am rechten Knie. Deshalb darf er beim Spengler-Cup auf dem Zauberberg (eine Bezeichnung für Davos des Dichterfürsten Thomas Mann) nicht mitspielen und verfolgt Luganos Partien im Kapuzenpulli als Zuschauer an der Bande.
Ein gewöhnlicher Spieler wäre nach einer solchen Serie von Missgeschicken wahrscheinlich genickt, sicherlich entmutig, auf jeden Fall enttäuscht und gewiss nicht freundlich und guter Laune. Aber Damien Brunner ist kein gewöhnlicher Spieler. Deshalb ist er Liga-Topskorer geworden, deshalb spielte er sein bestes Hockey in den NHL-Playoffs mit Detroit – und deshalb findet er jetzt die Zauberformel für den Titelgewinn.
Luca Fazzini (21), auch ein Schillerfalter, hat soeben gegen Mountfield nach einer Finte ein Zaubertor zum 3:1 erzielt. Er ist in Form, ja so gut wie noch nie, und wenn er so weiterspielt, dann wird er im Team den Platz bekommen, der eigentlich Damien Brunner zusteht: die Flügelposition im ersten Sturm. Auch Luca Fazzini ist Flügel, auch er schiesst rechts, auch er hat dieses gewisse «Etwas» im Abschluss.
Der neue Damien Brunner? Nein, noch lange nicht. Aber er ist ein Lugano-Junior und sein Vertrag läuft aus. Diese Abstammung ist bei den anstehenden Vertragsverhandlungen emotional mindestens 100 000 Franken wert, und schon um ihn nicht zu verstimmen, wird Präsidentin Vicky Mantegazza dafür sorgen, dass er in den nächsten Wochen eine gewisse Vorzugsbehandlung geniessen wird.
Damien Brunner freut sich über die guten Leistungen seines direkten Konkurrenten. «Schreibt doch eine Geschichte über ihn. Er ist das Thema, nicht ich.» Aber so ist es eben nicht. Zu interessant ist die Frage: Was wird aus Damien Brunner, wenn er in zwei bis drei Wochen ins Team zurückkehrt und Luca Fazzini seinen Platz auf den Aussenbahnen eingenommen hat?
«Dann spiele ich eben im dritten oder vierten Sturm.» Damien Brunner bloss im dritten oder gar vierten Sturm? Undenkbar. Sein Platz ist ganz vorne. Würde er denn seine solche Rückversetzung akzeptieren? «Ja, das würde ich. Ich muss nicht mehr für meinen persönlichen Ehrgeiz spielen, ich war Liga-Topskorer, ich war in der NHL. Aber ich will den Erfolg für das Team. Wenn der «Fazz» (Fazzini – die Red.) weiterhin so gut ist, dann werde ich eben in der dritten Linie spielen – und dann sind wir sehr, sehr gefährlich.»
Das ist sie, die Zauberformel für Lugano, gefunden im Kabinengang während des Spengler-Cups: Luca Fazzini im ersten, Damien Brunner im dritten oder vierten Sturm. Lugano hat im letzten Frühjahr den Final gegen Bern verloren, weil Trainer Doug Shedden phasenweise nur noch mit zweieinhalb Angriffsreihen stürmen liess.
Die besten Spieler viel zu stark zu forcieren ist nun mal die Ursünde aller kanadischen Bandengeneräle. Aber wenn Doug Shedden einen so guten, so speziellen Damien Brunner im dritten Sturm hat, wird er die Kräfte so verteilen, dass es für die Playoffs und zum Titel reichen kann. Vorausgesetzt, er ist in den Playoffs noch im Amt.