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Die Schweizer Sportler des Jahres heissen Christian Stucki und Mujinga Kambundji . Manuela Schär gewinnt bei den Paralympischen Sportlern, die 4 x 100 Meter-Staffel der Frauen ist Team des Jahres. Trainer des Jahres ist Adrian Rothenbühler. Als MVP wird Roman Josi ausgezeichnet.
Es ist kurz vor 23 Uhr am Sonntag, als klar wird: Christian Stucki ist als erster Schwinger überhaupt Schweizer Sportler des Jahres. Es ist der Lohn für seinen Königstitel am Eidgenössischen. Der grosse, böse Mann strahlt und haucht: «Jetzt müsste ich noch etwas sagen, oder? Ich bin etwas nervös.»
Bis kurz vor Start des Festes in Zug rechnet niemand mit Stucki. Wegen einer Knieverletzung ist lange unsicher, ob er überhaupt teilnehmen kann. Und dann steht er plötzlich im Schlussgang. Eine Stunde vor dem Highlight seiner Karriere realisiert er in der Garderobe, was möglich ist. Es löst sich die ganze Anspannung, die Gefühle übermannen ihn, er weint hemmungslos, im Beisein aller Kollegen. «Es musste wohl einfach alles raus – und wirkte wie eine Befreiung.» In diesem Schlussgang bezwingt Stucki den bis dahin überragenden Joel Wicki und lässt damit die Träume der Innerschweizer vom ersten Königstitel seit Harry Knüsel 1986 platzen. Stattdessen krönt sich Stucki, 34, zum ältesten König der Geschichte.
Der Seeländer ist dank seiner Bodenständigkeit und seinem Humor ein Sympathieträger im ganzen Land. So ist es kein Zufall, dass er nach seinem Königstitel sagt: «Ich hatte noch nie das Gefühl, ich sei etwas Spezielles. Und ich möchte auch in Zukunft ganz normal behandelt werden, es soll mir ja niemand Zucker in den Hintern blasen.» Es ist eine wunderbare Geschichte, jene des Königs Stucki Christian. Eine, die der Sport-Schweiz noch sehr lange in Erinnerung bleibt.
Aufgefallen ist Schwingerkönig Stucki an diesem Abend aber auch aus einem anderen Grund. Das fast zwei Meter grosse Kraftpaket präsentiert sich in einem schwarzen Anzug –ins Auge springen aber seine Schuhe. Statt Lackschuhen hat er weisse Sneakers gewählt, notabene in Schuhgrösse 51. «Ich hätte schon elegantere Schuhe zu Hause, aber in Turnschuhen fühle ich mich wohler. Auch eine Krawatte trage ich nicht gerne.» Ob sein Outfit dem Dresscode entspricht, wisse er nicht: «Ich habe mir meinen eigenen Dresscode erlaubt.»
Als Mujinga Kambundji begann, auf der Tartanbahn zu rennen, da tat sie das barfuss, weil sich die Schuhe so schwer anfühlten. Den Titel «ds schnällschte Bärner Modi» hatte sie davor schon so oft gewonnen, dass es irgendwann in ihrem Alter keine Konkurrenz mehr für sie gab – und sie schon als Teenager gegen die Erwachsenen sprintete. Ihr Weg an die nationale Spitze war vorgezeichnet.
2014 wurde sie bei der Heim-EM in Zürich das, was sie bis heute ist: das Gesicht der Schweizer Leichtathletik. Eine Medaille gewann sie dort aber nicht. Über 100 Meter wurde sie das, was sie danach oft war: undankbare Vierte. Den Höhepunkt dieser unglücklichen Serie bildeten die Europameisterschaften 2018 in Berlin: Vierte mit der 4 x 100 m Staffel, Vierte über 100 m, Vierte über 200 m. Doch was lange währt, wird 2019 endlich gut: WM-Bronze über 200 Meter in Doha. Es ist die erste Schweizer Medaille an Weltmeisterschaften seit zwölf Jahren und Viktor Röthlins Bronze-Lauf im Marathon. Dabei war Kambundji schlecht in die Saison gestartet und gab Rätsel auf, bis ihr im August mit dem Schweizer Rekord über 200 m in 22,26 Sekunden der Befreiungsschlag gelang. «Ich habe gelernt, nicht daran zu denken, was nach dem Rennen kommt. Ich freute mich auf diesen Final, ich konzentrierte mich nur darauf», sagte Kambundji in Doha. Konzentrieren, warten, bis der Startschuss knallt – sprinten. Gestern strahlte sie wieder, die 27-jährige Bernerin – als Schweizer Sportlerin des Jahres, vielleicht noch mehr, als sie es sonst schon tut. Denn auch in der Kategorie «Team des Jahres» schwang sie obenaus, mit der 4 x 100-Meter-Staffel.
Sportlerin des Jahres
1. Mujinga Kambundji 38, 5 Prozent
2. Wendy Holdener 17, 4 Prozent
3. Belinda Bencic 14,9 Prozent
Vor 15 Jahren gewann sie bei den Paralympics in London Silber und Bronze im Sprint, ihre grosse Liebe fand die Rollstuhlsportlerin Manuela Schär, 35, aber bei den Stadt-Marathons. Die Krienserin gewann ihre 10 letzten Marathons, erst Mitte November verbesserte Schär in Oita, Japan, ihren eigenen Weltrekord auf 1:35:42 Stunden. Fast noch mehr Aufsehen machte die seit 26 Jahren und einem Sturz von einer Schaukel bei einem Kindergeburtstag Querschnittsgelähmte mit ihrem offenen Umgang mit ihrer Behinderung, als sie sagte, sie würde jeden einzelnen ihrer Siege und Pokale dagegen eintauschen, wieder gehen zu können. Wie Vieles im Leben bleibt dieser Wunsch unerfüllt. Ein anderer hingegen könnte im nächsten Jahr in Erfüllung gehen: Mit den Paralympischen Spielen hat Manuela Schär noch eine Rechnung offen: 2016 in Rio de Janeiro ging sie leer aus.
Paralympische Sportler des Jahres
1. Manuela Schär, 23,5 Prozent
2. Théo Gmür, 19,4 Prozent
3. Marcel Hug, 17,0 Prozent
Mujinga Kambundji, Salomé Kora, Sarah Atcho und Ajla del Ponte sind schnell, rasend schnell. An der WM in Doha verbessert das Quartett bei der 4x-100-Meter-Staffel ihren eigenen Landesrekord, verpasst das Podest nur gerade um acht Hunderstel. Auch im Abendkleid machen die Sprinterinnen eine gute Figur, bringen den Saal dank ihrer sympathischen Art zum Schmunzeln. Kambundji meinte: «Es macht uns immer Spass, zusammen zu rennen. Deshalb sind sehr stolz, die Schweiz zu vertreten und zeigen zu können, dass wir einfach enorm schnell sind.» Del Ponte ergänzte: «Dieser Award ist für uns eine grosse Bestätigung und Motivation dafür, so weiterzumachen.»
Team des Jahres
1. 4x100-m-Staffel Frauen 18,8 Prozent
2. Ski-alpin-Team 11, 9 Prozent
3. BSC Young Boys 10,1 Prozent
Adrian Rothenbühler ist dann für Mujinga Kambundji da, wenn er gebraucht wird. Bereits seit 2012 arbeitet er mit der Leichtathletin zusammen, ist lange als Berater wertvoll. Seit 2018 schreibt er alle Trainingspläne und begleitet Kambundji an Grossanlässe. An der WM in Doha holen sie über 200 Meter die Bronze-Medaille. Rothenbühler stellt sich nicht gern ins Zentrum: «Als Trainer habe ich das Glück, Athleten in ihrem Leben begleiten zu können. Aber das ist keine One-Man-Show, sondern es braucht ein funktionierendes Team und Umfeld.»
Trainer des Jahres
1. Adrian Rothenbühler (Leichtathletik) 16 Prozent
2. Nicolas Siegenthaler (Mountainbike) 13,6 Prozent
3. Michael Suter (Handball) 11,3 Prozent
Roman Josi ist der erste Sieger in der neu geschaffenen Kategorie für den wertvollsten Schweizer Teamsportler. Der 29-jährige Berner Eishockey-Spieler ist seit zwei Jahren Captain der Nashville Predators. Er hat es als erster Schweizer Profi geschafft, das Gesicht einer NHL-Organisation zu werden. Kürzlich hat er seinen Vertrag bis 2028 verlängert. In den Playoffs lief es nach dem Erreichen des Stanley-Cup-Finals 2017 zwar in den letzten zwei Jahren nicht mehr ganz so gut, doch Josis Wert für das Schweizer Eishockey ist gleichwohl: unbezahlbar.
MVP des Jahres
1. Roman Josi 43,8 Prozent
2. Clint Capela 19,3 Prozent
3. Pascal Meier 16,4 Prozent
Seit sie Ernährung und Fitness mehr Beachtung schenkt, ist Belinda Bencic erfolgreich wie nie zuvor: Rang 8 in der Weltrangliste, Halbfinals bei den US Open und beim Final der Jahresbesten. Doch zwischen Weihnachten und Neujahr schlägt die 22-Jährige gerne ein wenig über die Stränge. «Pizza, Dessert, dazu ein Glas Weisswein oder Rosé darf es schon mal sein.» Gut, ist ihr Freund, Martin Hromkovic, auch gleich Fitnesstrainer. Damit Bencic auch 2020 wieder an der Weltspitze mitmischt.
Skifahrer Ramon Zenhäusern (2,02 m) und Beachvolleyballerin Tanja Hüberli (1,9 m) sind zweifellos das grösste Paar an den Sports Awards. «Ob ich hier der grösste bin, weiss ich nicht, zusammen sind wir es aber bestimmt», sagt der Walliser. Er war mit dem Helikopter aus Val d’Isère nach Zürich geflogen. «Der Flug war toll und die Award-Sendung immerhin ein guter Trost.»