Brünig-Schwinget
Den Bernern gelingt eine eindrückliche Revanche: Kilian Wenger gewinnt den Bergklassiker

Kilian Wenger bezwingt im Brünig-Schlussgang Teamkollege Ruedi Roschi und kürt sich zum Sieger. Die Berner überzeugen mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung, holen 12 von 19 Kränzen – und revanchieren sich für die Niederlage von 2019.

Claudio Zanini
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Der König von 2010 triumphiert auf dem Brünig: Kilian Wenger (rechts) nach seinem Schlussgang-Sieg.

Der König von 2010 triumphiert auf dem Brünig: Kilian Wenger (rechts) nach seinem Schlussgang-Sieg.

Urs Flüeler/Keystone

Die Zwischenrangliste, die kurz vor dem Mittagessen serviert wurde, sah nur durch die Berner Brille rosig aus. Auf den ersten 20 Plätzen standen 15 Berner, 3 Nordwestschweizer, 2 Innerschweizer. Eigentlich wäre das traditionelle Kräftemessen auf dem Brünig jeweils als Duell der benachbarten Teilverbände - Bern und Innerschweiz - angedacht. Dazu käme ein Gästeverband, dem zwar selten der Sieg gelingt, aber dennoch seine besten Vertreter schickt. Doch all die Prämissen dieses Bergklassikers verloren nach drei Gängen ihre Gültigkeit. Es gab keinen Dreikampf, kein Duell, es gab lediglich einen Sololauf der Berner. Das Fest war entschieden, die Frage nach dem stärksten Teilverband geklärt.

Am Ursprung der Innerschweizer Niederlage standen viele Absagen von Spitzenschwingern. Allen voran Joel Wicki, der sich Zeit lässt, um die Ellenbogenverletzung auszukurieren. Ebenfalls abwesend wegen kleineren Blessuren waren Christian Schuler, Marcel Bieri und Benji von Ah. Mit diesen Schwingern bleibt auch sehr viel Erfahrung weg. 250 Kränze bringen sie zusammen.

Doch auch die anderen Verbände hatten ihre Absenzen. Bei den Bernern fehlte König Christian Stucki wegen einer Entzündung im Rücken. Und Remo Käser verabschiedete sich am Samstag in die Isolation wegen einer Covid-Erkrankung. Und die Nordwestschweizer konnten nicht mit ihrem nominellen Leader Nick Alpiger antreten. So war auch das Teilnehmerfeld schwächer besetzt als in den Vorjahren. Von den ursprünglich 23 angemeldeten Eidgenossen traten letztlich nur 15 an. Was bereits am Vormittag deutlich wurde: Bern brauchte in der menschenleeren Naturarena keinen amtierenden König, um den Brünig einzunehmen.

Joggen auf dem Bahnhofplatz

Sie starteten geladen in den Tag. Um 7 Uhr, eine Stunde vor Beginn des Wettkampfs, joggten und turnten die Berner am Bahnhof Brünig-Hasliberg, angetrieben durch laute Rockmusik aus mitgebrachten Boxen. Und so entschlossen wie sie sich aufwärmten, räumten sie nachher im Sägemehl ab. Kilian Wenger, Curdin Orlik, Kilian von Weissenfluh und Ruedi Roschi hatten nach drei Gängen immer noch eine weisse Weste. Doch auch unbekanntere Teamkollegen zeigten sich unerschrocken. Beispielhaft war Adrian Walther, der für die Überraschung des Vormittags sorgte und das Luzerner Schwergewicht Sven Schurtenberger bezwang.

Sven Schurtenberger steckt im 3. Gang gegen Adrian Walther eine Niederlage ein.

Sven Schurtenberger steckt im 3. Gang gegen Adrian Walther eine Niederlage ein.

Urs Flüeler/Keystone

Im 5. Gang stellte sich nur noch die Frage, welche beiden Berner im Schlussgang stehen sollen. Es waren letztlich Ruedi Roschi und Kilian Wenger. Die beiden kennen sich schon lange. Roschi ist 30 Jahre alt, Wenger 31, beide gehören zum Schwingklub Niedersimmental. Vor dem Schlussgang flachsten sie miteinander. Roschi sagte:

«Bitte lege mich nicht mit dem ersten Zug auf den Boden.»

Wenger muss den Wunsch überhört haben. Denn im Schlussgang passierte genau das, was Roschi vermeiden wollte. Nach wenigen Sekunden lag Roschi auf dem Rücken. Für Wenger ist es der zweite Brünig-Titel nach 2014. Er sagte: «Es war sehr speziell gegen einen Teamkollegen anzutreten. Wir trainieren viel zusammen, wir kennen uns sehr gut. Ich bin überglücklich, dass es zum zweiten Mal geklappt hat auf dem Brünig.» Damit bestätigte Wenger seine blendende Verfassung. Bereits beim Mittelländischen eine Woche zuvor schaffte er es in den Schlussgang, verlor dann aber gegen Fabian Staudenmann.

12 von 19 Kränzen für die Berner

Die Dominanz der Berner schlug sich letztlich eindrücklich in der Kranzverteilung nieder. Die Auszeichnung hängt auf dem Brünig generell hoch. Um die 20 Kränze gibt es jeweils zu gewinnen, am Sonntag waren es 19 Exemplare. 12 davon gingen an den Berner Teilverband, vier holten die Innerschweizer (Marco Reichmuth, Erich Fankhauser, Sven Schurtenberger, Urs Doppmann), drei die Nordwestschweizer (Patrick Räbmatter, Joel Strebel, Andreas Döbeli).

Den Bernern ist eine starke Revanche für 2019 gelungen. Damals standen die Innerschweizer Pirmin Reichmuth und Joel Wicki im Schlussgang. Reichmuth reichte gar ein Gestellter für den alleinigen Festsieg. Es war eine Demonstration. Von den damals abgegebenen 19 Kränzen gingen 11 in die Innerschweiz, 8 nach Bern, die Gäste aus der Südwestschweiz gingen leer aus.

Normalerweise ist der Brünig ein guter Gradmesser für kommende Grossanlässe. Am 25. September findet ein Fest dieser Grössenordnung statt, der Kilchberg-Schwinget. Bis dahin bleibt noch viel Zeit. Dass die Berner beim Saisonhöhepunkt einen ähnlichen Sololauf hinlegen, ist zu bezweifeln. Einerseits fehlten auf dem Brünig zwei Teilverbände. Andererseits dürfte die gesamte Elite dann wieder mitmischen.