Tennis
Bobele, der Lebemann ist wieder Sportsmann Becker

Das Deutsche Tennis-Idol Boris Becker hat seinen angekrazten Ruf als erfolgreicher Coach von Novak Djokovic gerettet.

Petra Philippsen, Melbourne
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Boris Becker: Den Sport wieder im Visier.

Boris Becker: Den Sport wieder im Visier.

Keystone

Vor einem Jahr wurde Boris Becker im Melbourne Park noch wie ein Popstar gefeiert. Wie der verlorene Sohn, der nach 15 Jahren erstmals wieder an den Ort seines letzten Grand-Slam-Triumphes zurückgekehrt war. Er war die Attraktion der Australian Open. Bei jeder Trainingseinheit, die er mit Novak Djokovic absolvierte, herrschte Ausnahmezustand – die Fans drängten sich in Massen an die Absperrzäune des Platzes, kreischten «Boris, we love you!» und bettelten um Autogramme.

Es muss Balsam auf Beckers Seele gewesen sein, denn auf dem fünften Kontinent hatte damals niemand mitbekommen, dass er daheim in Deutschland gerade durch seine unsägliche Biografie und mehrere peinliche Fernsehauftritte seinen Ruf als dreimaliger Wimbledonchampion völlig ruiniert hatte. Aus der Heimat drängten kritische Stimmen, die fragten, was Djokovic denn überhaupt mit Becker als Trainer wolle. Nun, zwölf Monate später, ist Becker wieder nach Melbourne gereist – und sein Schützling ist amtierender Wimbledonsieger, Weltmeister und wieder die Nummer eins

Verlorenen Respekt zurückgewonnen

«Ein Jahr ist vergangen und einiges hat sich verändert», sinnierte Becker vor der Halbfinalpartie gegen Stan Wawrinka und meinte damit wohl nicht nur die Schlagzeilen in Deutschland. Der Hype um ihn ist deutlich abgeflacht, denn Becker hielt sich merklich im Hintergrund. Man mochte es kaum glauben. Aber Becker hatte sich in den vergangenen zwölf Monaten einen Respekt wieder verschafft, den er durch seine privaten Eskapaden und die Treffsicherheit, mit der er stetig in Fettnäpfe getappt war, scheinbar dauerhaft eingebüsst hatte.

Doch ihm war die Wende aufs Eindrucksvollste gelungen. Becker ist nicht mehr Lebemann, sondern wieder Sportsmann. Jener Trainer, der einen der besten Tennisspieler der Welt zu einem noch besseren gemacht hatte. «Ich glaube, wir sind beide froh über die Entwicklung», meinte Becker, «ich habe Novak inzwischen sehr gut kennen gelernt, seine Stärken und Schwächen – und an beidem arbeiten wir.»

Der Anfang in Melbourne sei schwierig gewesen, gab der 47 Jahre alte Leimener nun zu. Die neue Partnerschaft gleich mit einem Grand Slam beginnen zu müssen und zudem mit einem, den Djokovic zuvor dreimal in Folge gewonnen hatte, war für Becker ein Drahtseilakt, der eigentlich nur schiefgehen konnte. Und Djokovic scheiterte vorzeitig, im Viertelfinale mit 7:9 im fünften Satz – an Wawrinka.

Nicht gegen irgendeinen Schweizer verloren

Es war ein Drama in fünf Akten zwischen ihnen gewesen, wie schon zuvor bei den US Open. Und heute ist erneut ein Duell mit Überlänge zu befürchten. «Wie lange es auch immer dauert – wir würden auch sechs Sätze spielen», scherzte Becker. Sowohl Djokovic als auch Wawrinka hatten pünktlich zum Halbfinal-Schlagabtausch ihre Bestform gefunden. «Stan war sehr stark gegen Nishikori», registrierte Becker, «und für Novak ist es auch möglich, gut zu spielen und trotzdem gegen Stan zu verlieren.» So wie es vor einem Jahr passiert war. «Man muss ja auch klarstellen, dass Novak damals nicht gegen irgendeinen Schweizer verloren hat», betonte der Deutsche, «sondern gegen den Turniersieger, der Nadal geschlagen hat.»

«Aggressiv, aber nicht blind»

Im Gruppenspiel bei den Tour-Finals in London hatte Djokovic den 29 Jahre alten Lausanner zuletzt im Dezember mit 6:3 und 6:0 geknackt und dabei wichtige Erkenntnisse gesammelt. «Novak hat einen Weg gefunden, gegen Stan aggressiv, jedoch ohne blind und zu riskant zu agieren, zu spielen», analysierte Becker, Djokovic hatte in Melbourne bisher nicht nur keinen einzigen Satz abgegeben, sondern war auch nur einmal gebreakt worden. Ein klares Indiz, dass das Becker’sche Feintuning seines Aufschlags erfolgreich war. «Ich fühle mich schon wie Boris», hatte Djokovic nach dem Viertelfinale beim Interview auf dem Platz gewitzelt und Becker schmunzelte auf der Tribüne mit.

Der Serbe nutzt diese Bühne geschickt, denn noch immer werden nicht alle Fans so richtig mit ihm warm. Federer und Nadal werden dagegen von den Massen geliebt. Djokovic hoffte, und er hofft es noch immer, dass etwas von Beckers Popularität auf ihn abfärben würde. In Beckers Augen erhält übrigens auch Wawrinka zu wenig Beachtung. «Einige Spieler werden medial nicht so respektiert, wie sie es verdient hätten», fuhr Becker fort: «Und Stan ist einer von ihnen. Er hat den Titel hier nicht zufällig gewonnen, sondern die Besten geschlagen.» Dennoch wird er hoffen, dass es Wawrinka heute nicht noch einmal gelingt.