Kommentar
Bloss keine Lippenbekenntnisse in der Kosovo-Frage

Die Kosovo-Frage im Fussball ist auch eine Frage der Integration. Ist die Schweiz für Shaqiri, Xhaka und Co. genügend Heimat, um sich gegen das Geburtsland zu entscheiden?

François Schmid-Bechtel
François Schmid-Bechtel
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Jubeln Granit Xhaka (links) und Xherdan Shaqiri weiter für die Schweiz oder bald für den Kosovo?

Jubeln Granit Xhaka (links) und Xherdan Shaqiri weiter für die Schweiz oder bald für den Kosovo?

KEYSTONE

Am Dienstag hat die Uefa den Kosovo als neues Mitglied aufgenommen. Am 13. Mai gibt die Fifa eine Antwort auf die Kosovo-Frage. Derweil wird in der Schweiz heftig diskutiert, ob Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Valon Behrami und andere abspringen und künftig für die Heimat ihrer Eltern auflaufen werden.

Gewiss ist die aktuelle Situation für Shaqiri und Xhaka nicht sehr angenehm. Man erwartet von ihnen ein klares Bekenntnis für oder gegen die Schweiz, für oder gegen den Kosovo. Dabei ist frühestens am 13. Mai klar, ob sie für den Kosovo spielen dürften.

Sowieso ist es falsch, jetzt von den Spielern ein Bekenntnis zu verlangen. Klar, Valon Behrami hat seins abgegeben. Für die Schweiz. Braver Mann. Nur: Behrami ist 31. Viele Jahre bleiben ihm nicht mehr als Berufsfussballer.

Nein, jetzt von den Spielern ein Bekenntnis «Wir sind für ewig und immer stolze Schweizer» einzufordern, am besten noch als Schwur auf dem Rütli inszeniert, bringt rein gar nichts. Erstens, weil es die Spieler unter Druck setzt. Zweitens, weil die Gefahr besteht, dass es sich dabei um blosse Lippenbekenntnisse handelt. Drittens, weil ein Bekenntnis für die Schweiz als neue Heimat spätestens mit dem Einbürgerungsgesuch einhergeht. Denkt man.

Es gibt eingebürgerte Fussballer, die für ein anderes Land spielen – und man akzeptiert es. Beispielsweise Ivan Rakitic, der von vornherein klargemacht hat, dass er für Kroatien spielt. Und dann gibt es die Kategorie der Gashis und Abrashis, die aus Mangel an Perspektiven in der Schweizer Nationalmannschaft verständlicherweise zu den Albanern «übergelaufen» sind.

Egal ob mit oder ohne kosovarische Ausnahmekönner: Das Talent allein reicht der Schweiz nicht für einen Exploit an einer Endrunde. Trotzdem hat die Schweiz die Möglichkeit, die Fussballwelt zu erschüttern. Wie die Griechen bei ihrem EM-Triumph 2004. Oder Atletico Madrid, das sich gegen die derzeit weltbesten Klubmannschaften wie Barcelona und Bayern München in den Champions-League-Final gearbeitet hat.

Dafür braucht es nicht nur Glück, sondern Wille, Demut, Teamgeist, Leidenschaft und Identifikation. Nur wenn die Schweiz in diesen Punkten besser als die Gegner ist, kann sie die Türe ins Paradies einen Spalt breit öffnen. Doch mit Spielern, erst recht nicht mit Schlüsselspielern, die sich nicht vollumfänglich mit dem Team identifizieren, bleibt eine Glanzleistung Wunschdenken.

Die Kosovo-Frage ist auch eine Frage der Integration. Die Schweiz findet auf diese Frage meist eine pragmatische Antwort. Das ist schon mal nicht schlecht. Aber wie sieht das auf der emotionalen Schiene aus? Vermittelt die Schweiz ein Gefühl von Heimat? Und fordert sie von den Einwanderern den Willen zur Assimilation gebührend ein?

Eher scheint, als gehe die Schweiz diesem Problem gerne aus dem Weg. Was auf fehlendes Selbstbewusstsein schliessen lässt. Die Folge: Den Einwanderern fehlt die Orientierung, was mitunter in Doppeladler-Gesten von kosovarisch-stämmigen Nationalspielern gipfelt.

Auch dem schweizerischen Fussballverband, so hört man, fehlt bisweilen der Mut zur eigenen Identität. So sollen Talente mit Migrationshintergrund in Nachwuchsauswahlen gegenüber einem ebenso talentierten Meier oder Müller vorgezogen werden. Aus Angst, das Talent mit Migrationshintergrund an die Heimat seiner Eltern zu verlieren.

Das ist der falsche Weg. Unglücklich ist auch, dass just zum Zeitpunkt, in dem die Kosovo-Frage virulent ist, der Nationaltrainer Vladimir Petkovic heisst. Schliesslich nagt beim kroatisch-stämmigen Bosnier auch nach knapp 30 Jahren in der Schweiz noch immer das Gefühl der fehlenden Wertschätzung. Das sind schlechte Voraussetzungen, um eine engere Bande zwischen der Öffentlichkeit und einzelnen, aber wichtigen Spielern seiner Mannschaft zu knüpfen.