EHC Biel
Biel-Topskorer Haas: «Ich weiss nicht, ob ich in das Captain-Amt passe»

Biel-Eigengewächs Gaëtan Haas ist die Neuentdeckung der noch jungen Hockeysaison. Nach einem langen Weg in die nationale Hockey-Elite wird er im kommenden Sommer die gefragteste Figur auf dem Transfermarkt sein.

Calvin Stettler, Biel
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Einst war Gaëtan Haas ein unbeachteter Streethockey-Spieler, heute ist er ein umworbener Akteur beim EHC Biel.Freshfocus

Einst war Gaëtan Haas ein unbeachteter Streethockey-Spieler, heute ist er ein umworbener Akteur beim EHC Biel.Freshfocus

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Plötzlich hört Gaëtan Haas seinen Namen durch die Lautsprecher hallen. Eine dringliche Stimme fordert ihn auf, sich an der Kasse des Thermalbads zu melden. «Ihre Eltern suchen Sie», erklärt die Kassiererin. In Haas’ Kopf geistern Hiobsbotschaften aus dem familiären Umfeld herum. Dann Entwarnung. «Sie versuchen, dich zu erreichen», sagt die Mutter am Telefon. Haas ruft auf eine unbekannte Nummer zurück. Es meldet sich eine raue Stimme, die auf Englisch um seine Dienste bittet. Die Stimme gehört Glen Hanlon, dem Nationaltrainer.

Seit diesem Novembertag im letzten Jahr ging es in der Hockey-Karriere von Gaëtan Haas steil aufwärts. Gegenwärtig schreiben der junge Nationalspieler und sein EHC Biel an einer Erfolgsgeschichte: Die Seeländer belegen den unerwarteten zweiten Platz in der NLA. Massgeblichen Anteil daran hat der 23-jährige Haas. Mit acht Punkten aus fünf Partien gehört er zu den produktivsten Stürmern in der National League A. Dem Topskorer entlockt eine solche Statistik nur ein Schulterzucken. Der gelernte Center erinnert sofort daran, dass die Saison noch jung sei. «Aber klar, die Momentaufnahme ist komfortabel.» Haas spuckt keine grossen Töne.

Sein Weg ins Profigeschäft erklärt seine Bescheidenheit. Als Elfjähriger hat der schüchterne Haas schon reichlich Hockey-Erfahrung angesammelt. Auf Rollerskates. Haas’ Leidenschaft gehört dem Streethockey, einer Randsportart, dessen Mekka im Seeland liegt. Haas’ Vater ist auch sein Trainer und ein treuer Anhänger des Eishockeyklubs in der Stadt. Regelmässig nimmt er seinen Sohn ins Stadion mit. Und irgendwann entflammt es plötzlich auch beim Junior, dieses Feu sacré. Haas tauscht die Skates gegen Schlittschuhe ein und durchläuft die Nachwuchsabteilungen des EHC Biel.

Gaëtan, der Ruhige aus der Kurve

Bald folgt ein Treffen mit jener Person, die Haas später auf das Profiniveau hieven wird: Kevin Schläpfer. Der heutige Biel-Trainer ist zu dieser Zeit Nachwuchscoach. Die Chemie zwischen Haas und Schläpfer stimmt auf Anhieb. Schläpfer fordert und fördert das talentierte Eigengewächs. Nebenbei steht Haas regelmässig in der Bieler Fankurve, der «Tribune Sud». Momenten wie dem historischen Aufstieg 2008 wohnt er bei. Es sind die wenigen Augenblicke, in denen Haas aus seiner Seelenruhe ausbricht. «Wirklich», bekräftigt Haas, als müsste er beweisen, dass auch er Emotionen zulassen kann. Es sind zudem Momente, die ihn in seinem Traum bestätigen, auch dieser Mannschaft angehören zu wollen.

Kevin Schläpfer, mittlerweile Sportchef, plagt bald eine Verletzungsmisere. Haas stösst als 17-Jähriger unverhofft zur ersten Mannschaft. Sein introvertierter Charakter erweist sich als Fluch und Segen zugleich. Zum einen werden aufmüpfige, hochnäsige Talente von den Arrivierten verpönt. Zum anderen droht man mit einem unerschrockenen Auftritt nicht unterzugehen. Haas bleibt stumm. Doch schon nach wenigen Partien weist der Rookie eine ansprechende Bilanz aus. «Und schon hatte ich das Gefühl, dass es für die NLA reicht.»

Es folgt eine katastrophale Saison mit null Scorerpunkten. Plötzlich schmerzt die Schulter, die Entwicklung stagniert. Nur einer verliert den Glauben an Haas nicht: Kevin Schläpfer, mittlerweile Trainer der ersten Mannschaft. Schläpfer räumt dem Spieler Zeit für eine Schulteroperation ein. Haas verpasst 2013 die Vorbereitung. Es sollte «das härteste Jahr» in seiner bisherigen Laufbahn werden. Den Anschluss zu finden gestaltet sich schwierig. Nebenbei schiebt der Center erstmals Extraschichten, die er bis anhin als nicht nötig erachtete. Nach verhaltenem Relaunch befindet sich Haas 2015 endlich auf erstklassigem Niveau.

Das Juwel auf dem Transfermarkt

Biel-Sportchef Martin Steinegger meinte kürzlich, dass sich der 23-Jährige im Sommer den Verein auswählen könne, weil ihn jeder haben möchte. Haas’ Vertrag in Biel läuft im Frühjahr aus. Einen Verbleib in seiner Heimat schliesst er nicht aus. Am liebsten würde Haas gar erst nach der Saison in die Verhandlungen treten. «Ich weiss aber, dass ein Vorvertrag auch eine Absicherung ist.» Verletzungen oder Leistungstiefs könnten seine Verhandlungsposition schwächen. Mittlerweile kann sich Schläpfer gar vorstellen, seinen Ziehsohn langfristig zum Captain zu ernennen. «Ich weiss aber nicht, ob ich mit meinem ruhigen Naturell wirklich in dieses Amt passe.»