Der Genfer Basketball-Spieler Clint Capela führt in Zürich sein Basketballcamp durch – im grossen Interview spricht er über die Schattenseiten des Profidaseins. Und er verspricht: «Bald werden wir mit Atlanta den Titel holen, dann kennt ihr mich alle.»
Es ist Mittwochnachmittag in einer Schulturnhalle in Oerlikon, Jugendliche dribbeln im erstmals durchgeführten «Capela Camp» um die Wette, aus den Boxen dröhnt Musik des Rappers Lil Uzi, und Clint Capela spricht in die Kamera eines Journalisten. Er wurde gebeten, doch kurz zu erklären, wer er eigentlich sei, also sagt er: «Ich bin Clint Capela, ich bin 27, ich stand mit den Atlanta Hawks gerade im Halbfinal der NBA. Bald werden wir den Titel holen, und dann werdet ihr mich alle kennen.»
Der letzte Satz hat etwas Bemerkenswertes – Capela ist der am besten verdienende Schweizer Teamsportler der Geschichte, für die im Oktober beginnende Saison 2021/22 wird er mit 18,6 Millionen Dollar entlöhnt. Gerade hat er die wahrscheinlich beste Saison der Karriere gespielt, er war der Rebound-König der NBA.
In Atlanta ist er längst ein Star. Doch in der Deutschschweiz wird der Genfer nur marginal wahrgenommen, was auch dem hiesigen Nischendasein des Basketballs geschuldet ist. Am Rande seiner Visite in Zürich sprach Capela mit CH Media auch über die Schattenseiten seines Berufs.
Clint Capela, 27, spielt seit sieben Jahren in der NBA, nach dem Rücktritt von Thabo Sefolosha ist er der einzige Schweizer in der besten Basketball-Liga der Welt. Der Genfer gehört auf seiner Center-Position zu den besten Spielern der Welt. 2020/21 pflückte er durchschnittlich 14,3 Rebounds pro Partie herunter, es war der Liga-Bestwert. In Capelas Vertrag ist ein Bonus von 500 000 Dollar festgeschrieben, wenn seine Quote an Defensiv-Rebounds mindestens 30 Prozent beträgt. Das Zusatzgehalt sicherte er sich locker; für den Einzug in den Playoff-Final der Eastern Conference erhielt er eine zusätzliche Prämie von einer Million. (nbe)
Hat Sie der Trade nach Atlanta im Januar 2020 eigentlich geschockt?
Clint Capela: Das würde ich nicht sagen. Es wurde in den Medien schon eine Weile darüber spekuliert. Es war hart, Houston zu verlassen, ich hatte dort gute Freunde. Aber wir waren nicht erfolgreich genug, da war es klar, dass sich etwas würde ändern müssen. Zum Glück bin ich in Atlanta gelandet.
Mit den Hawks haben Sie in dieser Saison alle Erwartungen übertroffen. Den Einzug in die Eastern Conference Finals hatte dieser Mannschaft kaum jemand zugetraut.
Das stimmt. Wir uns aber schon, ich meine: Man muss daran glauben, oder? Nach dem Trainerwechsel im März haben wir wirklich aufgedreht. Wir haben ein junges Team, das war erst der Anfang.
Die NBA-Saison ist von etlichen Verletzungen überschattet worden. Waren es nach der pandemiebedingten Zwangspause einfach zu viele Spiele in zu wenigen Tagen?
Es waren auf jeden Fall zu viele Spiele. Wir hatten zu wenig Vorbereitungszeit, da waren die Verletzungen kein Wunder. Auch ich war nicht fit. In den Playoffs spielte ich mit einer verletzten Achillessehne. Wenn ich am Morgen aufstand, konnte ich kaum gehen. Aber was will man machen, bei weniger Spielen hätte es weniger Geld gegeben. Das kam auch nicht in Frage.
Apropos Geld: Sie unterschrieben 2018 einen mit 90 Millionen Dollar dotierten Fünfjahresvertrag. Hat das Geld Sie verändert?
Klar verändert es dich. Zum Guten oder zum Schlechten. Ich glaube nicht, dass es mich zum Schlechten verändert hat. Geld eröffnet Möglichkeiten, du kannst Spass haben im Leben. Das geniesse ich.
In Houston soll Ihr damaliger Teamkollege PJ Tucker sich darüber lustig gemacht haben, dass Sie «nur» Rolls-Royce fahren würden …
Das stimmt. Wegen ihm habe ich mir einen Lamborghini zugelegt. Was soll ich sagen, es sind halt schöne Autos. Und es ist cool, dass ich mir das leisten kann. Aber man sollte nicht vergessen, dass es auch eine andere Seite gibt. Es ist nicht alles nur Sonnenschein, auch wenn die Leute das vielleicht glauben.
Stimmt es, dass Ihnen in Houston nach einer Playoff-Niederlage das Auto von wütenden Fans demoliert wurde?
Ja, das war so. Die Leute sind emotional. Sie wetten auf die Spiele, mehr Geld, als sie sich eigentlich leisten können. Und dann verlieren sie. Ich erhalte ständig Morddrohungen.
Wie bitte?
Wirklich oft. Auf Twitter, auf Instagram, überall. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Es gehört halt zu diesem Job irgendwie dazu, so ist die Welt heute. Ich ignoriere es.
Wie haben Sie es geschafft, so abgeklärt zu werden?
Wissen Sie, ich bin mit 14 Jahren von zu Hause ausgezogen und nach Frankreich gegangen, damit ich Basketballprofi werden kann. Ich musste früh lernen, selbstständig zu denken und zu leben. Das hat mich abgehärtet. Heute hilft mir das.
Ein dominantes Thema in der NBA waren in den letzten zwölf Monaten die Black-Lives-Matter-Proteste. Die Liga und vor allem ihre Spieler haben einiges unternommen, um auf soziale Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Hat es etwas gebracht, sehen Sie Fortschritte?
Wenn man Leute für ein wichtiges Thema sensibilisieren kann, dann bringt das immer etwas. Und ja, die Dinge ändern sich. Zu langsam zwar, aber sie ändern sich.
Thabo Sefolosha, 2020 in Houston noch Ihr Teamkollege, wurde in New York einst selber Opfer von Polizeigewalt…
Ja, und wissen Sie was? Als wir mit den Rockets in New York spielten, haben Thabo und ich den Polizisten, der ihm den Arm brach, gesehen. Es war so schräg. Thabo hat ihn sofort erkannt, aber wir konnten es beide kaum glauben. Die USA können ein gefährliches Pflaster sein, auch heute noch. Ich musste das selber zum Glück noch nie erleben und versuche mich so gut wie möglich zu schützen, indem ich ein ruhiges Leben führe. Ich bin glücklich, wenn ich zu Hause mit meiner Freundin einen Film schauen kann.
In der Schweiz halten Sie sich selten auf. Weshalb führen Sie Ihr Camp in diesem Sommer erstmals auch in Zürich durch?
Basketball hat in der Schweiz keinen einfachen Stand. Es geht mir darum, Kinder und Jugendliche zu animieren, diesen wunderbaren Sport auszuüben – egal auf welcher Stufe. Ich denke, dass Siege helfen. Wenn ich NBA-Champion werden würde, dann hilft das, die Sportart in der Schweiz bekannter zu machen. Für mich ist das eine Motivation. Und ich werde auch wieder für die Nationalmannschaft spielen, sofern es der Spielplan erlaubt.
Wird es nach Ihnen noch einmal einen Schweizer NBA-Profi geben?
Ich hoffe es sehr. Wenn nicht, wird es spätestens bei meinen Kindern so weit sein.
Welche individuellen Ziele haben Sie ausser dem Titelgewinn?
Dass ich es ins All-Star-Team schaffe. Es wird schon bald so weit sein. Ich sehe mich auf meiner Position in der NBA schon in den Top 5. Nein, sagen wir Top 4.