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Sport (BZ)
Die bz trifft vor den Partien der Europa League jeweils einen FCB-Spieler in einer speziellen Umgebung. Heute: Vizecaptain Taulant Xhaka spricht während eines Spaziergangs am Strand über seine Ängste, seine Kindheit und die aktuelle FCB-Krise.
Strand, Sand, Sonne. Die Location für das Interview mit Taulant Xhaka könnte nicht besser sein. Der Mittelfeldspieler des FC Basel ist gut gelaunt. Er spricht während dem Spaziergang am Strand Marbellas über seine Hochzeit Anfang des Jahres, über unterschiedliche Traditionen in Albanien und der Schweiz. Xhaka macht bereitwillig Fotowünsche mit, verjagt Möwen und amüsiert sich. Bis er auf einmal zur Seite weicht, hinter das Tor, welches der Eingang zum Mannschaftshotel ist. Er entschuldigt sich, aber er müsse kurz da verharren. Der Grund: ein vorbei laufender Hund.
Taulant Xhaka: Ich bin im St. Johann aufgewachsen und als Kinder sind wir immer im St. Johann-Park Fussball spielen gegangen. Dort ist mir einmal ein Hund nachgerannt und ich hatte das Gefühl, dass er mich angreifen wollte. Dabei wollte er nur mit dem Ball spielen... Aber seit diesem Moment werde ich dieses Gefühl der Angst vor Hunden nicht mehr los. Ich kann es selber nicht ganz verstehen, gebissen hat er mich ja nicht. Sonst habe ich vor keinem Tier Angst. Ich war sogar schon mal Haifischtauchen in Kapstadt. Das war ein unglaubliches Erlebnis.
Ich weiss gar nicht, wer mir diesen Namen verpasst hat. Das ist irgendwann entstanden und es stört mich auch nicht. Es passt zu meinem Stil auf dem Fussballplatz. Ich bin bissig, bin fürs Team da, versuche jeden Zweikampf zu gewinnen. Und mittlerweile nennen mich auch meine Freunde so.
Ich war ein sehr einfaches Kind, das sagt auch meine Mutter. Ich habe nie viel geheult. Da war mein Bruder ein bisschen anders. Ich war ruhig und habe offenbar immer schon gerne mit den Füssen gespielt.
Erinnern kann ich mich nicht mehr wirklich. Aber mein Vater hat uns früher auf Videokassetten aufgenommen und erst vor Kurzem habe ich die mit meinem Bruder angeschaut. Ich weiss nur noch, dass unsere Eltern uns manchmal aus Angst, dass wir etwas kaputt machen würden, den Ball weggenommen haben. Dann haben wir Socken zusammen gebunden und damit im Gang gespielt.
Ja, sowieso (lacht)! Ich habe hier (greift sich an die Stirn) sogar eine Narbe, weil Granit mal die Uhr von der Wand geschossen hat, diese mir auf den Kopf gefallen ist und es eine Schnittwunde gab.
Das bin ich heute noch, ja. Wir hatten im St. Johann einen Spielraum mit einem Pingpong-Tisch, in dem wir immer dann waren, wenn wir nicht gerade Fussball gespielt haben. Dort konnten wir, unter der Aufsicht eines Mannes namens Heinz, auch Hausaufgaben machen. Er war immer da und hat uns geholfen, wenn wir etwas nicht verstanden haben in der Schule, war aber auch sehr streng. Er ist ein super Typ und wir sehen uns ab und zu noch, da ich ja immer noch viel im Quartier bin. Die Zeit damals war wirklich toll und sehr lustig. Sie können sich ja vorstellen, was wir alles angestellt haben (lacht).
Sagen wir es einfach so: Wir waren keine Engel. Aber es war immer lustig. Vielleicht würde meine Mutter sagen, dass ich in dieser Phase nicht mehr so einfach war. Aber ich bin auch heute nicht so einfach.
Ich bin schon ein Sturkopf. Wenn ich etwas machen will, dann will ich es durchziehen und es ist mir egal, wenn mir jemand sagt, dass ich es nicht tun oder mich beruhigen soll. Dann will ich es unbedingt. So war ich schon als Kind. Wenn mein Vater mir etwas nicht gekauft hat im Laden, habe ich diesen nicht verlassen, bevor er es mir gekauft hat. Ich habe mich einfach hingelegt und geweint.
Ja (lacht)! Ich weiss noch genau, dass ich auf diese Weise einen kleinen Ferrari kriegte, in den man sich als Kind hineinsetzen und Gas geben konnte. Dann bin ich mit meinem Bruder in den Kannenfeldpark gegangen und wir haben mit dem Ferrari Runden gedreht. Da war ich das glücklichste Kind.
Wir sind sehr bescheiden aufgewachsen, aber meine Eltern waren immer für uns da und haben uns ziemlich viele Dinge ermöglicht. Sie haben beide gearbeitet, hatten eine guten Lohn. Daher haben wir ziemlich alles gekriegt, was wir wollten: Ob Kickschuhe oder zum Beispiel den offiziellen Ball von der WM 1998. Mein Vater hat anfangs oft nein gesagt, aber uns die Dinge dann trotzdem ermöglicht. Der WM-Ball wurde dann übrigens am nächsten Tag geklaut und unser Vater hat gesagt, dass er uns nie mehr etwas kaufen werde. Aber wir haben noch viel wichtigere Dinge von unseren Eltern mitbekommen.
Zum Beispiel, dass man Respekt gegenüber älteren Leuten haben soll und was richtig und falsch ist. Das war gerade auch in dieser Umgebung, in der wir aufgewachsen sind, wichtig. Im St. Johann von damals konnte man schnell auf die falsche Spur geraten. Ich kann mich auch erinnern, dass ich mit etwa acht Jahren eine Auseinandersetzung gesehen habe, wo auch Messer involviert waren. Ich war total schockiert. Zuvor kannte ich das nur aus dem Fernsehen. Das war ein Moment, in dem meine Eltern merkten, dass die Umgebung vielleicht nicht die beste ist. Ich hatte auch Kollegen, die sehr talentiert waren, die dann aber auf die schiefe Bahn geraten sind. Bei mir aber kam dieses Thema gar nie auf. Ich dachte immer, dass ich mir im Fussball alles versauen würde, wenn ich nicht aufpassen würde. Dass ich dann Nichts hätte irgendwann.
Ja, schon. Aber mein Vater hat auch immer gesagt: Wenn ich euch bei so etwas erwische, dann ist nicht mehr gut.
Mit jenen, die auf die schiefe Bahn geraten sind, habe ich keinen Kontakt mehr. Sonst aber sind meine Freunde alles jene, mit denen ich aufgewachsen bin. Meinen besten Freund beispielsweise kenne ich seit 26 Jahren. Er kennt mich aus Zeiten, in denen ich nicht so viel hatte wie heute. Bei Leuten, die man jetzt kennen lernt, besteht oft ein gewisses Interesse.
Das passiert schon, aber in solchen Dingen bin ich knallhart. Ich sage denen gleich, dass sie mich in Ruhe lassen sollen.
Nein, noch nie. Da ich kaum Leute an mich heran lasse, kann das auch nicht passieren. Vertrauen wird sehr schnell missbraucht. Das brauche ich nicht. Und darum brauche ich auch nicht mehr Freunde als jene, mit denen ich schon seit klein auf befreundet bin.
Ich kann es noch gar nicht richtig realisieren. Es ist aber ein sehr schönes Gefühl und ich lasse es auf mich zukommen. Am Anfang ist es sicher streng, aber zusammen schaffen wir das.
Ich helfe meiner Frau sicher, das mache ich jetzt schon. Ich bin generell einer, der gerne hilft. Und meiner Frau nur zu sagen, sie solle mich schlafen lassen, weil ich am nächsten Tag Training habe, das werde ich nicht tun.
Mit 23 beispielsweise wäre ich nicht so weit gewesen, ja. Das ist korrekt. Ab einem gewissen Alter aber hat man alles gesehen. Jetzt möchte ich vermehrt Ruhe. Ich habe mir auch überhaupt keinen Druck gemacht. Wenn es passiert, dann passiert es, so war meine Einstellung. Lustig ist aber schon, dass Granits Frau, als sie schwanger war, uns sagte, dass wir nun an der Reihe seien und es bei uns dann sofort geklappt hat. Granit wollte es mir am Telefon erst gar nicht glauben.
Ich will ihn bescheiden gross ziehen – so, wie ich aufgewachsen bin. Er soll nicht meinen, dass er sich zurücklehnen kann, nur weil ich diesen Beruf habe. Die Schule wird wichtig sein. Ich habe nie Wert darauf gelegt, und heute weiss ich, dass es für mich schwer geworden wäre, wenn es mit dem Fussball nicht geklappt hätte.
Ganz zu Beginn nicht. Als ich mich aber zu GC habe ausleihen lassen, habe ich mich schon gefragt: Was passiert, wenn ich diesen Schritt jetzt nicht schaffe? Ich bin ein Risiko eingegangen, bei dem am Ende zum Glück alles aufgegangen ist. Ich werde versuchen, meinem Kind das zu erklären.
Er soll in gewissen Situationen cooler bleiben. Ich habe es zwar mittlerweile gelernt, aber früher hatte ich bei nichts Geduld. Ich habe mich auch neben dem Platz sehr schnell provozieren lassen. Ich hätte vieles anderes machen können früher. Übernehmen soll er meinen Ehrgeiz. Wenn man Ziele hat, soll man bis zum Schluss dran bleiben, egal was passiert. Ich hatte es auch nicht immer leicht, musste den angesprochenen Umweg über GC machen, habe es aber schliesslich gepackt. Und ich habe auch dann nie aufgegeben, wenn ich gesehen habe, dass mein Bruder oder auch Xherdan aus meinem Jahrgang immer gespielt haben in der ersten Mannschaft, ich aber noch nicht.
Ich gehe heute einfach irgendwo hin, wo ich für mich bin, wo es ruhig ist. Dort schreie ich dann rum. Aber das müssen nicht mehr alle hören. Früher habe ich das auf dem Platz gemacht oder Mitspieler in der Kabine angeschrien, die nichts dafür konnten.
In Dingen wie Pünktlichkeit oder dabei, neben dem Feld Dinge zu tun, die nicht gut waren, war ich wirklich undiszipliniert. Ich bin in teuren Kleidern aufgetaucht, ohne auch nur etwas erreicht zu haben. Mittlerweile bin ich in beiden Punkten besser geworden. Und ich finde auch, dass man sich etwas gönnen darf, wenn man etwas geleistet hat. Aber nicht, wenn man noch keine 10 Super-League-Spiele aufzuweisen hat. Das sage ich den jungen Spielern bei uns auch immer wieder. Die sollen erst einmal Meister werden, dann können sie sich etwas gönnen. Dann sagt auch keiner mehr etwas. Aber gleich nach dem Schritt zu den Profis den Macker spielen, das sollte man nicht tun.
Marco Streller beispielsweise. Er hat mir gesagt, ich solle mich gefälligst auf den Fussball konzentrieren. Das war sehr direkt, aber ich bin ihm in Nachhinein dankbar, weil ich verstanden habe, was er damit meinte.
Ein paar Wochen später nimmt sich Taulant Xhaka erneut Zeit. Es sind Wochen, in denen der FC Basel drei von vier Rückrundenspielen verloren hat. Zuletzt gegen 0:1 gegen Thun im Joggeli. Xhaka blickt auf diese turbulenten Tage zurück –und voraus auf das heutige Spiel.
Das ist wirklich schwierig zu sagen. Wir brauchen das gewisse Glück wieder auf unserer Seite, aber wir müssen auch wieder effizienter werden. Wenn wir den Spielverlauf gegen Thun anschauen, dann gibt es nur ein Fazit: Wir hätten dieses Spiel gewinnen müssen. Wir hatten 28 Torschüsse. Einer oder zwei müssen rein, Punkt.
Aus nicht wirklich erklärbaren Gründen sind wir nach der Winterpause schlecht gestartet. Klar, wir hatten einige gesperrte und Verletze Spieler – aber trotzdem stehen wir nun meiner Meinung nach zu schlecht da. Und klar, das erzeugt Unruhe.
Die Trainerdiskussionen ist ein Punkt. Aber auch allgemein die Unruhe rund um den Klub. Ich sage das immer wieder: Dass der Trainer all das so aushält, ist bewundernswert. Würde über mich non-stop so geredet und geschrieben werden, würde ich durchdrehen. Kaum verliert er, muss er lesen, dass sein Posten wieder wackelt. Von all diesen Dingen ist in den Sitzungen aber nie etwas zu spüren. Man merkt nicht, dass er unter Druck ist, er arbeitet absolut professionell weiter. Respekt dafür. Aber, und das möchte ich nochmal sagen: Der Trainer kann nicht mehr machen, als uns gut einstellen, eine gute Aufstellung wählen und uns sagen, wie wir spielen sollen – und das tut er. Wir Spieler müssen das am Ende auf dem Platz umsetzen. Wenn das nicht klappt, dann sind wir Spieler schuld.
Ja, schon. Aber früher war immer klar, dass wir auch nach einer unnötigen Niederlage gegen einen eher schwächeren Gegner einfach weiter machen und im nächsten Spiel zeigen, dass wir der Chef sind. Das fehlt im Moment ein bisschen. Wir müssen auch uns selber wieder bewusst machen, dass wir die Nummer 1 sind.
Natürlich ist alles was mehr Ruhe bringt hilfreich. Wir werden ja immer und überall damit konfrontiert. Wir müssen aber als Mannschaft einfach wieder Erfolg haben, und dass wir dazu in der Lage sind, das haben wir ja bewiesen. Aber uns fehlt das Glück aktuell, auch was die Verletzungen angeht.
Es kann gut sein, dass wir heute genau so aufspielen wie damals. Und dann am Sonntag gleich nochmal gegen Servette und am Donnerstag dann in die nächste Runde einziehen. Dann wäre auch alles wieder ruhig in der Aussenwahrnehmung. Es kann schnell drehen. Und es ist ja nicht so, dass wir nicht wollen. Wir kämpfen, wir probieren. Und wir dürfen uns keinen Druck machen.
Ja, aber der Trainer hat es gut gesagt in den Sitzungen in dieser Woche: Dieses Duell wird erst in Basel entschieden. Wir haben mit dem Heimvorteil im Rückspiel einen Vorteil. Aber wir wollen in Nikosia unbedingt gewinnen, damit wir im Joggeli befreit aufspielen können. Wir sind gut eingestellt.