Für den Tschechen ist der Champions-League-Auftakt in Madrid der erste Auftritt in der Königsklasse überhaupt. Dabei trifft der 25-Jährige gleich auf sein Vorbild - Iker Casillas.
Es ist der Morgen nach der Gruppenauslosung. Wie jeden Tag radelt Tomas Vaclik zusammen mit seinen Teamkollegen zum Trainingsplatz. Als er die zwei Journalisten erblickt, grinst er und ruft: „Na, was habe ich dir gesagt?“ Zwei Tage zuvor hat sich die „Nordwestschweiz“ mit Vaclik getroffen und mit ihm auch über seinen Wunschgegner in der Champions League gesprochen. „Real Madrid“, seine blitzschnelle Antwort. Warum? „Wegen Iker Casillas. Er ist der Beste, ich liebe ihn.“
Ein Traum wird wahr
Vacliks Traum ist real geworden – am Dienstag wird er ins Estadio Bernaubeu einlaufen, mit seinem Idol Casillas abklatschen und sich dann mit einem flauen Gefühl im Magen ins Tor begeben. „Ich werde bestimmt nervös sein“, sagt er und vergleicht die Stunden vor dem ersten Champions-League-Spiel mit denen vor dem ersten Date mit der Angebetenen.
Es wird überhaupt das erste Mal sein, dass Vaclik die Stimmung in der Königsklasse hautnah miterlebt – weder mit Ex-Klub Sparta Prag noch als Zuschauer war ihm das bisher vergönnt. „Ich habe die Spiele von klein auf vor dem Fernseher verfolgt. Als der Fussball für mich mehr als nur ein Hobby wurde, kamen die Träume, einmal die berühmte Hymne auf dem Platz zu hören.“ Wenn es morgen soweit ist, wird er die Augen schliessen und mitsummen. So wie er dies an diesem Mittwoch während des Gesprächs tut.
Im heimischen Wohnzimmer vor dem TV hat Vaclik auch Iker Casillas entdeckt. Den spanischen Welt- und Europameister und Torhüter von Real Madrid, den er seit dem 15. Mai 2002 sein Vorbild nennt: Im Final gegen Leverkusen kam Casillas, damals nur Ersatzmann, nach einer guten Stunde für den verletzten Cesar in die Partie. Seine Teamkollegen hatten dem Sturmlauf der Deutschen nichts mehr entgegenzusetzen, nur der 21-jährige wusste sich zu wehren und rettete den 2:1-Vorsprung über die Zeit - es war die Geburtsstunde der Legende von Iker Casillas. Wer weiss, vielleicht gelingt Vaclik morgen eine ähnliche Leistung wie damals dem jungen Casillas. Es wäre ein weiterer, ein grosser Schritt aus dem Schatten seines Vorgängers im FCB-Tor.
Die Aufgabe, einen Helden zu ersetzen
Keine Frage – Vaclik hatte von allen Neuzugängen die schwierigste Aufgabe. Sie lautete: „Fülle die Lücke, die Yann Sommer hinterlassen hat!“ Der Mann also, der in seinen drei Jahren als Nummer 1 Heldenstatus erreicht hat – bei den Fans, den Mitspielern, im Klub und bei den Medien. Es hat etwas Spezielles, wenn nun ausgerechnet gegen Real Madrid der Stern von Sommers Nachfolger aufgehen könnte. Sich einmal gegen die Königlichen beweisen, hatte er sich vor jeder Auslosung sehnlichst gewünscht.
Vaclik schmunzelt, als Yann Sommer zum Thema wird. „Bislang sprechen mich nur die Journalisten auf ihn an“, sagt er. In der Basler Innenstadt kommen die Menschen auf ihn zu, um ein Foto zu machen und ihm Glück zu wünschen. Niemand habe ihn bisher mit seinem Vorgänger verglichen, weder auf der Strasse noch in der Kabine. „Vielleicht auch, weil ich noch kein Deutsch spreche“, sagt er. Immerhin: Für ein „Dankeschön“ an die Kellnerin, die den Espresso bringt, reicht es.
Wie gut ist Vaclik?
Zurück zum Sportlichen: Nach acht Auftritten in der Super League hat Vaclik zwölf Gegentore erhalten, ein Mal zu Null gespielt, beim 4:1 gegen den FCZ den Ehrentreffer der Gäste mitverschuldet und gegen YB einen Penalty gehalten. Der Heimsieg gegen die Berner war gleichzeitig der erste, an dem er entscheidenden Anteil hatte. Ansonsten: Solide bis gute Arbeit, ohne aber je die Antwort auf die Frage gegeben zu haben: Wie gut ist dieser Tomas Vaclik wirklich? Die Erklärung liegt auf der Hand: In der Schweiz verkriechen sich die meisten Gegner in der Defensive, etwas zu halten gibt es für Vaclik nur nach Fehlern der eigenen Kollegen. „Jeder Goalie möchte mehr zu tun haben. Ein Stürmer will am liebsten drei Tore pro Spiel erzielen, ich drei Elfmeter halten“, sagt er.
Seinen Durst nach mehr Paraden wird er in Madrid stillen können. Die Wucht von Ronaldo, Bale, Benzema und Rodriguez reisst Löcher in jede noch so stabile Abwehrformation, umso mehr sind die Qualitäten des Torhüters gefragt. Das weiss Vaclik, darauf ist er vorbereitet – dank Youtube. Seit er Profi ist, gehört es zur Spielvorbereitung des 25-Jährigen, am Vorabend das Internet zu durchforsten nach Highlight-Videos von den gegnerischen Stürmern. Wenn er wollte, könnte er heute die ganze Nacht die Tricks von Ronaldo und Co. bestaunen. Besser, er legt den Computer irgendwann beiseite und sich ins Bett. Wer will schon sein erstes Date verschlafen?