Australian Open
«Schlimmste Schmerzen, die ich je hatte»: Wie die chronisch Kranke Danielle Collins Ashleigh Barty die Party vermiesen will

Danielle Collins lebt mit zwei chronischen Erkrankungen. Nun fordert die 28-jährige Amerikanerin im Final der Australian Open mit der einheimischen Ashleigh Barty die beste Tennisspielerin der Gegenwart.

Simon Häring
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Ashleigh Barty und Danielle Collins treffen im Final der Australian Open aufeinander.

Ashleigh Barty und Danielle Collins treffen im Final der Australian Open aufeinander.

Keystone

Wenn Danielle Collins auf den Platz geht, hat sie immer zwei Gegnerinnen: jene auf der anderen Seite des Netzes und den eigenen Körper. Denn die 28-Jährige Amerikanerin leidet an Endometriose, einer schmerzhaften Erkrankung, bei der ein der Gebärmutterschleimhaut ähnliches Gewebe ausserhalb der Gebärmutterhöhle wächst. Schätzungsweise jede zehnte Frau ist davon betroffen. Dazu kommt, dass die Diagnose meist ein Zufallsbefund ist und oft erst nach einem langen Martyrium gestellt wird.

So war es auch bei Danielle Collins. Es ist noch kein Jahr her, da litt sie in Melbourne unter Höllenqualen. Die Schmerzen im Unterleib waren so stark, dass sie sich während des Spiels auf dem Boden krümmte, nur unter Tränen weiterspielen konnte und von unten servieren musste. Zahlreiche Ärzte hatten ihre Schmerzen in den Jahren zuvor als Regelschmerzen abgetan und ihr Entzündungshemmer verschrieben. Mit wenig Erfolg: «Das waren die schlimmsten Schmerzen, die ich je hatte», sagte Collins.

Zwei heimtückische Krankheiten

Heilbar ist Endometriose nicht, doch sie lässt sich in gut therapieren. Bei Collins wurde im April 2021 eine Zyste in der Grösse eines Tennisballs aus den Eierstöcken sowie weiteres Gewebe an Blase und Darm entfernt. Es war ein Befreiungsschlag. Erstmals seit Jahren ist Collins schmerzfrei.

Denn die Endometriose ist nicht die einzige heimtückische Krankheit, die ihren Alltag prägt. Vor vier Jahren war bei ihr eine rheumatoide Arthritis festgestellt worden, eine Autoimmunerkrankung, die sehr schmerzhafte Schwellungen in den Gelenken verursacht. Auch die frühere Nummer eins der Welt, Caroline Wozniacki, lebt mit dieser Diagnose. Heilbar ist auch die rheumatoide Arthritis nicht, aber mit Medikamenten gut kontrollierbar.

Danielle Collins spielt erstmals seit Jahren ohne Schmerzen.

Danielle Collins spielt erstmals seit Jahren ohne Schmerzen.

Andy Brownbill / AP

So grotesk das klingen mag: Danielle Collins ist chronisch krank. Umso erstaunlicher ist, dass sie nach einem 6:4, 6:1-Sieg gegen die Polin Iga Swiatek (20, WTA 9) bei den Australian Open erstmals im Final eines Grand-Slam-Turniers steht. Im Alter von 28 Jahren stösst sie auch erstmals in die Top Ten der Weltrangliste vor. Seit ihrer Operation im April hat die Spätzünderin, die erst mit 22 Jahren Profi wurde und zuvor College-Tennis spielte, auch ihre ersten beiden Turniere gewonnen, in Palermo und San Jose. Derzeit bestreitet sie erst ihre vierte Saison mit der Tenniskarawane.

Im Final wird Danielle Collins nicht nur gegen zwei, sondern gegen drei Gegner ankommen müssen. Denn dort trifft sie auf Ashleigh Barty. Sie ist nicht nur die Nummer eins der Welt und zweifache Grand-Slam-Siegerin (Paris 2019 und Wimbledon 2021), sondern auch Australierin. Ihre Spiele verkauft man in der Heimat jeweils als «Barty Party». In welcher Rolle sich Danielle Collins am Samstag sieht, ist auch klar: jener der Partycrasherin.

Auf dem Weg in den Final gab Barty in sechs Spielen nur 21 Games ab. Ihre Sätze gewann sie mit 6:0, 6:1, 6:1, 6:1, 6:2, 6:3, 6:4, 6:3, 6:2, 6:0 und nun im Halbfinal gegen Madison Keys mit 6:1, 6:3. Damit steht die 25-jährige Barty als erste Australierin seit Wendy Turnbull 1980 im Final der Australian Open. Letztmals triumphierte mit Christine O'Neill 1978 eine Einheimische.

Ashleigh Barty stiess ohne Probleme in den Final der Australian Open vor.

Ashleigh Barty stiess ohne Probleme in den Final der Australian Open vor.

Hamish Blair / AP

Ashleigh Barty ist gerade einmal 1,66 m gross und spielt wie die Antithese zu den meisten ihrer Konkurrentinnen, auch zu Collins. Es gibt keinen Schlag, den sie nicht beherrscht, auf der Rückhandseite setzt sie auf den Slice, trotz ihrer Grösse gilt sie als eine der besten Aufschlägerinnen. Seit zwei Jahren führt Barty die Weltrangliste ununterbrochen an.

Ob Barty oder Collins – wer auch immer am Samstag die Trophäe in die Höhe stemmen wird: Es wird eine Wohlfühlgeschichte. Genau das, worauf die Australian Open nach den Wirrungen im Vorfeld gehofft hatten.