Nach der Tour de Suisse ist vor der Tour de Suisse: Auf die Organisatoren warten gleich mehrere Probleme, die einer schnellen Lösung bedürfen. Das Velorennen entspricht nicht mehr dem Zeitgeist in den urbanen Regionen, die Suche nach Geldgebern ist schwierig - doch Besserung ist in Sicht.
Auf dem Land funktioniert die Tour de Suisse. Noch besser in den Bergen. Volksfeste mit vielen Zuschauern prägen in den peripheren Regionen den einst bedeutendsten Sportanlass im Land. In Langnau, Einsiedeln, Arlesheim etc. waren die Leute begeistert vom Velorennen und dem Drumherum. Aber die moderne Schweiz braucht die Tour de Suisse offenbar nicht.
Auch in diesem Jahr machte die Rundfahrt einen Bogen um die nationalen Ballungszentren. Wo die Kauf- und Strahlkraft am grössten ist. Nur Bern war in den letzten Jahren regelmässig Etappenort der Tour de Suisse.
Zürich schaffte das letztmals vor über 20 Jahren. Das Abseitsstehen der bevölkerungsreichen Regionen hat natürlich auch damit zu tun, dass es inzwischen extrem aufwendig geworden ist, halbe Städte für Velorennen abzusperren.
Velorennen entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist in den urbanen Agglomerationen. Das mindert die Chancen bei Partnerschaften mit Geldgebern. Das Sponsorenportefeuille der Tour de Suisse muss derzeit ohne umsatzstarke Konzerne auskommen, die es im Land durchaus gibt.
Der Tagessieger wird von einem Produzenten einer Salatsauce aus dem Kanton Obwalden ausgezeichnet. Der Rekordgewinner Peter Sagan war einst ziemlich verblüfft, als ihm auf dem Podium statt eines Pokals eine Salatschüssel überreicht wurde.
Die Suche nach Geldgebern ist schwierig. Das ist kein Geheimnis. Die Tour de Suisse schreibt keine Gewinne. Sonst hätte keine neue Trägerschaft installiert werden müssen, die sich schon um die Ausgabe 2020 kümmert.
Verwaltungsratspräsident der neuen Organisation ist Markus Pfisterer, der Geschäftsführer von Swiss Cycling, dem Schweizer Radsportverband. Ein Ziel der neuen Trägerschaft besteht darin, den Breitensport stärker einzubinden. Das ist eine gute Idee. Denn Velofahren ist weiter eine der bevorzugten Sportarten im Land. Aber die vielen Mountainbiker und E-Biker müssen wieder stärker vom Produkt Tour de Suisse überzeugt werden.
Die sportliche Ausbeute der Schweizer Rennfahrer ist 2019 sehr bescheiden: Kein Etappensieg, kein Einheimischer, der im Gesamtklassement eine Rolle spielt. Die Tour de Suisse ist aber nur dann landesweit populär, wenn ein oder mehrere Schweizer um den Sieg mitfahren.
Vor fünf Jahren gab es durch Mathias Frank den letzten Podestplatz, vor zehn Jahren mit Fabian Cancellara den letzten einheimischen Gesamtsieger. Für Stefan Küng wäre in diesem Jahr der rote Teppich ausgelegt gewesen, aber der Spezialist blieb in beiden Zeitfahren unter den Erwartungen.
Besserung ist aber in Sicht. Nicht heute oder morgen. Aber mit Marc Hirschi hat die Schweiz einen jungen Fahrer, der dereinst um den Gesamtsieg mitreden kann. Der Berner wird im August 21-jährig, ist amtierender U23-Weltmeister und steht schon bei einem Weltklasseteam unter Vertrag.
Dieses Jahr stand Hirschi an der Tour de Suisse noch im Schatten der Landsleute, die für die Nationalmannschaft im Einsatz waren. Diese konnten mehr oder weniger auf eigene Rechnung fahren und belebten das Rennen. Hirschi hatte in einem professionell strukturierten Rennstall Helferdienste zu verrichten. Das tat er sehr gut.
Solange das Schweizer Fernsehen der Tour de Suisse die Stange hält, ist das Rennen nicht gefährdet. Die Partnerschaft wurde kürzlich verlängert. Wenn Hirschi in ein paar Jahren mit dem Leadertrikot unterwegs ist, werden wieder mehr als 100 000 Zuschauer am Fernseher mit dabei sein – im ganzen Land.