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Der einst stolze SC Bern liegt in der National League am Ende der Tabelle. Und sorgt dafür neben dem Eis für Schlagzeilen. Wie konnte es so weit kommen? Eishockey-Experte Klaus Zaugg liefert Antworten.
Der grosse SC Bern, im Selbstverständnis ein «Bayern München on Ice» wird kritisiert, ja geschmäht und verspottet. Zu Recht? Ja. Denn noch nie ist ein Meister so schnell so tief gefallen. Warum? Es ist eine toxische Kombination aus Selbstüberschätzung, Arroganz, zu viel Ruhm und zu wenig sportlichem Sachverstand. Der grosse Enzo Ferrari pflegte zu sagen: du musst wissen, warum du verloren hast. Aber noch viel wichtiger: du musst wissen, warum du gewonnen hast.
Die Berner wissen bis heute nicht, warum sie in vier Jahren dreimal Meister geworden sind (2016, 2017, 2019). Nun wissen sie noch viel weniger, warum sie als Titelverteidiger auf den letzten Platz gerutscht sind.
Warum war der SCB so erfolgreich? Weil ein charismatischer finnischer Bandengeneral ein Spielsystem eingefuchst hat, das es ermöglichte, ein Maximum aus einem Team herauszuholen, ja herauszupressen, das noch der heutige ZSC-Sportchef Sven Leuenberger zusammengestellt hatte.
Manager Marc Lüthi und seine Sportabteilung lassen sich von der Sonne dieses verblichenen Ruhmes nach wie vor blenden und wärmen. Nach und nach hat sich der SCB in eine beinahe sektenähnliche Organisation verwandelt: Kritik ist absolut tabu. Nur wir wissen den Weg zum Erfolg. Alle anderen gelten als Ungläubige, die vom rechten Weg abgekommen sind. Höchster Ausdruck dieser Selbstüberschätzung ist die Verachtung sportlicher Kompetenz. Was brauchen wir, die wir die Grössten sind, überhaupt einen teuren Trainer? Ganz Hockey-Europa lacht, als der Operettentrainer Don Nachbaur verpflichtet wird.
Inzwischen steht der österreichische Juniorentrainer Mario Kogler so hilflos an der Bande wie Don Quichotte einst vor den Windmühlen. Sollte unser Sportchef kompetent sein? Ach was. Warum also nicht auch mit der Sportabteilung ein wenig Marketing-Schabernack treiben? Zwar wird ob den permanent en Fehltransfers erkannt, dass Sportchef Alex Chatelain unfähig ist. Die Kritik kontert Marc Lüthi mit einem genialen Schachzug: er holt Florence Schelling als neue Sportchefin. Sie ist zwar von allem Anfang an fachlich und führungstechnisch heillos überfordert. Aber die erste Frau in einer solchen Führungsposition kritisieren? Lieber nicht.
Auf dem letzten Platz angekommen. Niederlagen gegen Langnau und die Lakers. Der produktivste SCB-Stürmer, der in der Liga-Skorerliste erst auf der 55. Position auftaucht: irgendwie dämmerte Marc Lüthi, dass er ein wenig Gegensteuer geben sollte. Und hat dem HC Davos Sportchef Raëto Raffainer ausgespannt. Logisch wäre es, sich nun von Florence Schelling und Alex Chatelain zu trennen. Wer den Bären waschen will, muss den Mut haben, sein Fell nass zu machen. Aber das geht nicht. Die gescheiterte Sportchefin zu feuern wäre das Eingeständnis eines Irrtums. Und Alex Chatelain ist ein langjähriges Mitglied der grossen SCB-Familie. Man hält zusammen. Erst recht in der Krise.
Und so versucht der SCB mit einem Übersportchef (Raffainer), einer Untersportchefin (Schelling) und einem Nebensportchef (Chatelain) seine grösste sportliche Krise zu meistern. Wenigstens ist allerbeste Unterhaltung garantiert. Hollywood ist beim SCB inzwischen sowieso wichtiger als Sport. Das ist der Unterschied zum echten Bayern München. Dort geht es immer um Sport