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Piloten, die für ihr Cockpit bezahlen, gab es in der Formel 1 schon immer. Sogar einige der Motorsport-Legenden waren sogenannte Paydriver. Doch der Fall Lance Stroll treibt es auf die Spitze. Nur dank der Millionen seines Vaters kann er in der Formel 1 fahren. So wird es ihm zumindest nachgesagt.
Lance Stroll ist ein charmanter junger Mann. Der Teenager kann packend über sein Abenteuer in der Formel 1 erzählen, wie das Adrenalin durch seinen Körper schiesst, wenn er jenseits der 300 km/h einer Mauer entlangrast. Wie man sich einen Gegner zum Überholen zurechtlegt. Über all die Hochtechnologie in seinem Williams-Auto und wie schwer es ist, das richtige Set-up für das nächste Rennen zu finden.
Nur wenn Stroll zu seinem steinreichen Vater befragt wird, verfinstert sich seine freundliche Miene. Dann zieht der 18-Jährige seine buschigen Augenbrauen zusammen, wittert Gefahr und presst nur noch einsilbige Antworten heraus.
«Ich habe mir diesen Weg nicht erkauft», sagt Stroll trotzig über seinen schnellen Aufstieg in die Formel 1. Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Lawrence Stroll, sein Vater, ist Milliardär und hat es sich bisher rund 80 Millionen Euro kosten lassen, damit sein Sprössling wie in Ungarn gegen Stars wie Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton Rennen fahren darf.
Allein für das Cockpit bei Williams in diesem Jahr zahlt Papa Stroll etwa 35 Millionen Euro – es ist der vermutlich teuerste Arbeitsplatz in der Geschichte der Königsklasse des Motorsports. Die Kritiker, die behaupten, ihm mangele es an Talent und er fahre nur wegen des dicken Geldbeutels seines Vaters in der Formel 1, nerven Stroll. «Ich glaube, ihr Antrieb ist Neid. Nichts anderes», sagt der Kanadier, der in Genf aufgewachsen ist und dort immer noch mit seiner Familie lebt.
Sogenannte Paydriver, also Piloten, die für ihr Cockpit bezahlen, gab es in der Formel 1 schon immer. Selbst Legenden wie Juan Manuel Fangio, Niki Lauda oder Michael Schumacher mussten in Vorkasse gehen, um den Sprung nach ganz oben zu schaffen. Das Spektakel war, ist und bleibt ein verdammt teures Vergnügen, mindestens die Hälfte der Teams kämpft ums finanzielle Überleben. Weil selbst zum Hinterherfahren ein Etat von 100 Millionen Euro nötig ist.
Und die Situation hat sich durch die komplizierten und kostspieligen Hybridantriebe noch einmal deutlich verschärft. Eigentlich sind nur Top-Teams wie Ferrari, Mercedes oder Red Bull nicht auf eine Mitgift ihrer Fahrer angewiesen.
Doch der Fall Stroll treibt es auf die Spitze – und macht damit das ganze Dilemma der Formel 1 deutlich. Spötter behaupten schon, sie verkomme zu einer «Luxus-Mietwagenfirma». Lance Stroll konnte sich immer auf das Geld von Daddy verlassen, er musste nie durch die ganz harte Rennsport-Schule gehen, bei kleinen Sponsoren um Geld betteln, in zugigen Zelten an der Kartstrecke schlafen.
Sein Vater war auch nicht wie damals Anthony Hamilton gezwungen, drei Jobs anzunehmen, um dem kleinen Lewis das Hobby zu finanzieren. Der kleine Lance schnupperte die erste PS-Luft auf der Rennstrecke von Mont-Tremblant bei Montreal – sie gehört seinem Vater.
Von Stroll gibt es keine Geschichten voller Entbehrungen, Schweiss und Tränen, diesen Kampf gegen alle Widerstände. Das sorgt bei den Kollegen nicht unbedingt für Respekt. «Ich werde durch meinen Hintergrund kritischer betrachtet als die meisten anderen», sagt Stroll.
Vater Lawrence Stroll häufte sein Vermögen von etwa 2,3 Milliarden Euro vor allem durch den Kauf und Verkauf von Beteiligungen in der Modebranche (Michael Kors und Tommy Hilfiger) an. Der Unternehmer ist verrückt nach Rennsport, er sammelt edle Ferraris und besitzt unter anderem Oldtimer wie einen 250 Testa Rossa von 1957, der einst in Le Mans gewann.
Lawrence Stroll wäre gerne selber Rennfahrer geworden, jetzt lebt er seinen Traum mit seinem Sohn weiter. Zur optimalen Vorbereitung auf die Rookie-Saison spendierte er Williams einen neuen Simulator und bezahlte zudem private Testfahrten mit einem 2014er-Williams auf verschiedenen Rennstrecken – inklusive einer 20 Mann starken Boxencrew.
«Geld kann kein Talent kaufen», sagt der Ex-Williams-Fahrer Jacques Villeneuve, der zu den grössten Kritikern seines Landsmannes gehört. Für den Weltmeister von 1997 hat Stroll nichts in dem elitären Fahrer-Klub zu suchen: «Diese Entwicklung ist der Anfang vom Ende. Bezahlfahrer zerstören das Image der Formel 1.» Stroll sei einer der schlechtesten Rookies überhaupt. Allerdings hat sein routinierter Teamkollege Felipe Massa nicht viel mehr Punkte auf dem Konto.
Stroll ist ohnehin von seinen Künsten am Lenkrad überzeugt, Rückschläge gehörten im ersten Jahr in der Formel 1 eben dazu – Teil der Lernkurve. «Ich habe hart gearbeitet und meine Meisterschaften gewonnen», sagt Stroll. 2014 wurde er italienischer Formel-4-Meister, im Vorjahr entschied er die Formel-3-Serie überlegen für sich.
Doch weil sein Vater sich vorher bei seinem Prema-Team eingekauft hatte, halten sich hartnäckig Gerüchte, dass der Filius beim Material begünstigt worden sein könnte und im Rennstall Vorfahrt hatte gegenüber den Teamkollegen. Noch so ein Thema, über das Stroll nicht gerne spricht. «Ich weiss, was ich geleistet habe», sagt er
Und Stroll erhält nun prominente Rückendeckung. Der vierfache Ex-Weltmeister Alain Prost sagte dem «Le Journal de Montreal»: «Er wurde schon kritisiert, bevor er seine Karriere überhaupt in Angriff genommen hat. Wer die Formel 1 kennt, weiss genau, wie schwierig der Anfang ist.»