Handball
Alen Milosevic: Vier Jahre nach dem Rauswurf kehrt der Verstossene zurück

Mit dem Leipziger Alen Milosevic (28) kehrt ein längst Vergessener in die Schweizer Nationalmannschaft zurück.

Simon Häring
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Bei Leipzig ist Kreisläufer Alen Milosevic ein unverzichtbarer Wert.

Bei Leipzig ist Kreisläufer Alen Milosevic ein unverzichtbarer Wert.

imago/Eibner

Es beginnt so schön, so verheissungsvoll. Mit zwei Toren im ersten Länderspiel gegen Tunesien. Ein Talent, 1,91 Meter gross, sein Körper muskelbepackt, über 100 Kilogramm schwer, dabei trotzdem beweglich und torgefährlich, ausgestattet mit einem guten Auge. Es ist der 28. Dezember 2007, ein Freitag, und Alen Milosevic erst 18-jährig, als er erstmals für die Schweiz aufläuft. Seit 1995 hat die Schweiz sich nicht mehr für eine WM qualifiziert, seit 2006 (Gastgeber) auch nicht mehr für eine Europameisterschaft. Wieder einmal war ein Neustart ausgerufen worden. Wieder einmal sollte alles besser werden. Und Kreisläufer Alen Milosevic sollte einer der Grundpfeiler sein.

Es endet so unschön, so enttäuschend. Es ist die Nacht auf Samstag, 11. Januar. Ein Tag nach der 23:31-Niederlage gegen Slowenien, zwei Tage vor dem letzten Qualifikations-Spiel in Luxemburg, das die Schweiz mit 28:23 gewinnt. Als Gruppendritter verpasst man die WM 2015. Tatort: Safrangasse in Schaffhausen. Mit heruntergelassenen Hosen, später mit blankem Hintern, tanzt Alen Milosevic vor der Bar «Cuba Club". Wie einige seiner Kollegen ist er betrunken, doch keiner geht so weit wie der Spieler des BSV Bern Muri. Sein Pech: Ein Schnappschuss aus jener Nacht landet beim «Blick», Milosevic wird zur grossen Titelgeschichte: «So feiert ein Nati-Spieler.»

Die Bundesliga erobert

Ingo Meckes, Chef Leistungssport, stellt Milosevic an den Pranger: «Das Verhalten ist nicht tragbar und wird Konsequenzen haben.» Milosevic wird wegen «ungebührlichen und unmoralischen Verhaltens» suspendiert. Kurz darauf erklärt er seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Er ist damals erst 24-jährig und spielt in der zweiten deutschen Bundesliga für Leipzig. 2015 steigt das Team in die wohl beste Handball-Liga der Welt auf, Milosevic ist ein unverzichtbarer Wert. In 182 Spielen für die Sachsen hat er 410 Tore erzielt, über 4000 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Heimspielen. Einer mit der Klasse eines Alen Milosevic, dazu auf der Position des Kreisläufers, da ist man sich einig, ist für das Schweizer Nationalteam unverzichtbar.

Alen Milosevic wechselte in die 2. Bundesliga zu Leipzig und stieg wenig später auf.

Alen Milosevic wechselte in die 2. Bundesliga zu Leipzig und stieg wenig später auf.

Keystone

Es beginnt so schön: Alen Milosevic, der ausgezogen war, um die Bundesliga zu erobern, aber unehrenhaft aus dem Nationalteam ausgeschieden ist, kehrt nach vier Jahren zurück. Wie die «Aargauer Zeitung» aus Handball-Kreisen erfahren hat, steht der bald 29-Jährige im Aufgebot für die EM-Quali-Spiele vom 25. Oktober gegen Kroatien in Osijek und vom 28. Oktober gegen Serbien in Zug. «Ja, es stimmt», sagt Milosevic auf Anfrage. «Es ist noch unwirklich und ein sehr spezielles Gefühl für mich nach dieser langen Zeit, aber ich freue mich sehr auf meine Rückkehr.»

Früher sei er immer einer der Jüngsten gewesen, nun ist er einer der Gestandenen. «In der Nati ist das neu für mich, aber ich kenne das aus Leipzig, wo wir auch eine junge Mannschaft haben.» Die Handball-Szene ist klein und familiär, Milosevic kennt fast jeden aus der Nati. Einen besonders engen Draht hat er zu Andy Schmid, der in Deutschland viermal zum besten Spieler der Liga gewählt worden ist. Dass Schmid jüngst ein klares Bekenntnis zur Nationalmannschaft abgegeben hat, sei auch für ihn ein positives Zeichen mit Signalwirkung gewesen, sagt Milosevic.

Nati-Trainer Suter bemühte sich

«Es ist kein Geheimnis, dass das auch für mich und meine Position entscheidend war.» Wie auch die Bemühungen von Nati-Trainer Michael Suter. Er ist vor einigen Wochen in Begleitung von Luzia Bühler, der Vize-Präsidentin von Swiss Handball, nach Leipzig gereist, um das persönliche Gespräch zu suchen. «Wir waren aber auch schon in den Monaten zuvor ständig in Kontakt: über Telefon, SMS und Mail», sagt Milosevic. «Suter hat mir das Gefühl gegeben, dass er mich unbedingt in der Nati will und sich sehr um mich bemüht.»

Alen Milosevic ist einer, der das vorgemacht hat, was Suter immer wieder propagiert: Seine Spieler sollen dem Handball alles unterordnen, sich im Ausland durchbeissen. Nur das bringe die Landesauswahl weiter. «Alen wird bei uns eine Schlüsselrolle spielen und eine wichtige Lücke füllen. Bei den Gesprächen habe ich seine Vorfreude gespürt, Teil dieses Projekts zu sein», sagt Suter, der die Mannschaft am Donnerstag über die Rückkehr informiert hat.

Alen Milosevic hat den Vorfall von damals längst hinter sich gelassen. «Es war eine andere Zeit. Ich war damals 24, nun bin ich fast 30. Ich habe mich weiterentwickelt.»

Er ist verheiratet, Leistungsträger und einer der besten Schweizer Handballer. In 36 Länderspielen hat Milosevic 53 Tore erzielt. Was so schön begonnen hatte – es kann nun doch noch ein gutes Ende nehmen.