Schwingen
Was macht ein «Böser» wie Nick Alpiger in den Ferien? Er geht mit den Ringern ins Trainingslager

Der eidgenössische Kranzschwinger Nick Alpiger aus Staufen bestreitet ein intensives Trainingslager mit der Ringerstaffel Freiamt. Obwohl er heraussticht, will er nur eines nicht: im Zentrum stehen.

Wolfgang Rytz
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Nik Alpiger (hinten) im Greco-Training mit Sparringpartner Roman Zurfluh.

Nik Alpiger (hinten) im Greco-Training mit Sparringpartner Roman Zurfluh.

Wolfgang Rytz

Am liebsten würde Nick Alpiger heimlich und unerkannt mit der Ringerstaffel Freiamt im Urner Maderanertal trainieren. «Ich verbringe hier eine Woche Ferien und will keine Aufmerksamkeit», sagt der eidgenössische Kranzschwinger und Leader im Nordwestschweizer Verband.

Doch das geht nicht, denn der 24-jährige Staufener mit einem Kampfgewicht von 115 Kilogramm ist der heimliche Star unter den 30 Ringern: ein Star wider Willen.

Man solle über Reto Gisler, Randy Vock und Pascal Strebel schreiben, sagt der «böse» Schwinger auf die Frage nach seiner Motivation für diese kraftraubende Sportwoche in einer faszinierenden Bergwelt.

Gisler, der gebürtige Urner, hat das Trainingslager organisiert, EM-Medaillengewinner Vock leitet die Freistiltrainingseinheiten und Olympiateilnehmer Strebel die Lektionen der Greco-Athleten.

Fischen zur zwischen­zeitlichen Beruhigung

Bei allen Trainingssequenzen am Golzernsee fällt der Blick immer wieder auf Kraftbrocken Nick Alpiger. Bei der «Wanderung» zur Windgällenhütte sorgen zwar leichtgewichtigere Zweikämpfer für Aufsehen. Statt der zwei Stunden, die «normale» Wanderer für diesen Aufstieg mit 600 Metern Höhenunterschied benötigen, sind die schnellsten Ringer in weniger als einer Stunde am Ziel auf 2000 Metern.

Der gewichtige Schwinger hingegen kämpft nach forschem Anfangstempo im Steilhang mit der Distanz, bewältigt die Aufgabe aber in 80 Marschminuten. Nach der Ausdauerleistung gönnt sich Nick Alpiger am See eine Auszeit. Beim Fischen sucht er die meditative Ruhe, selbstverständlich mit dem nötigen Petri Heil.

Am ersten Tag mit drei Trainingseinheiten gehen die Ringer mit vollem Einsatz zur Sache. Das beginnt mit dem Frühsport um 7 Uhr. Reto Gisler verbindet diesen mit einem praktischen Einsatz. Nach einer Joggingstrecke zum See muss Holz gespalten werden. Danach warten ein Tau und eine Hängeleiter, beide an einem Baum befestigt, auf Kraftakte.

So geht es mit verschiedenen Stationen rund um den See. Nick Alpiger versucht am Tau, wie die halb so schweren Ringer mit reiner Armkraft nach oben zu kommen, muss aber am Schluss die Beine zu Hilfe nehmen. Bei der Sprossenleiter bricht der Koloss nach halber Höhe ab, weil der Ast ob der Belastung knackt.

Alpigers Ringerdress-Premiere für das Fotoshooting

Drei Stunden später hat Roman Zurfluh, Kranzschwinger mit Ringerfähigkeiten, ein sogenannter Ringerschwinger, mit Nick Alpiger einen herausfordernden Sparringpartner für die Greco-Griffschule auf der Wiese. Der «böse» Gast im Trainingslager lässt kaum erahnen, dass er für Fotozwecke erstmals ein (zu) enges Ringerdress über seinen bulligen Körper gestreift hat.

Zurfluh bekommt die Agilität des Schwingerspezialisten zu spüren. Er muss die von Trainingsleiter Pascal Strebel vorgegebenen Techniken perfekt anwenden, damit er gegen den Schwergewichter aus dem Sägemehl zum Erfolg kommt.

Lagerleiter Gisler sagt später, dass Nick Alpiger in den Hüften stark, aber gleichzeitig auch beweglich sei. «Er ist lernbereit und ehrgeizig. Deshalb haben wir Freude, dass er mit uns trainiert.» Obwohl sechs Wochen vor Beginn der Nationalliga-A-Saison im Ringen der termingerechte Start ebenso unsicher ist wie die ganze Mannschaftsmeisterschaft, ziehen die Freiämter Ringer ihre Vorbereitung diszipliniert und unbeirrt durch.

Die Trainingswoche im Maderanertal ist auf die ringerischen Grundlagen, das heisst Kraft und Ausdauer, ausgerichtet. Im August folgt eine Woche Mattentraining in Oberriet.

Zusatzgewicht als Herausforderung für den «Bösen»

Die dritte Einheit des Tages ist ein Parcours und findet inmitten der Badegäste am See statt. Das Publikum staunt ob der kräftestrotzenden Athleten und deren schweisstreibendem Einsatz. Auch Innerschweizer Schwingerfreunde, die von Alpigers Anwesenheit gehört haben, beobachten das naturnahe Training. Der Spitzenschwinger fällt nicht nur durch seine Postur auf. Beim Karettenlauf setzt sich Kaderathlet Nino Leutert ins Gefährt, damit Alpiger nicht zu schnell hinaufspurtet.

Wenn die Ringer zum Frühsport über den See schwimmen, gibt der «Eidgenosse» das Tempo vor. «Schwimmen liebe ich seit Kindheit», erklärt er seine Polysportivität und betont noch einmal, dass man doch gar nicht gross über ihn berichten solle. Er plane schliesslich keine Einsätze auf der Matte. «Ich will in der wettkampflosen Zeit einfach etwas machen und habe die Einladung der Freiämter Ringer deshalb angenommen», sagt er. «Alle anderen hier sind wichtiger als ich.»