Startseite
Sport
Sport (AZ, BT)
Immer Vollgas und keine Spur von Starallüren: Elsad Zverotic, der Captain des FC Aarau, ist die ideale Stütze für die junge Mannschaft der Zukunft.
Kurz nach seinem Wechsel ins Brügglifeld im Sommer 2018 sagte Elsad Zverotic: «Ich will mit dem FC Aarau in die Europa League, das wäre logisch.» Logisch, weil ihm das mit all seinen vorherigen Schweizer Klubs gelungen sei: Sion, Luzern, YB und Wil. Wer weiss, was passiert wäre, hätte der FC Aarau am 2. Juni 2019 den sicher geglaubten Aufstieg gegen Xamax nicht vergeigt; internationale Spiele mit dem FCA wären zumindest ein Stück näher gerückt.
Die Realität schlug seither zwar die andere Richtung ein, gegenwärtig befinden sich Zverotic und Aarau im unteren Mittelfeld der Challenge League. Eines aber hat sich nicht verändert: Zverotics Ehrgeiz, der ist nach wie vor riesig. Vor dem ersten Spiel nach Coronapause, in das der FCA mit elf Punkten Rückstand auf Rang 2 ging, gab der Captain intern die Devise «Barrage» vor.
Es folgte das 0:5-Debakel gegen GC, verbunden mit dem ziemlich sicheren Ende aller Barrage-Träume. Also musste Zverotic die Ziele erneut korrigieren, wiederum aber sind sie so gross wie möglich: «Nach vorne ist in der Tabelle der Zug wohl abgefahren. Es darf aber auf keinen Fall sein, dass wir jetzt nur noch mit halbem Einsatz spielen. Jedes Spiel gewinnen, nicht mehr und nicht weniger, müssen wir uns vornehmen.»
Dass dies nicht nur blankgefeilte Floskeln aus dem Mund des Captains sind, beweist er am Freitag im Spiel gegen Chiasso eindrücklich: Nachdem er mit letztem Einsatz den Ball zum 1:0 über die Linie gedrückt hat, rennt Zverotic Richtung Eckfahne, ballt die Fäuste und schreit seine Freude voller Inbrunst in den Tessiner Abendhimmel. Der weitgereiste Montenegriner (61 Länderspiele) mit Wurzeln im Toggenburg hat in seiner Karriere schon wichtigere Tore erzielt, auf seiner Visitenkarte steht unter anderem ein Prachtstreffer mit YB an der Anfield Road in Liverpool.
Schmälern tut dies seine Freude am Erfolgserlebnis in Chiasso nicht, nach getaner Arbeit sagt er: «Wir Fussballer haben den schönsten Beruf der Welt, es ist unsere Pflicht, immer Vollgas zu geben und uns in jedem Spiel verbessern zu wollen. Auch ich bin frustriert über den bisherigen Verlauf der Saison. Trotzdem müssen wir nach vorne schauen und das Beste aus der Situation machen.»
Immer Vollgas und keine Starallüren – kein Wunder, ist Zverotic bei den Teamkollegen hoch angesehen. Und kein Wunder, ist der Captain der Mann, der auch in der nächsten Saison die Mannschaft anführen soll. Eine Mannschaft, die im Vergleich zur aktuellen stark verjüngt werden soll.
Die vergangene Woche mit den Siegen gegen Wil (4:1) und Chiasso (3:1) war ein Vorgeschmack auf den FC Aarau der Zukunft: Beide Male lag das Durchschnittsalter der Startelf bei 24 Jahren, so tief wie nie mehr seit dem Frühling 2018.
Doch einfach nur daran, junge Spieler gefördert zu haben, will und darf sich der FC Aarau in Zukunft nicht messen lassen. Dafür sind die Ansprüche im und um den Verein zu hoch. Und dafür sind auch die finanziellen Möglichkeiten zu gross: Der FCA dürfte trotz Coronaeinbussen auch in der kommenden Saison zu den drei bis vier zahlungskräftigsten Klubs der Challenge League gehören. Die Zukunft wird zum Balanceakt zwischen Jugendförderung und hohen sportlichen Ambitionen.
Es wird also weiterhin ein Gerüst brauchen aus erfahrenen Spielern im fortgeschrittenen Alter, die den Talenten den Weg weisen und die mit ihrer individuellen Klasse ein Spiel im Alleingang entscheiden können. Neben dem 33-jährigen Zverotic bildeten in der vergangenen Woche Olivier Jäckle (27) und Marco Schneuwly (35) diese viel zitierte Achse.
Zverotic sagt: «Die Jungen haben gegen Chiasso und Wil ihre Chance genutzt, sie haben gekämpft und sogar ein bisschen gezaubert. Aber einbilden können sie sich nichts darauf. Diese Siege sind keinen Blumentopf wert, wenn sie jetzt nicht genauso weitermachen: Nur wer immer das Maximum abruft, hat die Chance, sich zu verbessern und den Sprung in eine höhere Liga zu schaffen.» Klar ist: Um den richtigen Ehrgeiz zu entwickeln, sind die jungen FCA-Spieler bei Papa Zverotic an der richtigen Stelle.
Sechs Minuten stand Jérôme Thiesson am vergangenen Freitag in Chiasso (3:1) nach seiner Halbzeit-Einwechslung auf dem Platz, ehe er verletzt wieder raus musste. Die Untersuchungen ergaben beim 32-Jährigen eine gröbere Zerrung – ob Thiesson bis zum Saisonende am 31. Juli nochmals spielen kann, ist fragwürdig. Hingegen rückt das Comeback von Shkelzen Gashi näher: Am Montag kehrte der Stürmer nach seiner Zerrung zurück ins Mannschaftstraining, kommenden Freitag gegen Lausanne-Sport soll er erstmals seit seiner Rückkehr zum FCA im 18-Mann-Aufgebot figurieren. Vor dem Duell gegen den Leader tritt der FCA heute Abend beim FC Winterthur an, der seine Heimspiele wegen Bauarbeiten im Stadion Schützenwiese aktuell im Zürcher Utogrund austrägt. Mit einem Sieg könnte sich Aarau in der Tabelle auf Rang 5 verbessern. (wen)