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Sport (AZ, BT)
Die Aargauer Karatekämpferin Elena Quirici war bereits für die Olympischen Spiele qualifiziert. Dann kam Corona und raubte ihr ihren Traum. Am Samstag in Lissabon will sie ihn nun erneut wahr machen.
«Endlich, endlich, endlich ist es so weit.» Elena Quirici sagt das erlösende Wort dreimal. Nur einmal würde dem, was sie erlebte, nicht gerecht. Wie oft fühlte sich die Wartezeit unendlich an. Wie oft war es, als jage sie ein Ziel, das sie zwar durch das Fernglas sieht, das aber einfach nicht spürbar näher kommt.
Und wenn es doch einmal Hoffnung gab, folgte bestimmt eine nächste Verschiebung, eine nächste Kurve auf dem Weg an die Olympischen Spiele.
Viele Monate sind vergangen, seit Quirici auf Facebook vom Karte-Weltverband erfuhr, dass das Qualifikationsranking für die Sommerspiele in Tokio erneut geöffnet wird. Dies, nachdem die Titelkämpfe aufgrund von Corona in diesen Sommer verschoben wurden.
Dabei war Quirici schon qualifiziert, hatte sich ihr Traum erfüllt. Karate wird nur in Tokio olympisch sein. Es ist eine einmalige Chance. Aber den Weg dorthin verdoppelte der Virus. Was für eine Gemeinheit. Was für ein Schlag, den die Kämpferin nicht selbst parieren konnte.
Aber Quirici nahm die Herausforderung an. Dann würde sie sich halt noch einmal für die Spiele qualifizieren. Nur wann, das stand lange nicht fest. Weil Corona das Karate weiter fest im Griff hatte und Wettkämpfe verhinderte. Aber nun, am Samstag in Lissabon, ist es endlich so weit. Das K1-Turnier ist der erste Wettkampf seit gut eineinhalb Jahren und der Event, der für Tokio alles entscheidet.
Quirici hat es selbst in der Hand. Sie belegt derzeit Rang zwei im Ranking ihrer Klasse und dieser Platz berechtigt zur Teilnahme an den Olympischen Spielen. Verteidigt sie ihre Klassierung, gibt es ein zweites Halleluja.
Aber auf Rechenspiele, was wäre, wenn diese oder jene Konkurrentin dieses oder jenes erreichte, will sich die 27-Jährige gar nicht einlassen. «Das könnte nach hinten losgehen.» Sie konzentriert sich lieber auf sich selbst, auf ihre Kämpfe. Auf alles, was sie selbst kontrollieren und beeinflussen kann. Sie sagt:
«Ich weiss, ich habe alles investiert, alles getan, damit ich die Chance habe, es zu schaffen.»
Aber die Wartezeit war nicht immer leicht. Obwohl Warten war es ja nie. Das tönte ja nach Erholung. Quirici hat hart trainiert, hat immer eine Übung mehr gemacht, als es der Trainingsplan vorsah. Hat sich immer noch ein paar Meter weiter gequält, als das definierte Ziel auf dem Laufband vorgab.
Und es gab Krisen. «Momente, in denen ich weinend am Boden lag und nicht mehr wusste, wie es weiter gehen soll.» Momente, in denen sie zweifelte.
Immer dann nahm sie ihr Freund Raul Cuerva Mora, mit dem sie die meiste Zeit in seiner Heimat Spanien trainierte, zur Seite. Mit auf einen Spaziergang, um mal abzuschalten. «Weil er selbst Karatekämpfer ist, konnte er sich in mich hineinfühlen.»
Doch auch die Familie hat geholfen, die in solchen Phasen lieber eine Nachricht mehr als weniger aus Schinznach schickte. «Das alles hat mir extrem gutgetan.»
Quirici raffte sich immer wieder auf, machte noch eine Wiederholung, obwohl der Körper schmerzte. Jede Woche, jeden Tag. Und es wurde zum Mentaltraining, weil sie zurückschauen konnte und wusste:
«Ich habe alles getan. Ich habe die Grundlagen geschaffen, dass ich im Kampf die Extraleistungen erbringen kann, die den Unterschied ausmachen kann.»
Jetzt, wo der Tag, auf den sie so lange gewartet hat, bald da ist, fühlt sich Quirici ruhig, fast gelassen. Vor allem aber mit sich im Reinen. «Ich bin bereit.»
Es ist eine beruhigende Gewissheit, dass sie sich nie Vorwürfe wird machen müssen, dass sie nicht alles investiert hätte. «Ich bin oft an meine Grenzen gestossen, vor allem mental, aber ich habe es hierhin geschafft. Das macht mich stolz.»
Endlich, endlich, endlich ist es so weit. Quirici ist bereits in Lissabon, bereit für den finalen Tag. «Als Sportlerin lernt man irgendwann, damit umgehen zu können, dass es den Tag X gibt.» Ihrer darf kommen. Sie hat das Warten satt.