Startseite
Sport
Sport (AZ, BT)
Am Donnerstagabend (Anpfiff: 18.15 Uhr) startet der HSC Suhr Aarau gegen St. Otmar St. Gallen in die Viertelfinalserie der Handball-Playoffs. Die AZ stellt die wichtigsten Akteure beider Mannschaften vor.
Klar, Aufdenblatten ist Captain und zweitbester Skorer seiner Mannschaft, Fakten wie diese lassen sich mit einem Blick aufs Matchblatt oder in die Statistik herausfinden. Aufdenblattens Spiel ist aber auch eines der Nuancen. Eines, das man am besten zwischen den Zeilen liest. Aufdenblatten spielt so, als wäre er schon immer fester Bestandteil des HSC und der Nationalliga A gewesen, dabei ist er erst 25 Jahre alt. In der Offensive ist er der Antreiber, der in die Lücken vorprescht und auch mal in Rück- oder Seitenlage abschliesst. Keiner sieht nach einem Spiel so gezeichnet aus wie er, wenn das Trikot schief hängt und sich auf dem Gesicht Spuren abzeichnen. Im hoch ausgerichteten Deckungssystem des HSC ist Aufdenblatten als Spitzverteidiger der erste Abwehrmann. Auch diese Rolle füllt er ausgezeichnet aus.
João Ferraz ist keiner für die explosiven Momente. Zuweilen wirkt es gar, als bewege er sich in Zeitlupe, was freilich nicht der Wahrheit entspricht. Die schnellen Richtungswechsel und die Tempogegenstösse sind nicht seins. Ferraz’ Qualitäten sind andere. Der Portugiese besticht durch ein feines Auge, er sieht Passwege und Abwehrlücken, die anderen Spielern verborgen bleiben. Hinzu kommt ein raffinierter Wurf. Ob Schlagwürfe, Sprungwürfe oder Schlenzer – der Linkshänder im rechten Rückraum beherrscht sie alle. Der 31-Jährige ist Nationalspieler seines Heimatlandes und hat an Welt- und Europameisterschaften gespielt. Sein Trainer erwartet von ihm in erster Linie eine gute Körpersprache. Nach schwachen Leistungen zu Beginn der Saison hat sich Ferraz merklich gesteigert und geht als Vorbild voran.
Dragan Marjanac ist das finale Puzzlestück der HSC-Defensive. Wenn alle Stricke reissen, ist er zur Stelle. Meistens jedenfalls. Abwehrquoten von über 50 Prozent sind für den Torhüter keine Seltenheit. Sein Stellungsspiel hat Marjanac in zweieinhalb Jahren beim HSC mit Goalietrainer Milos Cuckovic minutiös verfeinert. So sind es weniger spektakuläre Paraden oder akrobatische Verrenkungen, die das Publikum begeistern (wenn es denn in die Halle darf). Der 36-jährige Serbe steht einfach sehr oft bereits am richtigen Ort. Bei Spielen des HSC kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass da ein regelrechter Stoiker im Tor steht. Starke Gefühlsregungen gibt es nur in Ausnahmefällen. In der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft, Marjanac hält auf diese Weise seiner Mannschaft den Rücken frei.
Manuel Zehnder ist 21 Jahre alt und bereits der beste Torschütze seines Teams. Seit letztem Herbst trägt er das Leibchen des Topskorers, das sich in der Gestaltung von den anderen abhebt. Und inzwischen lässt sich ohne Zweifel sagen, dass das Trikot für Zehnder keine Last darstellt. Der gebürtige Suhrer macht auf sich aufmerksam. Durch Spielwitz, scheinbar grenzenlose Bewegungsfreude – und, klar, durch Tore. Zehnder scheut sich nicht vor Verantwortung: Pfeift der Schiedsrichter zum Penalty, steht meist der junge Spielmacher an der Linie. Trainer Kaufmann nimmt ihn oft zur Seite, korrigiert und justiert, manchmal schimpft er. Dass Zehnder dazulernen muss, steht ausser Frage. Vieles an seinem Spiel wirkt noch ungeschliffen und roh, die Torquote liest sich nicht immer gut. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass Zehnder ein Versprechen für die Zukunft ist.
David Poloz wirkt manchmal ein wenig unscheinbar. Das mag an der schmächtigen Statur liegen, dem schläfrigen Blick oder daran, dass der 26-Jährige nun eben kein Lautsprecher ist. Das Schöne daran ist ja, dass Poloz Attribute wie Redefreudigkeit oder Machogebaren auf seiner Position gar nicht nötig hat. Der Tscheche spielt auf dem rechten Flügel, wo Handlungsschnelligkeit, Abschlussstärke und flinke Finger gefragt sind. All das bringt der Linkshänder zuhauf mit. Es ist nicht verwegen zu behaupten, dass Poloz zu den allerbesten Rechtsaussen der Liga gehört. Dafür sprechen seine sagenhafte Torquote und die starke Defensivarbeit. Nach dem Ende der Playoffs wird Poloz den Verein nach drei Jahren verlassen. Wo er hin wechseln wird, ist noch nicht bestätigt. Fest steht: Er wird dem HSC fehlen.
Mit 222 Toren ist Andrija Pendic der beste Torschütze der Liga. Der Thurgauer spielt im Alter von 34 Jahren die individuell beste Saison der Karriere. Das Spielsystem von St. Otmar ist auf ihn ausgerichtet, er ist verantwortlich für die vorletzte und die letzte Entscheidung eines Spielzugs. Dabei ist der Spielmacher mit einer enormen Spielintelligenz gesegnet: Er weiss, wann er in den Abschluss zu gehen hat – und wann nicht. Mannschaften, die auf sein Wirken nicht vorbereitet sind, bestraft Pendic gnadenlos. Jüngstes Beispiel sind die 17 Tore gegen den RTV Basel. Trotz seiner Statistiken ist Pendic kein Egozocker, sondern ein Teamplayer. Nicht umsonst hat ihn Michael Suter für die Spiele gegen Dänemark und Nordmazedonien nach siebenjähriger Absenz zurück in die Schweizer Nationalmannschaft beordert.
Ihn braucht man im Aargau eigentlich nicht mehr vorzustellen. Zoltan Cordas hat als Coach in Suhr, Endingen und Möhlin Spuren hinterlassen und dabei meist erfolgreich gearbeitet. In St. Gallen hat der Mann aus dem österreichischen Linz nach einem zweijährigen Sabbatical eine neue Aufgabe gefunden. Der 58-Jährige ist ein Vertreter der alten Trainerschule. Er sagt, wie es läuft, Partizipation ist nur bedingt erwünscht. Seine Methode scheint zu fruchten: Dass St. Otmar in dieser Saison so viele Punkte geholt hat wie seit zehn Jahren nicht mehr, ist vor allem sein Verdienst. Er war schlau genug, zu erkennen, dass er sein System auf Pendic fokussieren muss. In der Saison von St. Otmar war die taktische Flexibilität augenfällig, für jeden Gegner macht sich Cordas einen individuellen Matchplan zurecht.
Der 33-jährige Torhüter ist bislang 423 Mal in der Nationalliga A aufgelaufen und damit jener aktive Spieler mit den meisten Einsätzen in der höchsten Spielklasse. Der gebürtige Winterthurer lancierte seine NLA-Laufbahn bei GC. Als Bringolf vor einigen Jahren bei Pfadi Winterthur aussen vor war, kurbelte er die Karriere bei Fortitudo Gossau neu an. Der Ehrgeiz, auf dem höchsten Level zu spielen, trieb ihn zu St. Otmar St. Gallen, wo er seit 2018 unter Vertrag steht. Während Bringolf im Verein Option Nummer eins darstellt, ist er in der Schweizer Nationalmannschaft hinter Nikola Portner nur zweite Wahl. Wenn es ihm läuft, kann er seine Gegner zur Verzweiflung bringen. Diese Kunst beherrschte er besonders zu Beginn dieser Saison bestens, zuletzt ging ihm ein wenig Sicherheit und Selbstvertrauen ab.
Tobias Wetzel ist der Abwehrchef, die Führungskraft und die Identifikationsfigur für die St. Galler Fans. Seit er 14 Jahre alt ist, spielt Wetzel bei St. Otmar, zuerst in den Jugendmannschaften, dann bei den Profis. Inzwischen ist der Hüne (1,94 Meter Körpergrösse) 27 Jahre alt – und zurzeit verletzt. Seit zwei Monaten plagt ihn eine hartnäckige Entzündung im Leisten- und Rückenbereich, die Einsätze auf der Platte unmöglich machte. Vielleicht kehrt er rechtzeitig für die Playoffs zurück, vielleicht aber auch nicht. Wenn er fehlt, mangelt es der St. Galler Defensive an Robustheit. Am Ende der Saison werden St. Otmar und Wetzel getrennte Wege gehen. Er wechselt nach Dänemark, wo er unter Cordas-Vorgänger Bo Spellerberg auflaufen wird. Wetzel habe, so heisst es, schon immer davon geträumt, im Ausland zu spielen.
Dominik Jurilj habe den härtesten Wurf der Schweiz, sagen einige Beobachter in St. Gallen voller Anerkennung. Die Gleichen sagen auch: «An guten Tagen haut er dir zehn Dinger rein.» Diese salopp ausgedrückte Feststellung lässt sich statistisch belegen. An guten Tagen kratzt der 26-jährige Rückraumspieler tatsächlich am zweistelligen Torbereich. Siehe sein Auftritt in der Schachenhalle im vergangenen Oktober, als dem 2,01-Meter-Mann gar deren elf Treffer glückten. Nur kommen solche Auftritte Juriljs nicht in solcher Regelmässigkeit, wie sie sich das bei St. Otmar vielleicht wünschen würden. Seine jüngste Bilanz fällt mit fünf Toren in vier Spielen eher spärlich aus. Bleibt für den HSC Suhr Aarau zu hoffen, dass sich Jurilj die «guten Tage» nicht für die Viertelfinalserie in den Playoffs aufgehoben hat.